Open Source Solar
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Steve Nelson arbeitet an einer Energierevolution, die das 21. Jahrhundert verändern soll. Und er ist bereit, sie zu verschenken.
Von Rainer Sigl
Es gehe ihm um seine Kinder, sagte Steve Nelson im Interview mit dem Forbes Magazine. Auf einem heißer werdenden Planeten mit endlichen Energieressourcen und wachsenden Problemen ist Energieversorgung das zentrale Problem der Menschheit, und dieses ist zu zentral, und zu groß, um in den Händen einiger weniger Produzenten und Konzerne zu bleiben. Und während weltweit in Universitäten und Hightech-Forschungslabors fieberhaft an den großen, bahnbrechenden neuen Technologiesprüngen geforscht wird, die eine wachsende Menschheit auch nach einem Klimawandel verlässlich versorgen können, geht der US-Amerikaner aus Virginia mit seinem Unternehmen Zenman Energy einen anderen Weg: zurück ins Kleine, zurück zum Einfachen.
Die Idee ist simpel, die Technologie altbekannt: Solarthermie. Durch Bündelung des Sonnenlichts mittels fokussierender Reflektorflächen lassen sich Dampfmotoren betreiben, die Strom generieren. Spanien ist weltweiter Vorreiter dieser Technologie: Im sonnenreichen Süden Europas sind bereits 15 solarthermische Großanlagen mit Leistungen zwischen 10 und 150 MW in Betrieb. Die weltgrößte Anlage befindet sich jedoch in Kalifornien: Unter dem Namen Solar Energy Generating Systems (SEGS) liefern neun solarthermische Kraftwerke eine Leistung von 350 MW, mit einer Jahresleistung von 650 GWh. In gigantischen Anlagen wie diesen sehen manche Experten die Zukunft sauberer, nachhaltiger Energieversorgung: Riesige solarthermische Kraftwerke in der Sahara könnten Europas Energiebedarf auf Jahrzehnte verlässlich decken, so Berechnungen der EU-Kommission bereits 2008. Der Schönheitsfehler neben dem wahnwitzigen, in der Sahara aber zugegeben kaum ins Gewicht fallenden Platzbedarf liegt allerdings in der fehlenden Infrastruktur zum Stromtransport. Etwa 50 Milliarden Euro würde alleine dieses Transportnetz nach Europa kosten, von administrativen und bürokratischen Hürden einmal ganz abgesehen – eine Investition, die in Zeiten der Krise doppelt unmöglich erscheint.
Traditionelle solarthermische Kraftwerke brauchen enorm viel Platz und sind bislang nur in extrem sonnigen Regionen wirtschaftlich, die oft weit ab vom Strombedarf liegen. Die Lösung dieses Dilemmas, wie sie Nelson vorschlägt, ist allerdings bei weitem einfacher: Statt einzelne riesige Solardampfkraftwerke weit weg vom Konsumenten zu errichten, könnten tausende Kleinstgeneratoren in privater und öffentlicher Hand dasselbe leisten und zudem das Transportproblem lösen. Was es dazu braucht, ist wirklich billige Technologie, die diese Art der Stromerzeugung auch für Einzelne erschwinglich macht. Steve Nelson will diese Technologie anbieten - und das nicht nur billig, sondern kostenlos. »Open Source Solar« heißt das Schlagwort, und in ihm verbinden sich zwei Megatrends der Gegenwart. Genau wie die namensgebende Open-Source-Software soll auch Zenman Energys Technologie offen, verbesserbar und für den Einzelnen kostenlos sein, denn um Profit geht es Nelson nicht: Sein Unternehmen, das sich im Prototypenbau radikal auf günstige Komponenten, Einfachheit und Verfügbarkeit konzentriert, finanziert sich ausschließlich durch Spenden.
Drei Prototypen sind in Entwicklung, von der einfachen Haushaltsgröße bis zum Megawattbereich; die kleinste Anlage soll mit nur fünf Sonnenstunden pro Tag einen 10-PS-Motor antreiben, der den Strombedarf eines typischen Haushalts abdeckt. Zenman Energys oberste Maxime bei der Erstellung der Prototypen ist dabei Kostenreduktion: So sollen möglichst keine speziellen Einzelteile verbaut werden, sondern hauptsächlich einfach verfügbare und global erhältliche Komponenten zum Einsatz kommen. Durch den weitgehenden Verzicht auf Patente, Vermarktung und Gewinnmaximierung lässt sich die Technologie weltweit und von Einzelnen außerdem einfach erweitern, skalieren und weiterentwickeln, und durch die Konzentration auf einfache und billige Bestandteile lassen sich die Anlagen auch in kleinstem Maßstab kostengünstig verwirklichen. Die Baupläne des ersten Prototypen sollen bereits in näherer Zukunft für jedermann kostenlos verfügbar sein. Der Open-Source-Gedanke ist hier entscheidend: Die Technologie wird öffentlich zugänglich sein und darf frei kopiert, modifiziert und verändert wie unverändert weiterverbreitet werden.
»Das Ziel ist, Solarenergie billiger zu machen als jene aus Kohle«, bestätigt Nelson im Interview mit Forbes. »Ein Einzelner wird es kaum schaffen, mit unseren Solarlösungen irgendeinen Unterschied zu machen. Aber wie sieht es aus, wenn es Zehntausende versuchen? Oder eine Million? Es ist okay, wenn ich persönlich mit dieser Idee nicht reich werde. Was mir wichtig ist, ist der Nutzen, den meine Kinder und ihre Generation aus dieser Idee ziehen können.