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»Wir müssen Baustellen im Verbund betrachten«

Foto: »Durch die gemeinsame Betrachtung von Baustellen können sowohl Personal als auch Material deutlich effektiver eingesetzt werden. Stillstände und Wartezeiten können vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden«, ist Pamela Nolz überzeugt. Foto: »Durch die gemeinsame Betrachtung von Baustellen können sowohl Personal als auch Material deutlich effektiver eingesetzt werden. Stillstände und Wartezeiten können vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden«, ist Pamela Nolz überzeugt.

Im Rahmen des Forschungsprojekts CIVIC hat das AIT Austrian Institute of Technology an einer verbesserten Planung und Abwicklung von Bauprojekten geforscht. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Projektleiterin Pamela Nolz über den Einsatz mathematischer Methoden zur Logistikoptimierung und die Notwendigkeit der gemeinsamen Betrachtung verschiedener Baustellen. Außerdem erklärt sie, wie mit Construction Consolidation Centers die Verkehrsbelastung reduziert und Baustellen effizienter beliefert werden können.

Report: Im Forschungsprojekt »Construction in Vicinities: Innovative Co-Creation«, kurz CIVIC, haben Sie sich mit der verbesserten Planung und Abwicklung von Bautätigkeiten beschäftigt. Was genau haben Sie untersucht?

Pamela Nolz: Für dieses EU-weite Projekt haben wir von Bauunternehmen aus ganz Europa die Problemstellungen geschildert bekommen. Dabei ging es vor allem um die Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Bautätigkeiten. Dass Materialien nicht dann verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden, dass LKW gleichzeitig ankommen und damit unnötige Wartezeiten entstehen und es zu Platzproblemen kommt. Gerade bei städtischen Baustellen sind Lagerflächen meist nur spärlich vorhanden, das stellt eine Baustelle vor große Herausforderungen. Unserer Aufgabe ist es, Möglichkeiten für eine bessere Abwicklung zu finden, um diese Probleme in Zukunft zu vermeiden.

Report: Einer verbesserten Baustellenlogistik wird generell viel Potenzial für Produktivitätssteigerungen attestiert. Just-in-Time-Lieferungen sind dafür ein Beispiel. Wo genau muss man den Hebel bei der Baulogistik ansetzen? 

Nolz: Ich beschäftige mich intensiv mit Logistik- und Transportoptimierungen. Dabei geht es um den Einsatz mathematischer Methoden in der Betriebswirtschaft. In der Bauwirtschaft gibt es großes Potential für den Einsatz von Optimierungsmethoden, um Baupläne und Materiallieferungen effizient zu gestalten. Ich sehe das große Interesse und die Bereitschaft der Bauunternehmen, in diesem Bereich etwas zu tun und mit IT-Unterstützung Verbesserungen herbeizuführen. 

Report: Wie sehen Ihre Forschungsergebnisse konkret aus?

Nolz: Wir haben uns intensiv mit den negativen Auswirkungen der Belieferung von Baustellen auf Anrainer und andere Verkehrsteilnehmer ausienandergesetzt. Ein Ansatz, der in anderen Ländern schon positiv getestet wurde und jetzt auch in der Seestadt Aspern zum Einsatz kommt, sind sogenannte Construction Consolidation Centers. In diesen Zwischenlagern werden Warenanlieferungen außerhalb der großen Baustellenareale gebündelt. Dort ist genügend Platz und das Material wird dann auf die Baustelle gebracht, wenn es tatsächlich gebraucht wird.

Das klingt relativ einfach, ist aber sehr komplex. Deshalb braucht es auch mathematische Methoden. Unser Ansatz war folgender: Wir haben uns einen gesamten Projektzeitraum angesehen und dann für jeweils zwei Wochen die exakte Materialbelieferung vom Zwischenlager zur Baustelle festgelegt.

Dabei wird auch darauf geachtet, dass die Gewerke in der richtigen Reihenfolge beliefert werden und sich nicht gegenseitig behindern. Dabei werden sämtliche Reihenfolgenbeziehungen betrachtet und berücksichtigt und Beschleunigungsmöglichkeiten genutzt, um Verzögerung aufzuholen. In diesem kurzen Zeitraum von zwei Wochen kann man auch auf unvorhergesehene Zwischenfälle wie die Nichtverfügbarkeit eines Materials besser reagieren und die Planung updaten.

Report: Muss dafür jede Baustelle einzeln betrachtet werden oder gibt es gewisse Standards, die überall gleich sind?

Nolz: Wir reden hier von Methoden und Algorithmen, die auf jede Baustelle anwendbar sind. Man braucht dafür nur die aktuellen Daten, einzelne Spezifika sind natürlich anpassbar. Es geht aber auch nicht in erster Linie um eine einzelne Baustelle. Der große Mehrwert unserer Methode ergibt sich durch die Anwendung in einem größeren Baustellenverbund. Das gilt etwa für ein großes Stadtentwicklungsprojekt wie die Seestadt Aspern, aber natürlich auch für voneinander unabhängige innerstädtische Baustellen, die zu einem Verbund zusammengefasst werden. Denn damit können LKW-Fahrten deutlich reduziert, baustellenbedingte Staus verhindert und die Bauabläufe optimiert werden.

Report: Verschiedene Bauunternehmen, Bauherrn und Bauzulieferer arbeiten also in einem gemeinsamen System?

Nolz: So ist es gedacht. Es handelt sich um ein übergeordnetes Planungstool. Es gibt gemeinsame Zielfunktionen, die nicht nur die Baufirmen, sondern auch die Anrainer miteinbeziehen. Da geht es auch um Umwelt- und Sozialaspekte, die im Modell abgebildet werden. Es muss auch nicht mehr jede Firma mit einem eigenen Fahrzeug zur Baustelle fahren. Vielmehr können die Baustellen vom Zwischenlager gemeinsam beliefert werden.

Report: Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse des Projekts?

Nolz: Dass man durch die gemeinsame Betrachtung verschiedener Baufelder sehr viel Verbesserungspotenzial hat. Nehmen Sie ein Bauunternehmen, das mehrere Projekte in einer Stadt oder einer Region hat. Durch die gemeinsame Betrachtung können sowohl Personal als auch Material deutlich effektiver eingesetzt werden. Stillstände und Wartezeiten können vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden. Auch Unsicherheiten wie Wetter und Verkehr kann man berücksichtigen und in die Planungen einfließen lassen.

Report: Wie praxisnah sind diese Überlegungen?

Nolz: Mit CIVIC haben wir die theoretische Grundlage geschaffen. Mit MIMIC gibt es jetzt ein Nachfolgeprojekt, das stärker praxisorientiert ist (siehe Kasten). Im Rahmen von MIMIC werden wir auch genau analysieren, für welche Bauvorhaben die Einrichtung eines Construction Consolidation Centers sinnvoll ist und wo so ein Zwischenlager sein sollte. Wir wollen uns auch ansehen, ob bei größeren Städten mehrere Centers sinnvoll wären und ob diese temporär oder dauerhaft errichtet werden. Da wird auch eine Verkehrssimulation integriert. Damit wirkt die Baustellenoptimierung auf die Verkehrsoptimierung und umgekehrt.

Report: Inwieweit ist die Integration von MIMIC-Daten in ein BIM-Modell möglich oder sinnvoll?

Nolz: Wir haben das natürlich intensiv diskutiert, vor allem Unternehmen aus den Niederlanden zeigen großes Interesse. Das würde auch perfekt zusammenpassen, in Österreich ist das Thema aber nicht ganz oben auf der Agenda.

Wir beobachten die Entwicklung natürlich und das Ziel ist, dass man beide Methoden und Tools irgendwann zusammenführen kann.

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