Entzauberte BIM-Mythen
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Das BIM-Pilotprojekt Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha von Asfinag und Leyrer+Graf ist in vollem Gange und liefert schon jetzt einige Überraschungen: BIM bedeutet nicht das Ende der baubegleitenden Planung und der Mehrwert von BIM ist in der Bauphase sogar höher als in der Planungsphase. Und auch mit weiteren BIM-Mythen kann das Pilotprojekt aufräumen.
TEIL 3 DER SERIE "BIM in der Praxis"; Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2
eit dem letzten Besuch des Bau & Immobilien Report im Oktober des letzten Jahres ist auf der Baustelle der neuen Autobahnmeisterei in Bruck an der Leitha viel passiert. Die Rohbauarbeiten für das Bürogebäude sind abgeschlossen, das Retentionsfilterbecken fertiggestellt und auch die Werk- und Einstellhallen sowie das Rechenzentrum nehmen Form an. Spannender als der sichtbare Baufortschritt ist aber, was sich hinter den Kulissen, auf der virtuellen Ebene abspielt. Denn die Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha ist das erste Hochbauprojekt der Asfinag, das mit BIM geplant, errichtet und betrieben wird. Sowohl Asfinag als auch Generalunternehmer Leyrer + Graf sowie zahlreiche Subunternehmer haben mit dem Projekt absolutes Neuland betreten. Auch Projektleiter Georg Köck wusste nicht, was ihn erwartet. »Ich hatte ehrlich gesagt keine Vorstellung davon, wie ein BIM-Projekt funktioniert«, sagt Köck. Und tatsächlich gab es schon in den ersten Projektmonaten einige Herausforderungen zu meistern. Bereits die erste Erstellung des BIM-Modells war alles andere als trivial, mit einigen logistischen Hürden für alle Beteiligten. »Wer redet mit wem und auf welchen Kanälen? Braucht es eine technische Abstimmung oder müssen nur Daten eingepflegt werden? Es war unglaublich spannend, zu sehen, was für ein fertiges BIM-Modell alles notwendig ist«, berichtet Köck. Erstellt wurde das Modell vom Ingenieurbüro FCP im Auftrag von Leyrer + Graf, unter Begleitung des BIM-Consulters der Asfinag, Büro Acht. Parallel dazu wurden ein BIM-Projektablaufplan und ein Bauzeitplan erstellt.
>> Hürden und Herausforderungen <<
Nach der Fertigstellung des 3D-Modells wurde die vierte Dimension, die Zeit, integriert. Aktuell fehlen noch die Kosteneingaben für die Haus- und Elektrotechnik. Gerade diese fünfte Dimension birgt noch einige Tücken. Immerhin sollen 40 Prozent der Projektkosten über das Modell abgerechnet werden – was gar nicht so einfach ist. Denn die Leistungsbeschreibung Hochbau des Wirtschaftsministeriums ist nicht unbedingt für BIM-Modelle gemacht. Es stellt sich die Frage, welche Positionen aus der Ausschreibung sinnvoll auf ein Bauteil transferiert werden können. Allerdings gibt es auch zahlreiche Positionen, die man nicht modellieren kann bzw. die keinem Bauteil zuzuordnen sind. »Die Abrechnung ist eine echte Herausforderung. Das kann man nur in der Praxis lernen. Aber auch da werden wir jedes Monat klüger«, sagt Köck schmunzelnd (mehr zum Thema Abrechnung in der April-Ausgabe des Bau & Immobilien Report).
Zu den größten Herausforderungen zählt auch die nicht immer vorhandene Kompatibilität der einzelnen Software-Programme. »Oftmals müssen bei der Übergabe von der Planung an die ausführenden Firmen Teilbereiche des Modells neu erstellt werden, weil hier unterschiedliche Software verwendet wird und die Übergabe nicht verlässlich funktioniert. Als öffentlicher Auftraggeber dürfen keine Vorgaben bezüglich zu verwendender Software gemacht werden«, so Asfinag-Projektleiterin Sabine Hruschka. Dass die Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha ein Closed-BIM-Projekt ist und mit Revit von Autodesk nur eine Software zum Einsatz kommt, ist dem Zufall geschuldet und war so nicht geplant. »Der Architekt arbeitete mit Revit, FCP ebenfalls. So hat es sich ergeben, dass auch die Fachplaner mit Revit gearbeitet haben und auch wir uns die entsprechende Softwarelinzenz gesichert haben«, so Köck, der in der gemeinsamen Software eine deutliche Erleichterung sieht.
>> Überraschende Erkenntnisse <<
Das Pilotprojekt zeigt auch, dass gleich mehrere BIM-Mythen und vermeintliche Paradigmenwechsel dem Praxistest nicht standhalten. Weder bedeutet BIM das Ende der baubegleitenden Planung noch sind die Kollisionsabfragen der große Wurf, als der sie in der Theorie gerne dargestellt werden. »Bei einem Projekt dieser Größenordnung wird die Planung bei Baubeginn nie final beendet sein. Auch ein BIM-Modell wird nie wirklich fertig sein, denn man wird auch in Zukunft im Laufe eines Projekts klüger werden«, ist Köck überzeugt. Auch die hochgelobten Kollisionsabfragen werden von der Realität zumindest teilweise entzaubert. Denn nicht jede Kollision im BIM-Modell entspricht einer tatsächlichen Kollision auf der Baustelle. »Viele Kollisionen etwa bei Leitungen sind der Modellierung geschuldet, stellen auf der Baustelle aber kein Problem dar.« Deshalb brauche jede vermeintliche Kollision eine kritische Überprüfung. Für die BIM-Experten von FCP war zudem interessant, dass BIM seine größten Stärken entgegen der landläufigen Meinung nicht in der Planungsphase entfaltet. »Wir haben immer den zusätzlichen Nutzen von BIM auf der Baustelle gesucht. Die bisherigen Erkenntnisse haben aber auch uns sehr überrascht, so dass wir inzwischen den Mehrwert von BIM in der Bauphase höher einschätzen als in der Planungsphase. Unser neues Motto lautet also: Die BIM-Modelle brauchen auch mal frische Luft und wollen auf die Baustelle«, erklärt Frank Mettendorff, BIM-Manager bei FCP. Die hohe Baustellentauglichkeit bestätigt auch Köck. »Der Einsatz auf der Baustelle ist genial! Wenn ich ein Detail wissen will, muss ich mir nicht mehr drei verschiedene Pläne ansehen. Im BIM-Modell lege ich den Schnitt exakte dort, wo ich ihn brauche. Nicht dort, wo jemand anders dachte, dass es sinnvoll ist.«
In einem nächsten Schritt wird die Baustelle nun mit der mobilen Softwarelösung BIM360 Field ausgestattet. Damit können dann sämtliche Informationen über Tablets aufgerufen und die Baufortschritte direkt im Modell markiert werden.
>> Zwischenfazit <<
Nicht nur Bauleiter Georg Köck und FCP ziehen ein positives Zwischenfazit. Auch Leyrer+Graf CEO Stefan Graf zeigt sich mit dem Projektverlauf »sehr zufrieden«. »Alles befindet sich innerhalb unserer Erwartungshaltung, mit allen Vorteilen und den zu erwartenden Herausforderungen. Wir alle lernen in der laufenden Umsetzung, die Erarbeitung von Wissen ist selbstverständlich immer mit einem höheren Aufwand verbunden, doch der Mehrwert ist enorm und die Lernkurve groß.« Bei der Asfinag freut man sich über die neue Dimension der Transparenz durch BIM. »Die höhere Planungstiefe erleichtert die Umsetzung und vermindert Probleme während der Errichtung«, ist Hruschka überzeugt.
Um das gesamte Potenzial von BIM ausschöpfen zu können, war aber die Vorbereitungszeit von rund drei Monaten zu kurz. Dafür wäre laut Köck die doppelte oder dreifache Vorbereitungszeit nötig gewesen. »Wir stehen auch in einem ständigen Austausch mit der Asfinag. Erkenntnisse wie diese werden sicher in künftige Projekte einfließen.«