Kavaliersdelikt
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Mit cleveren Cum-Ex-Steuertricks Vater Staat ein bisschen schädigen – wer will das nicht?
Ein Geständnis von Rainer Sigl
Na gut, sag ich immer, jetzt ist es raus. Es ist schon auch ein bisschen eine Erleichterung, weil die ständige Geheimhaltung ist schon auch mühsam. Immer irgendwie rundumreden müssen, wie genau man jetzt mit diesen Papieren zu so viel Geld kommt – ich mein, nicht, dass sich die meisten damit auskennen, aber ich lüg halt nicht so gern. Privat, mein ich. Jetzt sag ich einfach: Cum-Ex! Und zwinker einmal, so – und schon seh ich da so ein Ahaaaaa bei den meisten! Ich mein, nicht, dass das wer versteht, wie das geht – außer mein Anlageberater in Dubai, haha – aber immerhin, wenn man das sagt, wissen die Leute: Das ist ein Fuchs! Der hat’s geschafft!
Wie bitte? Schlechtes Gewissen? Geh bitte, samma uns ehrlich: Wer schummelt denn nicht bei der Steuererklärung? Ein bissi Abendessen als Werbungskosten da, das neue Handy als Betriebsausgabe dort – sich gegen den räuberischen Zugriff der gierigen staatlichen Steuerbehörden zu wehren, ist kein Verbrechen, sondern pure Notwehr! Und manche gehen da halt ein bisschen weiter, nicht. Wie Robin Hood damals. Der hat’s auch von den Reichen genommen und sich unter die Arme gesteckt. Haha.
Ja, ok, rein technisch ist sowas schon illegal. Geb ich zu. Aber moralisch! Moralisch hab ich ein reines Gewissen! Als Unternehmer ist man die Melkkuh der Nation! Ausgeraubt wird man! Was ICH schon Steuern gezahlt habe! Also: Hätte. Aber nicht mit mir! Wie komm ich dazu, dass ich, nur weil ich Erfolg habe, all die Sozialfälle mitfinanziere? Die ganzen Tachinierer? Langzeitarbeitsverweigerer? Chronisch Kranke? Alte Säcke? Behinderte? Alleinerziehende Mütter? Kinder? Auf was hinauf, bitte? Was tut der Staat für mich, frag ich Sie?
Und bevor da jetzt in diesen dauernden Neiddebatten mit dem Finger auf findige Unternehmer gezeigt wird, die – man muss es so sagen – schlicht und einfach cleverer sind als das ganze tumbe Volk, soll man sich halt mal mit den wirklich wichtigen Problemen beschäftigen. 55 Milliarden Euro europaweit durch Cum-Ex verloren – na und? Haben Sie eine Ahnung, wie viel so ein Schulsystem Jahr für Jahr kostet? Oder Pensionen? Da sagt natürlich keiner was, aber bei Cum-Ex … okay, ja, es sagt eh auch keiner was. Stimmt. Haha.
Wissen Sie, was ich glaube? Die Leute zucken nur mehr mit den Schultern, weil sie diese Schmutzkampagne durchschauen. Es ist an der Zeit, dass diese sinnlose Hexenjagd endlich wieder einmal aufhört. Ich mein, was war das für ein Hallo mit den Panama-Papers! Und den Lux-Leaks! Und den Paradise Papers! Ja, da kann man genüsslich auf hilflose Menschen hintreten, die nichts anderes wollen, als ihr hart verdientes Geld nicht im Klo runterzuspülen! Aber die Skandalschreierei funktioniert auch nicht endlos, mein Lieber, weil irgendwann, da haben die einfachen Leute genug vom Reichenbashing, jawohl! Weil insgeheim, ja, insgeheim möchte wohl jeder selbst seine Aktien kurz vor dem Termin der Dividendenzahlung verkaufen und kurz nach dem Divivdendentermin wieder rückkaufen und dann …
Wie bitte? Zu kompliziert? Eben. Wissen S’ was: Reden wir wieder über Flüchtlinge.