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Eine kritische Sicht auf den Freihandel

Ricardo hat vor mehr als 200 Jahren hergeleitet, dass es den Wohlstand in allen beteiligten Länder steigert, wenn sie sich in der Produktion auf das konzentrieren, was sie am besten, d.h. am effektivsten können.

Das stimmt in der Anfangsphase einer solchen Entwicklung wohl auch, so lange das Primat bei der Wirtschaft liegt. Wenn jedoch die internationale Arbeitsteilung zu wirtschaftlichen Abhängigkeiten führt, kann (und wird) der stärkere Partner das zu seinem Vorteil nutzen. Über höhere Preise für vom Abhängigen dringend benötigte Güter wird er Extraprofite erzielen, seinen Wohlstand also auf Kosten des Anderen mehren. Und so kommt es am Ende zu einer ausgeprägten politisch-wirtschaftlichen Abhängigkeit des Schwächeren. Und immer weniger zu einer Mehrung des gemeinsamen Wohlstands, immer mehr jedoch zu einer Umverteilung.

Diese negative Seite der Entwicklung ist rein wirtschaftlich gesehen nicht zwangsläufig, aber umso wahrscheinlicher, je weniger breit die Wirtschaft eines Landes aufgestellt ist und je weniger einer übermäßigen Spezialisierung entgegengesteuert wird. Hierbei spielt politische Einflussnahme von außen eine wichtige Rolle.

Ich hatte in einem Vergleich von Daten aus 1995 und 2011 dargelegt, dass die entwickelten Länder im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung offenbar einen höheren Anteil an der Wertschöpfung auf sich verbuchen können als weniger entwickelte Länder. Das gilt insbesondere für die USA. Wenn das so ist, sind sie die hauptsächlichen Profiteure dieser Entwicklung.

Welche Auswirkungen Freihandel haben kann, lässt sich auch anhand des Nafta-Abkommens zeigen. Der ursprüngliche landwirtschaftliche Selbstversorger Mexiko wurde mit US-Agrarprodukten überschwemmt. Heute muss Mexiko 60% seines Weizen- und 70% seines Reisbedarfs einführen. Der Preis von nach Mexiko importiertem US-Fleisch liegt weit unter den Produktionskosten. In Mexiko gingen bis 2000 eine Million Arbeitsplätze alleine in der Maisproduktion verloren, insgesamt schrumpfte die Zahl der Jobs in der Landwirtschaft um zwei Millionen.

Noch extremere Folgen hat diese Art Freihandel in Afrika. Reihenweise wurden und werden ehemals landwirtschaftliche Selbstversorger mit subventioniertem Lebensmittel-Schrott v.a. aus Europa überschwemmt und sind wirtschaftlich versklavt. Korrupte Regimes profitieren davon, die Bevölkerung verarmt. Über Flüchtlingsströme aus Afrika braucht sich hier niemand zu wundern.

„Freihandel“ funktioniert auf Dauer nur zwischen wirtschaftlich ähnlichen Ländern. Wie er nicht funktioniert, lässt sich auch hier bei uns in Europa schön zeigen. Die immer weiter fortschreitende Ausweitung des EU-Gebiets sorgt für Abwanderung von Industrien in neue Beitrittsgebiete mit niedrigen Löhnen und hohen Subventionen. Diese Länder haben sich jedoch wirtschaftlich nicht angeglichen, sondern bleiben in ihren Problemen stecken, sind von den wirtschaftlich starken Ländern im Norden abhängig. Das ist ein Teil des Kerns der Euro-Krise.

Die mit dem Ende des Bretton Woods Systems in den frühen 1970er Jahren eingeleitete moderne Globalisierung erreichte in ihrer ersten Phase tatsächlich eine gewisse allgemeine Steigerung des Wohlstands, gerade weil sich jedes Land in seinen besonderen Fähigkeiten spezialisierte. Diese Phase dürfte aber um die Jahrtausendwende ausgelaufen sein.

Alle Handelstheorien gehen davon aus, dass es genügend Potenzial für die Vergrößerung des Wohlstands durch Handel gibt. Was aber ist, wenn das Wachstum dieses Potenzials immer mehr nachlässt? Warum auch immer, sei es dadurch, dass bereits eine hohe Effizienz in der Weltproduktion erreicht ist, sei es, dass die Kosten global steigen (etwa durch zunehmende Umweltbelastungen), sei es dadurch, dass das Wachstum der Nachfrage-kräftigen Bevölkerung abnimmt.

Sind die Wohlstandsgewinne durch „Freihandel“ hoch genug, wird eine halbwegs funktionierende Demokratie dafür sorgen, dass Handelsverlierer im eigenen Land entschädigt werden. Es bleibt dann ja noch genügend Gewinn übrig für die Freihandelsprofiteure und sozialer Friede ist ein hohes Gut, eine wichtige Voraussetzung, um im Ausland gute Geschäfte zu machen.

Wenn aber die Wohlstandsgewinne durch Handel insgesamt sinken, reichen sie möglicherweise nicht mehr aus, um Handelsverlierer und Handelsgewinner zugleich zufrieden zu stellen. Dann verschärft sich der Verteilungskampf nicht nur im internationalen Maßstab, sondern auch auf intranationaler Ebene.

Welthandel und Welt-BIP wachsen etwa seit 2010 mit geringer werdendem Tempo. Wenn das dazu führt, dass die Vorteile aus dem Freihandel abnehmen, dann leben wir in einer Phase sich verschärfender Verteilungskämpfe. Und das ist meiner Meinung nach der eigentliche Grund, warum reaktionäre Kräfte wie etwa Trump Oberwasser bekommen.

In letzter Konsequenz bedeutet der Freihandel im Zeitalter der Finanz-System gesteuerten Globalisierung die Freiheit zur Ausbeutung von Mensch und Natur. Diese Art Freihandel führt über die gewaltige Vermehrung von Kapital, dessen Spiegelbild die Niedrigst-Zinsen sind, zu einer Investitionsschwemme in Ländern mit niedrigen Löhnen und sozialen Standards. Das zwingt diese Länder (oft nach einer trügerischen Anfangs-Blüte) in zunehmende Abhängigkeit und destabilisiert sie. Das führt aber auch zu Lohndruck in den entwickelten Ländern, jenen, die Kapital exportieren, um es anderswo zu investieren. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Löhne den Zinsen auf ihrem Weg gegen Null folgen.

Gegen protektionistische Maßnahmen der Trump-Administration halten die Vertreter der “Freihandels” ihre Fahne hoch und postulieren, dass er quasi automatisch zu dauerhaft wachsendem Wohlstand führt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Neben politischen Abhängigkeiten kommt es in einer entwickelten Phase der internationalen Arbeitsteilung zunehmend zu Umverteilung, sowohl auf internationaler, wie auf intranationaler Ebene.


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