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IT aus der grünen Steckdose

Report: Herr Pruschak, in der Branche üben sich die Hersteller und Dienstleister momentan im Schulterschluss und setzen auf »Green IT«. Man möchte dem steigenden Energieverbrauch Herr werden. Wie sieht das grüne Mascherl der IT wirklich aus?
Wilfried Pruschak: Die derzeit medial vielbeachtete Welle der Green IT wird den herrschenden Klimawandel nicht radikal beeinflussen können. Aus zweierlei Hinsicht: Zum einen ist die Betrachtung des Energieverbrauchs der Hardware zwar lobenswert, doch bleiben Kosteneinsparungen bei einzelnen Geräten wie PC oder Bildschirm unter der Wahrnehmungsgrenze des Verbrauchers. Ein Bewusstsein für das Problem des steigenden Stromverbrauchs ist zweifelsfrei notwendig, es wird aber nicht dezentral entstehen können. Betreiben Sie dagegen 10.000 bis 20.000 Rechner, sieht die Sache ganz anders aus. Bei Rechenzentrumsbetreibern ist der ständige Energieverbrauch bereits ein fixer Teil der Gesamtkosten im Lebenszyklus einer IT-Lösung. Bei einer Stromrechnung von jährlich zwei Millionen Euro Höhe sieht das Einsparungspotenzial bereits völlig anders aus. Aus Umweltschutzgründen aber gibt es etwas weitaus Schlimmeres als die Energieaufnahme der Geräte: den Elektronikschrott, der nicht wiederverarbeitet wird. Hier könnten Pfandverfahren ähnlich wie in der Getränkeindustrie für ein größeres Bewusstsein bei den Nutzern sorgen. Für Unternehmen bedeutet dies die Notwendigkeit eines Umweltmanagementsystems. Regelwerke wie ISO 14000 beschreiben schon seit Jahren den richtigen Umgang und die fach- und umweltgerechteEnt­sorgung von Elektronikteilen und Geräten. In der Diskussion rund um Green IT eröffnen sich aber auch neue Wege: Eine große Hebelwirkung in der Reduktion der Energiekosten wird die wachsende Zentralisierung der Informationstechnologie haben. Es gibt nun nicht nur ökonomische, sondern auch gesellschaftlich gestützte Argumente für IT aus der Steckdose. Denn IT-Services aus einer Hand, vom Spezialisten, erhöhen den Auslastungsgrad bei Geräten. Ein normaler Rechner zuhause wird mit vielleicht 20 bis 30 Prozent Auslastung betrieben - denken Sie an die vielen Stehzeiten oder Anwendungen wie etwa ein Textverarbeitungsprogramm, die nur einen Bruchteil der Prozessorkraft oder des Speichers benötigen. Diese Rechnerleistung könnte nun auch auf einem Fleck gebündelt, optimiert und je nach Bedarf angeboten werden. Und nebenher auch für neue Geschäftsmodelle in der IT sorgen.

Report:: Die Modelle, Ressourcen von Tausenden Rechnern in einem Netzwerk zu bündeln, wurden aber bereits für gescheitert erklärt. Die Verwaltung geografisch verteilter Rechnerkapazitäten hatte sich als zu ineffizient erwiesen.
Pruschak: Verteilte Ressourcen werden stets teurer als zentrale Leistungserbringer wie ein Rechenzentrum sein. Aus diesem Grund wäre für mich das Modell IT aus der Steckdose auch ein klarer Kandidat für einen IT-Dienstleister und Rechenzentrumsbetreiber wie Raiffeisen Informatik. ähnlich wie in der E-Wirtschaft könnte dann auch mit IT-Ressourcen und Rechenleistung gehandelt werden. Das Konsumentenverhalten bei der Energieaufnahme und Nutzung der Computer ist ebenso einschätzbar wie voraussagbare Verbrauchsspitzen in den Stromnetzen. Auch die Energieversorger haben gelernt, effizient und optimiert zu agieren: Kraftwerke laufen in der Regel nicht unter Volllast, in Spitzenzeiten kaufen die Versorger für den erhöhten Energiebedarf im Inland einfach aus dem Ausland ein. Ein global auftretendes Ressourcennetzwerk könnte auch in der IT seine Servicekraft verteilt und flexibel an die Unternehmen oder sogar den Endkunden bringen.

Report: Wie werden solche Services künftig angeboten? Wie sieht Ihre Vision der IT-Steckdose aus?
Pruschak: Der Trend zu zentralen Services in der IT ist bereits mit der Verbreitung von Breitbandanschlüssen und webbasierter Anwendungen zu beobachten. Ich denke, dass wir uns in naher Zukunft nicht mehr mit unzähligen Installation und Lizenzen auf jedem einzelnen Rechner herumschlagen müssen, sondern Büroanwendungen und andere Werkzeuge flexibel im Netz nutzen werden. Wenn der Rechner des Nutzers dann nicht mehr Unmengen an Leistung für Anwendungen benötigt, die ohnehin nur zu einem Bruchteil ausgereizt werden, kommen reale Skaleneffekte zum Tragen. Die wichtigste Software wird der Internetbrowser sein, meinetwegen Google. über diesen kann der User dann jegliche Funktionen nutzen, für die früher stets ein 40-kg-Rucksack vonnöten war. Office-Anwendungen oder auch Bildbearbeitungsprogramme laufen dabei im Hintergrund zentral in einem Rechenzentrum und sind für alle Nutzer flexibel über die Browseroberfläche am Client nutzbar. Der IT-Dienstleister übernimmt die Verwaltung dieser Rechenleistung und aller Anwendungen.Ein Großteil der Computernutzer wäre glücklich, die Instandhaltung der zunehmend komplexeren Geräte nicht mehr selbst unternehmen zu müssen. Der Dienstleister als Spezialist schafft den Umgang mit Ressourcen wesentlich effizienter, der User selbst kann sich wieder auf die Funktionalitäten seiner Werkzeuge konzentrieren. Stellen Sie sich doch einmal folgende Frage: Wollen Sie zuhause einen PC betreiben oder wollen Sie vielmehr dessen Funktionen nutzen? Die Auslagerung der Infrastruktur wird auch im Residential-Bereich ein Riesenthema werden und eine ähnliche Entwicklung beschreiben, wie es IT-Outsourcing für die Unternehmen vor Jahren getan hat. Das Wachstum der Zahl der IT-Bestandteile in den Haushalten - heute benötigt der durchschnittliche PC-User auch Antivirensoftware, eine Firewall, ein Funkmodul für das Drahtlosnetzwerk und vielleicht sogar noch eine externe Speicherplatte - führt regelrecht zu einem Heim-Rechenzentrum. Eine solche, nur wenig konsolidierbare Struktur ist komplex und extrem ineffizient. Schätzungen zufolge benötigen Anwendungen am PC-Desktop gerade einmal acht Prozent der aufgewendeten Energie und Leistung. 92 Prozent gehen ungenutzt verloren.Raiffeisen Informatik könnte der Rechenzentrums- und Infrastrukturprovider für derartige Vertriebskanäle sein. Den Vertrieb selbst werden wir aber im Endkundengeschäft nie machen - dafür sind andere Unternehmen wie etwa Internetprovider besser aufgestellt. Mit unseren Rechenzentren und dem Leitungsnetzwerk können wir alle technischen Komponenten bereitstellen, ein Partner würde dann den flächendeckenden Vertrieb und das Marketing übernehmen.

Report: Mittelfristig gesehen?
Pruschak: Im Gegenteil - solche Modelle sind bereits sehr aktuell. So hatten wir vor kurzem eine Anfrage eines Medienunternehmens, Ressourcen und Infrastruktur für eine Videoplattform - ähnlich YouTube - in österreich bereitzustellen. Wir sprechen hier von Anforderungen von 100, vielleicht 1.000 Terabyte Speicherplatz, die hier benötigt werden. Dazu ist natürlich ein erfahrener IT-Dienstleister mit Rechenzentrum wichtig. In der Tradition unseres Geschäftsauftritts gibt es aber auch bereits bestehende Anwendungen, die wir den Unternehmen und letztlich Endkunden anbieten. Mit unserer Beteiligung am E-Rechnungsanbieter Electronic Bill Presentment und Payment, EBPP, ist Raiffeisen Informatik bereits in die richtige Richtung gestartet. Mit den EBPP-Services können Unternehmen per E-Mail oder auf einer Internetplattform einfach Rechnungsempfänger mit elektronischen Rechnungen versorgen - samt elektronischer Signatur und all den Kostenvorteilen, die ein Wegfall der klassischen Briefpost bringt. Jeder in der Branche ist bezüglich der Entwicklung dieses Themas zuversichtlich. Wir setzen weiter voll auf dieses Momentum.

Report: Sie sprechen die elektronische Signatur an, die zwar bislang ungeahnte Möglichkeiten an Effizienzsteigerung und Einsparungen bringt, dennoch von vielen weitgehend unbeachtet geblieben ist. Ist dies typisch für die neuen Angebote im Netz, auch was E-Government betrifft?
Pruschak: Teilweise ja. österreich hat in der Vergangenheit aber stets bewiesen, IT und E-Business gewinnbringend für sich nutzen zu können. Nicht umsonst sind die heimischen Angebote des E-Government allerorts an vorderster Stelle im Europavergleich zu finden. Was die neuen Möglichkeiten in der Verwaltung aber insgesamt vielleicht weiter vorantreiben könnte, wäre etwa ein Bonus-Malus-System für Bürger und Unternehmen im Umgang mit den Mechanismen in der öffentlichen Verwaltung. E-Government ist zweifelsfrei schon längst zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Allerdings ist es vor allem die Verwaltung selbst, die mit der elektronischen Abwicklung ihrer Prozesse Kosten einspart. Außerhalb, in großen wie kleinen Unternehmen und bei den Bürgern, wird oft aber der Weg des geringsten Widerstands gesucht. Die neuen Services und Möglichkeiten werden nur dann genutzt, wenn es unumgänglich scheint. Dies ist eigentlich sehr menschlich: Veränderungen werden oft mit Argwohn betrachtet. Doch müsste der Wert solcher Veränderungen zu effizienteren Prozessen allen darstellbar sein können - in positivem wie auch negativem Sinne. Hier sind einerseits positive Anreize gefordert, die den Nutzern den neuen elektronischen Weg attraktiv gestalten. Anderseits könnte ein Malus-System für Anreize sorgen, alte, gewohnte Kommunikations- und Dokumentenwege ad acta zu legen. Haben die Nutzer dann genügend Erfahrung mit E-Government, der elektronischen Signatur und anderen Services gemacht, werden sie auch alle Vorteile erkannt haben und dabei bleiben wollen.

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