15 Jahre Bau
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Die nackten Zahlen der heimischen Bauwirtschaft können sich sehen lassen: Mit rund 30.000 Unternehmen schafft sie Arbeit für mehr als eine Viertelmillion Menschen und erwirtschaftet pro Jahr mehr als 30 Milliarden Euro. Damit ist die Baubranche eine der wichtigsten Säulen der österreichischen Wirtschaft. Allerdings ist sie aktuell etwas ins Wanken geraten. Der allgemeine Aufschwung ist von der Bauwirtschaft weitestgehend unbemerkt ins Land gezogen. Während in anderen Branchen schon wieder Jubelmeldungen die Runde machen, hat der Bau noch schwer mit den Folgen der Krise zu kämpfen. Als klassischer »Nachläufer« steckt man eigentlich sogar noch mitten drinnen. Die Bauwirtschaft wurde anfangs nicht so hart getroffen wie andere Branchen, es gab noch genügend Aufträge aus den guten Jahren abzuarbeiten. Jetzt hat die Krise aber voll zugeschlagen. Alleine in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Bauproduktion noch einmal um fast zehn Prozent eingebrochen. Und auch die Zukunftsaussichten sind nicht gerade rosig. Die Konjunkturpakete, die die Branche 2009 und 2010 über Wasser gehalten haben, sind ausgelaufen, bei ÖBB und Asfinag wurden 4,5 Milliarden an Infrastrukturinvestitionen gekürzt und auch die Länder und Gemeinden fallen als Auftraggeber aus, weil sie kein Geld haben.
Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, droht den heimischen Unternehmen und Arbeitnehmern seit 1. Mai auch noch zusätzliche Konkurrenz aus den neuen Mitgliedsländern. Die düsteren Prophezeiungen haben sich nicht bewahrheitet, doch die Bau-Sozialpartner haben dennoch vorsichtshalber eine neue Kampagne gestartet, mit der die Auftraggeber sensibilisiert werden sollen, ihre Aufträge an österreichische Unternehmen zu vergeben und sich nicht von billigen und unmoralischen Angeboten blenden zu lassen. Frei nach dem Motto: Wer billig baut, baut teuer. Denn Gewährleistung und Haftung enden oft an den Landesgrenzen.
Apropos EU: Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union war auch für die Bauwirtschaft ein großer Schritt. Für viele Unternehmen ist er sogar etwas zu groß ausgefallen. Die neue Konkurrenzsituation in Verbindung mit einer rückläufigen Baunachfrage in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre war etlichen Unternehmen dann doch zuviel. Es folgten große Fusionen und einige spektakuläre Pleiten. Dazu gab es die in der Branche fast unvermeidlichen Skandale und Skandälchen. Die Shootingstars von gestern sahen sich plötzlich der Justiz gegenüber, vermeintliche Kavaliersdelikte wie die monetäre Argumentation bei Auftragsvergaben waren plötzlich gar nicht mehr so harmlos und auch über explodierende Baukosten wollte plötzlich keiner mehr hinwegsehen. Wie man den Verkauf von Staatseigentum »supersauber« über die Bühne bringt, ist heute noch ein Rätsel.
Einen tiefen Einschnitt brachte auch der für die Baubranche »desaströse Finanzausgleich 2007«. Mit der Aufhebung der Zweckbindung kam die Abwärtsspirale beim Wohnungsneubau so richtig in Fahrt. In den Landesbudgets gab es schließlich genug Löcher zu stopfen. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die kurz darauf einsetzenden Wirtschafts- und Finanzkrise. Nur allzu gerne bedienten sich die Landeskaiser in den Geldtöpfen, die plötzlich kein Mascherl mehr hatten. Die Folge: Wurden im Jahr 2006 noch 47.400 neue Wohneinheiten in Österreich bewilligt, waren es laut Wifo im Jahr 2010 nur noch 39.100 Einheiten. Das entspricht einem Rückgang von fast 18 Prozent in nur vier Jahren. Und 2011 geht es weiter abwärts, um voraussichtlich fast 6 Prozent auf 37.000 Einheiten.
Alles nachhaltig
Positive Entwicklungen gab es natürlich auch. Es wurden große Anstrengungen unternommen, um die Aus- und Weiterbildung vom Lehrling bis zur Führungskraft weiter zu verbessern und das Know-how der Beschäftigten auf höchstem Niveau zu halten. Nicht zuletzt deshalb wird etwa österreichisches Know-how im Tunnelbau weltweit geschätzt. Auch in Sachen Ökologie hat sich einiges getan. Denn seit einigen Jahren geistert ein Wort durch die Branche, an dem es kein Vorbeikommen gibt. Was früher gut oder effizient, vielleicht sogar zukunftsorientiert war, ist heute nachhaltig. Nach anfänglichem Zögern hat die gesamte Branche ihre Liebe zum stark inflationär gebrauchten Schlagwort entdeckt. Aspekte wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung oder Lebenszykluskosten sind heute fester Bestandteil jedes Bauvorhabens. Für Neubauten, die über kein Nachhaltigkeitszertifikat verfügen, wird es in Zukunft sehr schwierig werden, Mieter oder Käufer zu finden, sind Experten überzeugt. Ein Blick auf die neuen Büroimmobilien in Wien, Linz oder Graz zeigt: kein Gebäude ohne Mascherl. Ein international anerkanntes Nachhaltigkeitszertifikat wie LEED, BREEAM oder DGNB ist schon heute absolute Pflicht.