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Marode Straßen

Marode Straßen Foto: Thinkstock

Mit Ausnahme der Autobahnen und Schnellstraßen ist das heimische Straßennetz in keinem guten Zustand. Seit der Umwandlung der Zweckzuschüsse des Bundes in Ertragsanteile fehlt das Geld für dringend nötige Investitionen. Experten fordern deshalb alternative Finanzierungsquellen und vor allem eine Effizienzsteigerung in der Straßenerhaltung. Modelle liegen am Tisch, darunter der Vorschlag, Gemeinden zu Erhaltungsverbänden zusammenzuschließen.

Der Zustand des österreichischen Straßennetzes ist recht unterschiedlich. Das hochrangige Straßennetz der Asfinag ist im Großen und Ganzen in einem guten bis sehr guten Zustand. Das ist laut Ronald Blab, Leiter des Forschungsbereichs für Straßenwesen an der TU Wien, vor allem den Einnahmen aus der Autobahnmaut geschuldet, die zweckgebunden ausschließlich für Straßenbau, -finanzierung und -erhaltung verwendet werden. In den nächsten Jahren fließen so rund 450 Millionen pro Jahr in die Erhaltung des Autobahn- und Schnellstraßennetzes. »Mit dieser Summe, die wir aus den Mauteinnahmen lukrieren, finden wir das Auslangen und sorgen für ein sicheres Verkehrsnetz«, sagt Asfinag-Vorstand Alois Schedl. Zusätzliche, alternative Finanzierungsquellen wie PPP-Modelle sind derzeit nicht angedacht. »Wir finanzieren uns durch die Bonität der haftenden Republik wesentlich günstiger als ein privater Straßenbauer. Außerdem denken wir, dass Bau und Betrieb der Straße in einer Hand bleiben sollten.«
Weitaus unerfreulicher ist die Ebene darunter.

Mehr als ein Drittel der über 32.000 Kilometer Landesstraßen in Österreich ist laut einer Studie von Professor Johann Litzka im Auftrag der Arbeiterkammer in »schlechtem bis sehr schlechtem Zustand«. Wie es um die mehr als 90.000 Kilometer Gemeindestraßen tatsächlich steht, kann niemand seriös beantworten. Zwar glaubt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, dass »in Summe unser Straßennetz in besserem Zustand ist als viele Landes- oder Bundesstraßen«, unabhängige Experten wie TU-Professor Blab ziehen diese Einschätzung aber in Zweifel. »Es gibt kaum verlässliche Informationen über den Zustand der Gemeindestraßen.« Aufgrund der der leeren Kassen der Gemeinden sei aber zu befürchten, dass sie in einem noch schlechteren Zustand sind als die Landesstraßen. Auch Alfred Weninger-Vycudil von PMS Consult geht davon aus, dass »viele Gemeinden mit dem Erhalt ihrer Straßen große Probleme haben«. Zudem ortet er vor allem bei kleinen Gemeinden auch einen gewissen Kompetenzmangel: »Fragt man bei kleineren Gemeinden nach dem aktuellen Zustand der Straßeninfrastruktur, erhält man ein Achselzucken oder eine nicht nachvollziehbare subjektive Einschätzung.«

Fehlende Finanzierung

Aktuell fließen pro Jahr rund 277 Millionen Euro in die Sanierung der Landesstraßen. »Fast doppelt so viel wäre aber nötig, nur um das jetzige Sanierungsniveau zu halten«, erklärt Alfred Weninger-Vycudil von PMS Consult. Zudem werde die Sanierung immer teurer, je länger gewartet wird. Schiebt man die Sanierung um fünf Jahre auf, erhöhen sich die Kos­ten um 24 Prozent, nach neun Jahren sogar um 150 Prozent. Ändert sich an der aktuellen Finanzierung nichts, dürften laut Schätzungen bis 2020 weitere knapp 2.500 Kilometer Landesstraßen in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand sein.
In Oberösterreich etwa werden aktuell rund 25 Millionen Euro pro Jahr in die Instandsetzung der 6.000 Kilometer Landesstraßen investiert. »Um die Qualität der Landesstraßen langfristig zu erhalten, wären jedoch höhere Mittel erforderlich« erklärt der zuständige Verkehrslandesrat Günther Steinkellner, der von einem Mehrbedarf von 15 Millionen Euro ausgeht. In Salzburg beträgt das Budget für die Straßensanierung 2016 rund zehn Millionen Euro. Nötig wären laut Verkehrslandesrat Hans Mayr aber rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Auch in der Steiermark verschlechtert sich der Zustand der Straßen kontinuierlich. Waren im Jahr 2008 noch 36,5 Prozent aller Landesstraßen in einem »sehr schlechten Zustand«, waren es 2012 bereits 42,6 Prozent.

Für die Instandsetzung der Landesstraßen sind im Voranschlag 2016 53,5 Millionen Euro vorgesehen. Mit diesen Mitteln ist es laut steirischem Verkehrsressort grundsätzlich möglich, die wichtigsten Sanierungsmaßnahmen im hochrangigen Straßennetz durchzuführen. »Um eine Zustandsverschlechterung aller Landesstraßen zu verhindern, wären jedoch beträchtliche zusätzliche Mittel erforderlich«, heißt es aus dem Verkehrsressort.

Eine angedachte und von vielen geforderte alternative Finanzierungsmöglichkeit wäre die flächendeckende LKW-Maut gewesen, doch die wurde Ende April auf Betreiben von Oberösterreich und Nieder­österreich von den Ländern abgelehnt. Allerdings hat der neue Infrastrukturminister Jörg Leichtfried, der auch als steirischer Verkehrslandesrat Präferenzen für die Einführung einer flächendeckenden LKW-Maut zeigte, angekündigt, die Idee weiter prüfen zu lassen. Dem kann auch Stephan Otto, technischer Geschäftsleiter Hochtief Infrastructure Austria, einiges abgewinnen: »Aus unsere Sicht müssten sowohl eine flächendeckende LKW- als auch PKW-Maut eingeführt  und diese Gelder zielorientiert in die Instandsetzung eingebracht werden, um die Landes- und Gemeindestraßen wieder in einen ordnungsgemäßen sowie verkehrssicheren Zustand zu bringen.« Ähnlich sieht dies auch Strabag-Vorstand Reinhard Kerschner, der sich als zusätzliche Finanzierungsquelle auch eine zweckgebundene Mineralölsteuer vorstellen kann.  Allerdings will Kerschner der Politik keine Ratschläge erteilen, woher die notwendigen Mittel für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur kommen sollen. »Wir wollen lediglich aufzeigen, dass zeitnahe Investitionen in die Erhaltung vor größeren Schäden und daher vor aufwendigen, teuren Generalsanierungen schützen.«

Der Sündenfall

Ein großer Teil des österreichischen Straßennetzes wurde im Zuge der sogenannten »Staubfreimachung« in den 60er- und 70er-Jahren errichtet, fast ausschließlich in Asphaltbauweise. Die typische Lebensdauer von Asphaltbefestigungen liegt bei rund 25 Jahren. »Da kann man sich leicht ausrechnen, dass viele Straßen auch strukturell ans Ende ihrer Lebensdauer kommen«, stellt TU-Professor Blab nüchtern fest.

Dass das Geld dafür hinten und vorne fehlt, ist zum Teil auch hausgemacht. Im Jahr 2002 wurden die damaligen Bundesstraßen »verländert«. Für die Finanzierung der übertragenen Straßen gewährte der Bund den Ländern laut Rechnungshofbericht bis 2007 »einen jährlichen Zuschuss zwischen 522,5 Millionen Euro und 545 Millionen Euro«. 2008 folgte der Sündenfall: Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen wurde wie bei der Wohnbauförderung die Zweckbindung aufgehoben und die Zuschüsse wurden in Ertragsanteile umgewandelt. Zwischen 550 Millionen Euro und 600 Millionen Euro flossen ab sofort in die Taschen der Länder, ohne Mascherl zur freien Verwendung. »Der größte Fehler war, dass den Ländern hinsichtlich Erhalt der Straßen keine Zielwerte vorgegeben wurden. Das wurde auch vom Rechnungshof massiv kritisiert«, erklärt Blab. Denn damit wurde das Geld nicht immer dort eingesetzt, wo es nötig und sinnvoll gewesen wäre. Viel Geld wurde und wird auch heute noch in oberflächliche Erhaltungsmaßnahmen gesteckt. Dabei wären Investitionen in die strukturelle Verbesserung des Straßennetzes dringend notwendig. »Es geht darum, in die Tragstruktur der Konstruktion einzugreifen und nicht oberflächlich die Decke auszubessern oder griffigkeitserhöhende Maßnahmen zu setzen und sich damit von Jahr zu Jahr zu retten.«

Woher nehmen ...

Neben der flächendeckenden LKW-Maut oder einer zweckgebundenen Mineralölsteuer tüfteln Experten an weiteren Finanzierungsmöglichkeiten. Alfred Weninger-Vycudil von PMS Consult denkt an PPP-Projekte, die auch für Bestandserweiterung und umfangreiche Generalsanierungen überlegt werden könnten, da gerade auf hochbelasteten Straßen die Konzessionsnehmer auf eine entsprechende Einnahmequelle zurückgreifen könnten. »In Summe sind PPP-Projekte zwar etwas teurer als konventionell ausgeschriebene Projekte, haben jedoch den Vorteil das derzeit nicht finanzierbare Projekte mit Unterstützung der Privatwirtschaft plötzlich möglich werden«, so  Weninger-Vycudil.

Aber auch in der Straßenerhaltung gilt: Geld alleine macht nicht glücklich. Blab und Weninger-Vycudil sind sich einig, dass vor allem die Effizienz gesteigert werden muss. Blab fordert endlich eine einheitliche Zustandserfassung und Substanzbewertung, aus denen sich tatsächliche Kosten ablesen lassen. Weninger-Vycudil spricht sich für den Einsatz von modernen Erhaltungsmanagmentsystemen für alle Anlagen wie Straßen, Brücken oder Tunnel aus. »Im Gegensatz zum Gießkannenprinzip könnten damit die in der Regel knapp bemessenen Geldmittel nach der höchsten wirtschaftlichen Effizienz eingesetzt werden.«
TU-Professor Blab lässt mit einer weiteren interessanten Überlegung aufhorchen. »Gerade im Gemeindestraßennetz geht viel an Effizienz verloren«, ist Blab überzeugt. Ist am Ende des Jahres noch Geld übrig, werden teils sehr unsys­tematisch oberflächliche Sanierungsmaßnahmen gesetzt. Deshalb sollten sich mehrere Gemeinden zu Erhaltungsverbänden zusammenschließen. »Diese Verbände würden nach einheitlichen Methoden ihr Straßennetz ausnehmen und bewerten und dann Projekte definieren, die über einen bestimmten Zeitraum abgearbeitet werden«, so Blab, der bereits erste Gespräche mit Gemeinden und Bauunternehmen geführt hat. Vor allem den Bauunternehmen würde dieses Modell zugute kommen, erhöht es doch die Planungssicherheit und ermöglich somit eine bessere Einteilung der Kapazitäten. n

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