Die Zahl der US-Arbeitsplätze ist im Januar um 227.000 gestiegen (non-farm), wesentlich mehr als erwartet. Das ist zwar ein stärkerer monatlicher Zuwachs als im Dezember, aber mit einem Anstieg um 1,55% im Jahresvergleich setzt sich die relativ schwache Dynamik fort. Im Februar 2015 war mit +2,28% zuletzt der stärkste Jahreszuwachs erreicht worden, seitdem sinken die Zuwächse. Zugleich sind die durchschnittlichen Stundenlöhne nur um 0,1% im Monatsvergleich angestiegen, auf das Jahr gerechnet ergibt sich ein Zuwachs von 2,5%.
Die schwache Lohnsteigerung hat Befürchtungen gedämpft, die Fed könnte vielleicht schon im März einen weiteren Zinsschritt tun. Und da am zurückliegenden Freitag auch verkündet wurde, die Trump-Administration löse nun ein weiteres Wahlversprechen ein und werde die Bankenregulierung angehen, war die Freude der Aktienbullen groß – allerdings nicht groß genug, um neue Allzeithochs zu produzieren. Im S&P 500 und im Dow entstand im Kursverlauf eine Aufwärtslücke, die zweite innerhalb weniger Tage. Die erste wurde gleich wieder geschlossen.
Die Banken-Regulierung in Gestalt des Dodd-Frank-Act ist ein unglaublich kompliziertes Gesetzeswerk. Es wurde nach 2008 in mehrjähriger Arbeit geschaffen, um angeblich eine Wiederholung des Geschehens nach der Lehman-Pleite zu verhindern. Er ist mit 2319 Seiten so lang und kompliziert, dass er den Spitznamen “Lawyers’ and Consultants’ Full Employment Act of 2010″ trägt. Bemerkenswert ist, dass dieselben Banken und Investment-Unternehmen, die 1999 den Glass-Steagall Act durch ihre Lobbyisten zu Fall brachten und so die Grundlage für die Sub-Prime-Krise und den anschließenden Crash legten, aggressiv und erfolgreich für den “Dodd-Frank-Act“ kämpften. Die Aussicht, dieses Werk zu schleifen, ließ Finanzwerte um 2% steigen, seit der Trump-Wahl verzeichnen sie ein Plus von 18%.
Unmittelbare Indizien für makroökonomischen Unbill ergeben sich aus den Arbeitsmarkt-Zahlen nicht, das wäre erst bei einem jährlichen Zuwachs der Arbeitsplätze von unter einem Prozent der Fall. Für makroökonomische Jubelschreie ist jedoch auch kein Anlass. Ein Blick zurück zeigt: Vor der Finanzkrise dauerte es 19 Monate vom Hoch beim jährlichen Job-Zuwachs bis zum endgültigen Fall der ein-Prozent-Marke im November 2007. Die aktuelle Entwicklung verläuft viel gemäßigter und mit den verschiedenen Vorhaben von Trump besteht Aussicht, dass dies noch so weiter geht, vielleicht sogar zeitweilig umkehrt.
Zu bedenken ist dabei, dass die Arbeitslosenquote bereits seit längerem vergleichsweise niedrig liegt und die Kapazitäten relativ gut ausgelastet sind. Aus dieser Situation würde sich künftig Aufwärtsdruck auf die Löhne ergeben. Auch der Anteil Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, der arbeitet oder Arbeit sucht, scheint einen Boden zu bilden. Es besteht wohl noch ein Reservoir für die Besetzung künftiger (eher gering qualifizierter) Stellen. Navarro, Wirtschaftsberater von Trump, schätzt die Zahl der „missing workers“ auf 2,2 Millionen oder rund 1,5% der gesamten US-Arbeitsplätze. Damit alleine lässt sich der abwärts gerichtete Trend bei der Job-Entwicklung allerdings nur aufhalten, nicht umdrehen.
Das US-BIP hatte sich im vierten Quartal nach der ersten Schätzung mit lediglich +1,9% schlechter entwickelt als mit 2,2% erwartet. Im Vorquartal lag der Zuwachs bei 3,5%. Im Vergleich zum Vorquartal sind die Verbraucher-Ausgaben für Dienstleistungen um fast 0,7% zurückgegangen, Importe gaben um 0,9% nach, Exporte um 1,7% und kontrahieren damit absolut. Zuwächse gab es bei Verbraucherausgaben für Güter (0,3%), bei den Investitionen (0,7%) und Lagerbeständen (0,5%). (Chartquelle)
Der Schlüssel für einen nachhaltigen Aufschwung liegt bei den Investitionen. Die führten bisher ein Schattendasein hinter den Ausgaben der Unternehmen für Aktienrückkäufe, Dividenden und Firmenübernahmen. Wie der folgende Chart zeigt, ist das jährliche Wachstum der Investitionen in Geschäftsausstattung nahezu bei Null (+0,9%) nach drei Negativ-Quartalen. In früheren Konjunkturzyklen fiel ein solcher Verlauf jeweils zusammen mit einer Rezession.
Es gibt Erwartungen, dass US-Multis (mit bestimmten „Anreizen“) dazu gebracht werden sollen, ihre Cash-Bestände im Ausland zu repatriieren und diese Mittel dann im Inland zu investieren. Da sie aber auch im Inland über ordentliche Barreserven verfügen – warum sollten sie das tun? Vielleicht werden die Mittel eher dazu verwendet, weitere Aktien zurückzukaufen oder Dividenden auszuschütten. Genauso denkbar ist es, damit M&A-Aktivitäten zu befeuern. Alle drei Maßnahmen steigern zwar gewöhnlich die Kurse, Steigerungen des operativen Potenzials bewirken sie in der Regel aber nicht. Die Finanzindustrie beflügelt das in jedem Fall. Die Chance für eine allein wegen günstiger Repatriierungsbedingungen signifikant zunehmende Investitionstätigkeit erscheint mir relativ gering zu sein.
Demographische Faktoren einer alternden Bevölkerung, eine zu hohe Verschuldungsquote, zunehmende Automatisierung, auch die Tendenzen der Deglobalisierung – sie alle tragen dazu bei, dass die BIP-Wachstumsraten in den USA im längerfristigen Rahmen eher nicht über zwei Prozent hinauskommen werden. Auf Sicht von ein, zwei Jahren mögen die Vorhaben von Trump unter bestimmten Bedingungen ein gewisses Strohfeuer entfachen.
Angesichts der hohen Verschuldungsquoten spielen die Renditen eine immer größere Rolle. Die Renditen für zehnjährige TNotes steigen seit der Jahresmitte 2016 (Anfang Juli bei 1,4%), beschleunigt seit der Wahl Trumps im November. Zum Jahresende hatten sie 2,6% gestreift und damit gerade eine aus 1988 kommende Abwärtslinie, die den drei Dekaden anhaltenden Bull-Markt bei Anleihen symbolisiert. Bei drei Prozent käme unter charttechnischen Gesichtspunkten das Signal für sein Ende (Chartquelle). Aktuell liegen sie bei knapp 2,5%.
Steigende Zinsen wären per se kein Beinbruch, wenn gleichzeitig das nominale BIP-Wachstum Schritt hält. Je weniger Potenzial die reale BIP-Entwicklung hat, je höher muss die Inflation sein, um das jeweilige Zinsniveau tragfähig zu machen. Je höher aber das Zinsniveau ist, je mehr Mittel fließen per Saldo in die Entschuldung. Damit stehen immer weniger Mittel zur Verfügung, um die Realwirtschaft anzukurbeln. Also müssen dann irgendwann neue Mittel geschaffen werden. (Wenn aber neue Mittel geschaffen werden, bleibt die alte Frage, was mit denen geschieht – kommen sie der Realwirtschaft zugute oder wandern sie in die Asset-Märkte und sorgen dort für Inflation.)
Was folgt daraus, um den Beinbruch höherer Zinsen zu verhindern? (Szenario 1) Die Investitionstätigkeit in der Real-Wirtschaft muss spürbar zunehmen. Dies wird nur geschehen, wenn die Kosten für die Unternehmen sinken. Investiert wird nur dann, wenn die Nachfrage anzieht oder zumindest die begründete Aussicht darauf besteht. Dies wiederum hängt längerfristig weitgehend von der Lohnentwicklung ab. Wenn die angeschoben wird (notwendige Bedingung) und die zusätzlichen Mittel in den Verbrauch gehen (hinreichende Bedingung), klappt es auch mit der Inflation. Insofern beinhaltete der US-Arbeitsmarktbericht für Januar eben eine gute Nachricht (die schwache Lohnentwicklung verschiebt mögliche weitere Zinsschritte) und eine schlechte (die Inflation ziert sich).
Falls sich jedoch dieses Szenario nicht entfaltet, werden steigende Zinsen schnell zu einer ensten Bedrohung. Dann kann man darauf wetten, dass die Fed alsbald neue Geldflutungsmaßnahmen einleitet – zur Abwechslung diesmal vielleicht in der Form von Helikoptergeld, also z.B. der direkten Finanzierung von Staatsschulden (Szenario 2).
Szenario 1 verkörpert die Trumponomics mit ihrem wirtschaftspolitischen Kern, die Bedingungen auf der Angebotsseite der Wirtschaft entscheidend verbessern. Im Zeitalter schwacher Wachstumskräfte muss jedoch mehr Wert auf das Anschieben der Inflation gelegt werden als zu Zeiten des historischen Vorbilds, den Reaganomics. Die meisten Sentiment-Indikatoren für den Konsumsektor zeigen eine Hochstimmung, ein positives Omen für die Nachfrageseite. Jetzt fehlt es an Maßnahmen für die Angebotsseite. Ein Zeichen in diesem Zusammenhang ist die beginnende Deregulierung. Das große Fragezeichen bleibt: Wie wirken sich protektionistische oder isolationistische Vorstösse aus? Ich vermute, hier wird zunächst einmal außer Theaterdonner nicht viel geschehen. Vorrang hat, dass Steuererleichterungen und Infrastrukturvorhaben auf den Weg gebracht werden – vorher wird bei Investitionen vermutlich nicht viel passieren.
Aktienkurse sollten in diesem Kontext wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben – von einer Konsolidierungsphase mit möglicherweise kurzen, heftigen Kurseinbrüchen abgesehen (Chartquelle). Dies angesichts des überkauften Zustands bei den großen Aktien-Indices und der Überverkauftheit im VIX.
Die US-Konjunktur hatte im vierten Quartal 2016 wieder einen Durchhänger. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten für Januar haben den abwärts gerichteten Trend bei der Job-Entwicklung nicht umgedreht. Damit die US-Konjunktur (zumindest zeitweilig) Fahrt aufnimmt, muss die Investitionstätigkeit anspringen. Maßnahmen, die in diese Richtung wirken, dürften jetzt absoluten Vorrang haben auf der Trumpschen Agenda. Hinsichtlich internationaler Handelsbeziehungen dürfte es zunächst beim Theaterdonner bleiben.
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