Die Strominfrastruktur ist unbestritten Grundlage unseres hohen Lebensstandards. Dennoch stehen Markt und Energiewende derzeit an der Kippe. Während zum Redaktionsschluss die Klimakonferenz in Paris noch im Gange ist – und Stimmen bereits vor viel zu schwammigen Absichtserklärungen warnen –, geht es im österreichischen Stromnetz aufgrund des gestörten Marktes in Europa drunter und drüber. Die gewohnt gute Versorgungssicherheit ist zwar auch dieses Jahr wieder gewährleistet worden – doch wie lange wird dies noch so funktionieren?
Die Einkesselung des deutschen Marktes – in dem politisch extrem auf Erneuerbare gesetzt wird – von Ländern wie Polen und Tschechien, die weiterhin auf fossile Energien und Atomenergie schwören, geriert zum Bumerang für die Klimaziele. Ist an windstarken Sonnentagen bei unserem Nachbarn die regenerative Stromerzeugung voll in Fahrt, müssen zur Netzstabilisierung thermische Kraftwerke in Österreich hochgefahren werden.
Die Übertragungsnetzbetreiber greifen mittlerweile täglich in den Markt ein. Die Erneuerbaren schieben die traditionelle Energiewirtschaft erbarmungslos vor sich her. Aus dem Tagebuch des Netzbetreibers APG: Am 16. November wurden alle verfügbaren thermischen Kraftwerke und Pumpspeicher in den Markt geworfen – gesamt mehr als 3,6 GW –, um den Stromfluss aus Deutschland zu reduzieren. Das entspricht bereits gut 15 % der Kapazitäten des heimischen Strommarktes. Und es bedeutet CO2-Emissionen »zum Wohle« der Energiewende.
Lagen die Redispatching-Kosten der APG im Vorjahr noch bei unter 20 Mio. Euro, sind es heuer mehr als 140 Mio. Euro. Dies ist nicht nur die Folge eines energiepolitisch geteilten Europas, sondern auch eines verzögerten Netzausbaus. Der betrifft besonders stark auch den eigenen Markt, wie in diesem Sommer wieder zu sehen war – als nur mit Mühe der Strom aus den Pumpspeicherkraftwerken in die Verbraucherzentren im Osten gebracht werden konnte.
Wer die Wende will, muss auch Netze wollen. Daran führt kein Weg vorbei.
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