»Der Königsweg aus der Preisspirale«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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»In der heimischen Bau- und Immobilienwirtschaft sind kaum Markenstrategien vorhanden und Kundenerwartungen werden systematisch enttäuscht«, zeigt sich Achim Feige, Partner beim Markenstrategieexperten Brand Trust und Autor der Exklusiv-Studie für den Bau & Immobilien Report »Marken in der österreichischen Bau- und Immobilienwirtschaft«, überrascht. Im Interview erklärt er, wie Markenentwicklung funktioniert und wie eine klare Markenpositionierung bei Preisgestaltung, Weiterempfehlungsrate und Kundenbindung helfen kann.
Report: Was sind die wesentlichsten Kriterien, damit aus einem Unternehmen eine starke Marke wird?
Achim Feige: Das einzige wirkliche Kriterium ist, dass das Unternehmen etwas kann. Marken basieren immer auf einer guten, einer besonderen Leistung, die wiederholt wird. Wenn sich Leistung wiederholt, entstehen in den Köpfen der Kunden positive Vorurteile. Einem Produkt oder Unternehmen werden dann Eigenschaften wie »hohe Qualität«, »Zuverlässigkeit«, »Sicherheit« oder auch wie im Fall von BMW das Potenzial, Freude zu schenken, attestiert. Marke hat also nichts mit Werbung zu tun, sondern damit, etwas besser zu können als andere und das wiederholt auszudrücken, um für etwas zu stehen, eine Marktpositionierung.
Report: Wenn es um starke Marken geht, fällt wie auch jetzt bei Ihnen immer wieder der Name BMW. Was macht BMW richtig?
Feige: BMW ist eine von drei starken deutschen Automarken mit einer klaren Positionierung. BMW steht mit Hinterradantrieb und Dynamik für »Freude am Fahren«. Das zieht sich durch die gesamte Produktpalette. Audi positioniert sich mit Aluminiumchassis und Quattroantrieb mit »Vorsprung durch Technik«. Und Mercedes stellt einen Führungsanspruch in Sachen Qualität. Diese Hersteller haben sich einer klaren Idee verschrieben, im Gegensatz etwa zu Opel und anderen, die zwar immer wieder lustige neue Werbung machen, aber kein klares Bild in den Köpfen und Herzen der Kunden hinterlassen.
Report: Wie sind die heimische Bau- und Immobilienbranche in Sachen Markenentwicklung und Marktpositionierung aufgestellt?
Feige: Positiv formuliert kann man sagen, dass Markenmanagement für die Bau- und Immobilienbranche ein enormes Potenzial bietet, um aus der negativen Preisspirale auszubrechen. Das könnte der Königsweg werden. Es ist noch nicht gelungen, irgendwelche positive Vorurteile aufzubauen. Bei den verkaufsentscheidenden Kriterien wie »Zuverlässigkeit«, »Vertragstreue« oder »Seriösität« sind die Erwartungen der Kunden systematisch höher als das, was die Unternehmen liefern. Im Grunde genommen enttäuschen die Bau- und Immobilienunternehmen permanent ihre Kunden. So kann man keine Marke aufbauen.
Für die Unternehmen müsste es in einem ersten Schritt also darum gehen, Termine zu halten, vertragstreu zu sein und Handschlagqualität zu beweisen. Damit entstehen Vertrauen, Bindung und Präferenz. Das führt zu einer Mehrpreis- und Weiterempfehlungsbereitschaft.
Wir sehen etwa, dass es in der Baubranche mit Strabag und Porr zwei große Spieler gibt. Aber dahinter gäbe es für die kleineren Unternehmen unendlich viele Möglichkeiten, sich zu positionieren. Diese klaren Marktpositionierungen sind aber nicht erkennbar. Dabei wäre es wichtig, klar zu formulieren, wofür man steht.
Report: Welche Auswirkungen hätte in der Bauwirtschaft eine starke Marke auf den Geschäftserfolg? Funktieren tut es ja offensichtlich auch ohne ...
Feige: Es gibt aber auch keine andere Branche, in der so viel Misstrauen herrscht und in der es so viele Pleiten gibt. Wenn es einem Unternehmen gelänge, eine Marke zu entwickeln, die für Verlässlichkeit, Preis- und Termintreue steht, dann erhöht sich auf jeden Fall die Kundenbindung und die Weiterempfehlungsrate. Damit steigt auch die Überlebensfähigkeit des Unternehmens und das Wachstumspotenzial. Man kann höhere Preise verlangen, damit bessere Mitarbeiter engagieren und so den Unternehmenserfolg garantieren.
Report: Was würden Sie Unternehmen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, die ihre Unternehmensmarke stärken wollen, empfehlen?
Feige: Zuerst muss man die eigenen Stärken analysieren. Was kann ich, was unterscheidet mich und was ist meine DNA?Zu sagen, man möchte wie die Strabag oder die Porr sein, nur kleiner, bringt gar nichts. Dann geht es darum, die richtigen Nischen oder Marktpositionen zu finden. Was macht mich einzigartig? Denn bei Marken geht es immer darum, das »Nur« zu finden, nicht das »Auch«. Sobald ich im Bereich des »Auch« bin, befinde ich mich im Preiskampf. Habe ich ein Alleinstellungsmerkmal, kann ich den Preis bestimmen. Und schließlich geht es darum, diese Positionierung erlebbar zu machen, bei den Mitarbeitern, die das alles umsetzen müssen, und dann natürlich bei den Kunden.
Report: Was waren für Sie die interessantesten Erkenntnisse der Studie?
Feige: Das Überraschendste ist sicher, dass es einer Branche gelingt, die Kundenbedürfnisse systematisch nicht zu erfüllen und trotzdem zu existieren (lacht). Die Enttäuschung scheint systemimmanent zu sein.
Report: Wenn es einem Unternehmen doch gelingt, eine gewisse Marke aufzubauen – worauf muss man bei der Markenpflege achten?
Feige: Das Wichtigste sind Qualität und Glaubwürdigkeit. Wenn ein Unternehmen ein Versprechen abgibt, dann muss dieses Versprechen auch eingehalten werden. Damit der Kunde dieses Versprechen auch spürt, braucht es die richtigen Strukturen und Prozesse. Dafür braucht es auch die richtige Unternehmenskultur, denn die Baubranche ist nach wie vor eine Menschenbranche. Die Mitarbeiter müssen die Idee, für die ein Unternehmen stehen will, verstehen und dafür leben.
Report: Wie lange dauert es, ein Unternehmen als Marke aufzubauen?
Feige: Marke ist ein Marathon und kein Sprint. Grob geschätzt dauert es acht Wochen bis sechs Monate, um eine klare Markenidee zu entwickeln, dann bis zu einem Jahr, um die Idee im Haus zu etablieren und schließlich noch ein, zwei Jahre, um die Markenidee am Markt durchzusetzen. Das kostet natürlich Geld. Aber wenn es gelingt durch diese Markenarbeit, die Preise, die Weiterempfehlungsrate sowie die Kundentreue um nur ein Prozent – und das ist sehr niedrig angesetzt – zu erhöhen, rechnet sich das in kürzester Zeit. Die Marke ist nichts anderes als eine Managementstrategie, die das Unternehmen resilienter, also widerstandsfähriger macht.
Nehmen Sie das Beispiel VW. Mehr als Betrügen kann man ja wohl nicht, dennoch verkaufen sie mehr Autos als je zuvor. Auch Mercedes hat den Elchtest überstanden. Je stärker eine Marke, desto eher verzeihen die Kunden auch Fehler und Schwächen. Werden Versprechen aber laufend gebrochen, dann erodiert die Marke.