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In Wien wird viel und gut gebaut

»Nicht das Passivhaus, sondern das verbesserte Niedrigenergiehaus wird die beste Lösung für die Zukunft sein«, ist Dieter Hayde überzeugt. »Nicht das Passivhaus, sondern das verbesserte Niedrigenergiehaus wird die beste Lösung für die Zukunft sein«, ist Dieter Hayde überzeugt.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Architekt Dieter Hayde über die aktuelle Bautätigkeit in Wien, den Stellenwert von BIM und integraler Planung und seinen bevorzugten Baustoff. Außerdem gibt er offen zu, welche Projekte er gerne realisiert hätte, aber den Zuschlag nicht erhalten hat.

Von Bernd Affenzeller

Report: In letzten Monaten wurden in Wien viele Großprojekte abgeschlossen. Wie bewerten Sie aktuell die Bautätigkeiten in der Bundeshauptstadt?

Dieter Hayde: Es wird viel gebaut und es wird auch gut gebaut. Und zwar sowohl in Hinblick auf die ökologischen als auch die ökonomischen Anforderungen von Gebäuden. Da ist ein enormer Unterschied erkennbar zu dem, was wir noch vor zehn Jahren gemacht haben. Aber auch optisch hat sich einiges getan. Ich denke, es ist mittlerweile ins Bewusstsein übergegangen, dass der Architektur und dem dazugehörigen Freiraum besonderes Gewicht beigemessen werden muss.

Report: Bei Neubauten ist ein gewisses Maß an Ökologie heute Standard. Vor allem bei Büroimmobilien geht es kaum noch ohne irgendein Nachhaltigkeitszertifikat. Wie ist die Situation im Gebäudebestand?

Hayde: Beim Bestand gibt es einiges zu tun. Ein Beispiel: Hier, in diesem Gebäude aus den 70er-Jahren (Storchengasse 1; 1150 Wien; Anm. d. Red.) hatten wir eine Fassade, die im Wesentlichen ein Wetterschutz war. Die haben wir getauscht und weitere thermische Maßnahmen gesetzt, die den Heizwärmebedarf um mehr als die Hälfte gesenkt haben. Und das ist natürlich kein Einzelfall. Da gibt es sehr viel zu tun.

Report: Sind die Bemühungen der Politik aus Ihrer Sicht ausreichend?

Hayde: Ja, ich denke schon. Da wird sehr viel gemacht, speziell im Wohnbau. Aber natürlich gibt es Teilbereiche, wo noch mehr getan werden könnte. Viele denken, dass etwa Gründerzeithäuser oder Gebäude aufgrund des Denkmalschutzes nicht gedämmt werden können. Das stimmt natürlich nicht. Man kann die Fenster verbessern, die Innenseite dämmen oder zum Dach hin Verbesserungen durchführen.

Report: Themen wie integrales Planen und Building Information Modeling werden derzeit viel diskutiert. Wie eine Umfrage des Report im Herbst unter Architekten ergab, spielt BIM im Berufsalltag aber noch eine sehr untergeordnete Rolle.

Hayde: Bei uns ist BIM jetzt schon im Einsatz. Und für die gesamte Branche gilt, dass wir um das Thema nicht herumkommen werden. International gibt es einige Länder, die deutlich voran sind. Dagegen kann man sich nicht wehren und deshalb bin ich lieber gleich von Anfang an mit dabei. Natürlich wird die Planung dadurch teurer, weil man sehr frühzeitig definieren muss. Aber in Summe sollte es günstiger werden, weil Verteuerungen in der Bauphase, die jetzt gang und gäbe sind, vermieden werden. Allerdings muss man sagen: Ich habe noch mit dem Rapidographen gezeichnet und die Gebäude stehen auch noch (lacht).

Report: Sehen Sie ein Umdenken in Richtung gemeinsames Planen und Bauen?

Hayde: Ich weiß nicht, ob es ein Umdenken gibt. Wir bieten schon immer alle Leistungen an, die ein Architekt laut Leistungsbild der Gebührenordnung anbieten darf. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Gebäude erst mit den Details zu leben beginnt. Wir Architekten müssen dafür sorgen, dass ein Gebäude auch im Betrieb funktioniert. Bei großen Organisationen wie etwa Raiffeisen sitzt man frühzeitig mit der internen Facility-Management-Abteilung an einem Tisch. Da kann man viel dabei lernen und das ist natürlich von Vorteil für die späteren Nutzer. Aber es ist sicher so, dass sich viele Kollegen für die Details nicht so sehr interessieren. Da ist auch die Ausbildung an den Hochschulen gefragt. Ich sehe da derzeit leider wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich mittelfristig etwas ändert.

Report: Mit dem Raiffeisen-Zubau am Donaukanal haben Sie das weltweit erste Passiv-Bürohochhaus realisiert. Wieviel Potenzial sehen Sie für den Passivhausstandard in diesem Segment?

Hayde: Die Klimainitiative von Raiffeisen hat uns quasi Tür und Tor geöffnet. Die Errichtung in Passivhausstandard war zwar um rund acht Prozent teurer, in Hinblick auf die Lebenszykluskosten ist das jedoch vernachlässigbar. Aber das ist natürlich einzig und alleine die Entscheidung des Bauherrn. Das Thema Passivhaus oder verbessertes Niedrigenergiehaus ist sicher etwas, das jeden interessiert.

Report: Merken Sie tatsächlich eine verstärkte Nachfrage?

Hayde: Das wird immer besprochen, nicht nur im Gewerbebereich auch im Wohnbau. Auch wenn ich persönlich finde, dass nicht unbedingt das Passivhaus, sondern das verbesserte Niedrigenergiehaus die beste Lösung für die Zukunft sein wird. Was man allerdings sehr kritisch hinterfragen muss, sind die zahlreichen Normen. Dieses Dickicht muss ganz nüchtern und objektiv durchforstet werden. Da ist sehr viel zu holen. Wir kommen in Summe auf rund 1.500 baurelevante Normen, die keiner mehr durchblicken kann. Ich bin felsenfest überzeugt, dass man, ohne an Sicherheit und Qualität zu sparen, hier Reduktionen vornehmen und damit Kosten einsparen kann.

Report: Wo sollte der Hebel angesetzt werden?

Hayde: Am wichtigsten wäre es, die Gremien der Ö-Norm mit neutralen und unabhängigen Experten zu besetzen, die keine eigenen Interessen verfolgen.

Report: Der Wohnbau boomt in Wien, Büroimmobilien tun sich schwer. Was läuft schief?

Hayde: Der Büromarkt scheint derzeit tatsächlich weitgehend ausgereizt zu sein. Es gibt viele Leerstände. Das liegt nicht nur an den zahlreichen Neubauten, es gibt auch einen nicht unerheblichen Bestand. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht auch ein Spiegel der allgemeinen Wirtschaftslage ist. Ich denke, vielen Unternehmen fehlt aktuell einfach auch der Mut. Es scheint mit wenigen Ausnahmen derzeit nicht die Zeit für große Übersiedelungen zu sein.

Report: Aktuell wird wieder viel über die verschiedenen Baustoffe diskutiert – Holz, Beton, Ziegel. Welchen Baustoff bevorzugen Sie?

Hayde: Wir arbeiten eigentlich ausschließlich mit Stahlbeton und Ziegel. In Holz haben wir bislang noch nichts gemacht. Es würde mich aber sehr reizen. Ich bin schon sehr gespannt, welche Erfahrungen Kollege Rüdiger Lainer mit dem Holzhochhaus in der Seestadt Aspern machen wird. Da werde ich mich auf jeden Fall mit ihm austauschen.

Report: Stichwort Seestadt: Wie gestaltet sich das Megaprojekt aus Architektensicht?

Hayde: Dazu möchte ich jetzt nichts sagen.

Report: Anders gefragt: Wie bewerten Sie die beiden anderen großen Stadtentwicklungsgebiete Nordbahnhof und Sonnwendviertel?

Hayde: Der Nordbahnhof entwickelt sich aus meiner Sicht sehr gut. Die Lage ist gut, ebenso die Qualität der errichteten Gebäude und es gibt eine bestehende, funktionierende Infrastruktur. Das ist eine tolle innerstädtische Entwicklung. Ähnliches gilt für das Sonnwendviertel. Diese innerstädtische Verdichtung ist aus meiner Sicht viel sinnvoller als Großprojekte auf der grünen Wiese.

Report: Eine persönliche Frage: Gibt es so etwas wie ein Lieblingsprojekt?

Hayde: Mir ist jedes Projekt ans Herz gewachsen. Das kann ein Einfamilienhaus, ein Dachausbau oder ein Großprojekt wie der Raiffeisen-Zubau sein. Aber natürlich sind einem die aktuellsten Projekte immer die liebsten (lacht).

Report: Gibt es ein Projekt, das Sie gerne realisiert hätten, aber den Zuschlag nicht erhalten haben?

Hayde: Wir haben für die neue ÖAMTC-Zentrale abgegeben und auch für den Neubau der Austro Control Group in der Schnirchgasse. In beiden Fällen sind wir Zweiter geworden. Diese beiden Projekte hätte ich sehr gerne gemacht, vor allem Austro Control hätte mich gereizt.

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