Über Schluchten hangeln
- Written by Redaktion
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Anforderungen an Seminar-Settings.
(+) plus: Manager balancieren in schwindelnden Höhen und steigen in tiefe Höhlen hinab. Immer mehr Unternehmen scheinen in ihre Trainings Elemente zu integrieren, in denen ihre Mitarbeiter gemeinsam etwas erleben. Es scheint unendlich viele dieser eher ungewöhnlichen Trainingsdesigns zu geben.
Sabine Prohaska: Es gibt tatsächlich jede Menge. Die Angebotspalette reicht von den klassischen Outdoor- sowie Survivaltrainings über Seminare, in denen die Teilnehmer gemeinsam kochen, malen, musizieren oder mit den verschiedensten Materialien etwas bauen, bis hin zu Seminaren mit Pferden und Wölfen. Der Fantasie sind beim sogenannten Erlebnislernen keine Grenzen gesetzt.
(+) plus: Warum sind solche Seminarformen, zum Beispiel beim Teambuilding, so gefragt?
Prohaska: Weil viele Unternehmen die Erfahrung gemacht haben, dass das gemeinsame Meistern einer Aufgabe die Mitarbeiter stärker zusammenschweißt, als wenn sie nur im Seminarraum sitzen. Zudem bleiben die Lerninhalte besser haften, weil über das gemeinsame Erleben sogenannte Erinnerungsanker geschaffen werden.
(+) plus: Worin unterscheiden sich diese »Event-Trainings« von den klassischen Trainings?
Prohaska: Der zentrale Unterschied liegt im unmittelbaren Erleben – zum Beispiel wie ein Team funktioniert. Oder wie eine Aufgabe gelöst werden kann, von der die Teilnehmer zunächst dachten: Das ist unmöglich. Dabei gilt es jedoch zu beachten: Das Erlebte stellt bei diesen Seminaren stets nur eine Metapher dar. Entsprechend wichtig ist die anschließende Reflexion. Zum Beispiel: Welches Verhalten haben wir beim Floßbauen gezeigt und was lernen wir daraus für unseren Arbeits- oder Führungsalltag? Erfolgt diese Reflexion nicht, wird das Erleben zum Selbstzweck, da kein Transfer erfolgt.
(+) plus: Eignen sich die verschiedenen Formen des Erlebnislernens eigentlich für jedes Trainingsziel?
Prohaska: Nein. Die Ausgangsfrage muss lauten: Welches Ziel möchten wir mit der Trainingsmaßnahme erreichen? Das Trainingsdesign muss sich sozusagen dem Lernziel unterordnen, sonst wird Letzteres nicht erreicht. Hierfür ein Beispiel: Angenommen, ein Unternehmen möchte, dass seine Vertriebsmitarbeiter stärker als Team agieren. In diesem Fall würde ich dem Unternehmen keinen Rafting empfehlen. Denn wenn ein Boot einen reißenden Fluss hinabgleitet, dann muss ein Insasse das Sagen haben und die anderen Insassen müssen sozusagen seinen Kommandos folgen. Denn in Stromschnellen ist zum Diskutieren keine Zeit. Sinnvoller wäre es in diesem Fall, gemeinsam ein Floß zu planen und zu bauen, damit jeder Teilnehmer seine Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen kann.
(+) plus: Was kosten solche Seminare eigentlich?
Prohaska: Das variiert stark. Wenn ein Team nur gemeinsam kocht, dann ist das selbstverständlich günstiger, als wenn es auf Kamelen eine Wüste durchquert. Allgemein gilt: Die Kosten sind in der Regel höher als bei einem klassischen Seminar. Denn bei Seminaren, die stark auf ein Erlebnislernen speziell in der Natur setzen, ist häufig neben dem eigentlichen Trainer eine geschulte Fachkraft wie ein Bergführer nötig.
Außerdem benötigt man das passende Equipment.
(+) plus: Welchem Zweck dienen Veranstaltungen, bei denen vor allem Abenteuer und Mutproben im Vordergrund stehen?
Prohaska: Sie verfolgen oft zwei Ziele. Zum einen den Aufbau von wechselseitigem Vertrauen, da es bei den integrierten Übungen häufig um die Frage geht: Inwieweit kann ich meinem Kollegen vertrauen bzw. inwieweit bin ich bereit, ihm zu vertrauen? Zum anderen das Wahrnehmen und Verschieben eigener Grenzen – zum Beispiel, indem man etwas tut, von dem man zunächst dachte: Das kann ich nicht. Solche Trainings kommen vor allem zum Einsatz, wenn in Unternehmen Veränderungen anstehen, die vom Einzelnen neue Denk- und Verhaltensmuster erfordern.
(+) plus: Lenkt der Event-Charakter solcher Seminare nicht von den eigentlichen Trainingszielen ab?
Prohaska: Das kann geschehen. Deshalb ist die Reflexion des gemeinsam bzw. individuell Erlebten unter professioneller Anleitung so wichtig. Denn den Teilnehmern erschließt sich oft nicht unmittelbar, was hieraus für ihren Arbeits- oder Lebensalltag folgt.
(+) plus: Garantiert das eigene Erleben einen besseren Transfer in den Berufsalltag als ein rein theoretisches Vermitteln der Information?
Prohaska: Aus der modernen Hirnforschung weiß man, dass Erlebtes – vor allem wenn es mit positiven Emotionen besetzt ist – langfristig im Gehirn verankert wird; jedoch nur, wenn es entsprechend aufgearbeitet und verarbeitet wird. Erfolgt dieses Aufarbeiten nicht, bleibt nur das tolle Erlebnis im Gedächtnis haften. Der Lerneffekt tendiert also gegen null. Wie erwähnt, ist für den Lernerfolg die positive Emotion, also zum
Beispiel das Erfolgserlebnis, sehr wichtig. Deshalb sollten die Trainings die Teilnehmer zwar fordern, aber keinesfalls überfordern. Sonst ist die Gefahr groß, dass das Training zum Beispiel für eher unsportliche
Teilnehmer zum Alptraum wird und das Gegenteil des intendierten Ziels erreicht wird.
(+) plus: Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl der Veranstalter achten? Woran können sie im Vorfeld erkennen, dass bei dem Training vermutlich etwas Sinnvolles herauskommt?
Prohaska: Wie bereits gesagt, ist das Erleben kein Selbstzweck. Vielmehr soll die gewünschte Veränderung erreicht werden. Deshalb sollten Unternehmen unter anderem darauf achten, inwieweit die Trainer aufgrund ihrer Biografie dazu in der Lage sind, die hierfür nötigen Reflexions- und Transferprozesse bei ihren Mitarbeitern auszulösen. Sie sollten auch darauf achten, dass das Seminardesign ausreichend Zeit für den Transfer vorsieht. Erleben und Be- sowie Verarbeiten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
(+) plus: Welche Anforderungen stellen solche Trainingsdesigns an die Trainer?
Prohaska: Sie müssen zunächst ausgewiesene Fachkräfte für die jeweilige alternative Trainingsart sein – also zum Beispiel bei Kletter-Events erfahrene Bergführer oder -steiger. Das ist wichtig für die Sicherheit der Teilnehmer. Sie müssen aber auch die Arbeits- und Kommunikationsprozesse in Unternehmen kennen und persönlichkeits- oder teambildende Prozesse bei Menschen auslösen und verantwortlich begleiten können. Also zum Beispiel eine Coaching- oder Trainingsausbildung haben. Eine Einzelperson kann diese Anforderungen oft nicht erfüllen. Deshalb kommen bei solchen Trainings häufig Trainerteams zum Einsatz.
(+) plus: Wohin geht der Trend beim Erlebnislernen?
Prohaska: Meines Erachtens geht der Trend weg von eher exotischen Designs, wie zum Beispiel dem gemeinsamen Durchqueren einer Wüste, und Trainings, die eine Survival-Komponente haben. Stattdessen werden zunehmend Elemente wie gemeinsames Kochen oder Trommeln in die Seminare integriert – aus Kostengründen und weil viele Unternehmen registrieren: Auch so erzielen wir die gewünschten Ergebnisse. Und keinesfalls vergessen sollte man: Auch das klassische Rollenspiel stellt eine Form des Erlebnislernens dar. Dasselbe gilt für das Bearbeiten von konkreten arbeitsplatzbezogenen Projektaufgaben im Seminar. Auch hiermit kann ein erfahrener Trainer Seminarteilnehmern das Aha-Erlebnis vermitteln, auf das das Erlebnislernen zumeist setzt.
(+) plus: Warum werden trotzdem so viele Seminare mit einem eher exotischen Design angeboten?
Prohaska: Eine Ursache ist gewiss, dass auch der Trainingsmarkt immer härter umkämpft ist. Deshalb sucht manch Anbieter nach ausgefallenen Seminardesigns, um seine Angebote von denen der Mitbewerber abzuheben. Das Ergebnis sind dann häufig scheinbar neue Seminare, die sich primär durch ihre Verpackung von den Konkurrenzangeboten unterscheiden.
(+) plus: Haben Sie hierfür ein Beispiel?
Prohaska: Nehmen Sie das Thema Führen. Das kann man heute in Seminaren mit Pferden, Wölfen, Schwertwalen und Adlern lernen – um nur ein paar »tierische« Beispiele zu nennen. Hinzu kommt: Je exotischer ein Seminardesign ist, umso leichter kann man es vielfach zumindest auf den ersten Blick vermarkten – auch weil die Presse gerne über solche neuen exotischen Angebote im Markt berichtet. Ob diese Trainings jedoch ausgehend vom postulierten Trainingsziel das intelligenteste Design haben, ist eine ganz andere Frage. Das gilt es im konkreten Einzelfall, abhängig von den Teilnehmern und der Zielsetzung, stets neu zu prüfen.
>> Zur Person:
Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien, das unter anderem Trainer und Coaches ausbildet. Sie ist Autorin des Buchs »Erfolgreich im Training — Praxishandbuch«. (Tel.: +43/664-3851767; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Internet: www.seminarconsult.at).