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10 Jahre Enquete Chance Hochbau

Das Publikum beteiligte sich auch heuer wieder aktiv am Geschehen und brachte interessante Aspekte in die Diskussion ein. Foto: Milena Krobath Das Publikum beteiligte sich auch heuer wieder aktiv am Geschehen und brachte interessante Aspekte in die Diskussion ein. Foto: Milena Krobath

Seit 2003 veranstaltet der Bau & Immobilien ­Report die Enquete »Chance Hochbau«. In dieser Zeit hat sich die Veranstaltung zur zentralen Kommunikationsplattform der Baubranche in Richtung Politik entwickelt. Zum zehnjährigen Jubiläum fanden sich wieder mehr als 200 Gäste ein, um sich auszutauschen und über neue Entwicklungen in der Branche zu informieren. Ein prominent besetztes Podium, spannende Publikumsfragen und zahlreiche multimediale Einspielungen sorgten für einen kurzweiligen Nachmittag im Gironcoli-Kristall im Strabag-Haus.

Im Jahr 2003 feierte die Enquete »Chance Hochbau« im Kursalon Hübner Premiere. Ins Leben gerufen, um der Politik den volkswirtschaftlichen Nutzen von Hochbauinves­titionen näher zu bringen, entwickelte sich die Veranstaltung schnell zu einer zentralen Kommunikationsplattform der Baubranche und ist heute fest als Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft verankert. Zum zehnjährigen Jubiläum waren Anfang Oktober wieder mehr als 200 Gäste in den Gironcoli-Kristall im Strabag Haus gekommen, um sich im Expertenkreis auszutauschen.

Über die aktuellen Herausforderungen der Bauwirtschaft, die möglichen Auswirkungen der Nationalratswahl sowie die Zukunftsaussichten der Branche diskutierten im ersten Teil der Veranstaltung Andrea Kunnert vom Wirtschaftsforschungsinstitut, Bundesinnungsmeister Bau Hans-Werner Frömmel, der Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr und der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch.

Im zweiten Teil begrüßte Moderator Alfons Flatscher, Herausgeber des Bau & Immobilien Reports, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Josef Schmidinger, Generaldirektor der sBausparkasse, und den Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik, Andreas Pfeiler, auf der Bühne.

Panel 1: Kunnert, Frömmel, Chorherr, Muchitsch
Bevor Andrea Kunnert die Ergebnisse ihrer Forschung präsentierte, wurde die Wifo-Expertin mit einer Videoeinspielung von Franz Roland Jany von der Gütegemeinschaft Dämmstoffindustrie konfrontiert. Der vertrat die in weiten Kreisen durchaus unpopuläre Meinung, dass es der Bauwirtschaft gar nicht so schlecht gehe wie oftmals kolportiert. Eine Meinung, der sich aber auch Kunnert zumindest teilweise anschließen konnte. Denn dass es der Bauwirtschaft tatsächlich gar nicht so schlecht gehe, belegen auch die aktuellen Zahlen des Wifo. »Aber natürlich muss man in einer Branche wie der Bauwirtschaft die einzelnen Teilbereiche differenziert sehen«, schränkte Kunnert ein. Positive Zukunftsaussichten prognostizierte Kunnert dem Hochbau. »Das Konjunkturpaket der Regierung kommt zur rechten Zeit. Der Bedarf an Wohnungen ist nach wie gegeben«, sagte Kunnert. Die Zahl der Baubewilligungen würden bereits wieder ansteigen, jetzt gehe es darum, dass dort gebaut wird, wo die tatsächliche Nachfrage vorhanden ist.

Nur wenige Tage nach der Nationalratswahl war nicht nur das Wahlergebnis, sondern auch der Wahlkampf Thema am Podium der Enquete »Chance Hochbau«. Hans-Werner Frömmel Bundesinnungsmeister Bau, zeigte sich erfreut, dass das Thema Wohnbau bei fast allen Parteien »auf der Agenda sehr weit oben« gestanden sei. Von einer neuen Regierung erwartet Frömmel jetzt entsprechende Taten. »Die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist ein Gebot der Stunde«, erneuerte Frömmel eine langjährige Forderung der Bau-Sozialpartner. In Hinblick auf das Thema Leistbarkeit forderte Frömmel im Rahmen der  Wohnbauförderungen eine deutliche Reduktion der Anforderungen. »Bei Kostentreibern wie etwa den Stellplätzen muss abgespeckt werden. Es kann nicht sein, dass die Kriterien der Wohnbauförderung strenger sind als die OIB-Richtlinien«, stellte Frömmel klar und verwies auf eine Tiroler Studie, die zeigt, dass 15 Prozent der Baukosten ohne Qualitätsverlust für die Bewohner eingespart werden können. »Es muss vernünftig reduziert und dereguliert werden«, schloss Frömmel.

Der Wiener Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr nutzte die Chance, um dem nicht nur in Wahlkampfzeiten beliebten Politiker-Bashing die Stirn zu bieten. »Wer verallgemeinernd die Politik oder die Politiker als feig und visionslos kritisiert, sollte auch den Mut haben, die Personen und Fraktionen zu nennen, in deren Richtung die Kritik geht.« Bezüglich der von Bundesinnungsmeister Frömmel und in einer Videoeinspielung u.a. von Robert Schmid, Chef der ­Schmid Industrieholding, geforderten Vereinfachungen im Wohnbau, hatte Chorherr einmal mehr die Lacher auf seiner Seite. Zwar stimmte er dem Ansinnen prinzipiell zu, fand es aber »sehr interessant, dass den Grünen immer Technikfeindlichkeit nachgesagt wird und sich jetzt plötzlich die Wirtschaft für Lowtech ausspricht«. Zudem kritisierte Chorherr die immer kürzer werdende Spanne zwischen der Errichtung und dem Abriss eines Gebäudes und sprach sich für eine höhere Flexibilität von Gebäuden aus. »Wir müssen noch viel stärker die Umnutzung von Gebäuden mitdenken. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Multiplexe errichtet, die kaum eine andere Nutzung zulassen«, kritisierte Chorherr mangelnde Weitsicht und fragte sich, was mit all den Hotels passieren wird, die derzeit wie die sprichwörtlichen Schwammerl aus dem Boden schießen.

Der oberste Bau-Gewerkschafter, Josef Muchitsch, kritisierte, angesprochen auf die Alpine-Pleite und mögliche Folgekonkurse, dass ein Teil der Arbeitslosigkeit in Österreich hausgemacht sei. »Wenn auf einer großen, öffentlichen Baustelle in Wien bei Kontrollen festgestellt wird, dass Arbeitszeiten von 16 und mehr Stunden am Tag durchaus die Regel sind, dann läuft etwas grundlegend falsch in diesem Land«, empört sich Muchitsch zu Recht und fordert weiters, dass überall dort, wo öffentliches Geld eingesetzt wird, auch heimische Unternehmen zum Zug kommen müssen. »Wir können Konjunkturpakete in beliebiger Höhe beschließen, wenn die Gelder nicht dort ankommen, wo sie hingehören, bei den heimischen Unternehmen und Arbeitern, dann bringt das alles nichts«, so Muchitsch. 

Panel 2: Ludwig, Gleissner, Pfeiler, Schmidinger
Die zweite Diskussionsrunde wurde vom Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig eröffnet. Er wurde mit Videostatements von Walter Ruck, Spartenvertreter Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer, und Christian Wein­hapl, Geschäftsführer der Wienerberger Ziegelindustrie, konfrontiert, die vor allem die hohen Bau- und Grundstückskosten kritisierten. Ludwig parierte, indem er auf die frühzeitige Reaktion seitens der Stadt verwies. »Der Wohnfonds Wien kauft gezielt Grundstücke an. Wir haben derzeit rund zwei Millionen Quadratmeter Grundstücksreserven für den Wohnbau. Die Wirtschaftsagentur macht dasselbe für Gewerbeflächen. Deshalb war der Anstieg der Grundstückspreise in Wien auch deutlich moderater als in anderen europäischen Metropolen«, erklärte Ludwig und kündigte für die Zukunft ein gemeinsames Immobilienstrategiewesen der Stadt an.

BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner sprach zuallererst über die neue Wirtschaftsuniversität im Wiener Prater, das »größte Projekt, das die Bundesimmobiliengesellschaft bislang umgesetzt hat«. In diesem Zuammenhang unterstrich er auch die hohe Bedeutung der Lebenszykluskostenbetrachtung. »Das ist für uns besonders wichtig, weil wir die Gebäude in den meisten Fällen nicht nur errichten, sondern auch betreiben.« Kritik äußerte Gleissner an der geringen Sanierungsbereitschaft öffentlicher Mieter. »Eine groß angelegte Sanierungsoffensive ist gescheitert, weil aufgrund der teilweise langen Amortisationszeiten zu wenige Mieter Interesse zeigten.« Josef Schmidinger, Generaldirektor der sBausparkasse, brach eine Lanze für seine Zunft. »Bausparkassen werden oft belächelt, aber wir bauen nicht nur Einfamilienhäuser im hintersten Waldviertel. Allein die sBausparkasse hat in den letzten Jahren eine Milliarde Euro in den mehrgeschoßigen Wohnbau investiert«, sagt ­Schmidinger und verweist auf das Toprating der vergebenen Kredite. Bezüglich der viel zitierten Kreditklemme räumt Schmidinger ein, dass sich viele Institute »natürlich gerne die Filetstücke mit hohem Eigenkapitalanteil« herauspicken. Die Kritik an den Banken falle aber zu pauschal aus. »Die Eigenkapitalquote muss realistisch sein. Es kann auch nicht alles an den Banken hängen bleiben.«

Eine Lanze für einfaches Bauen und eine Technologieoffenheit bei Förderkriterien brach Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik. »Viele Wege führen nach Rom. Energiekennzahlen sind unterschiedlich zu erreichen. Es muss nicht immer das Passivhaus sein«, kritisierte Pfeiler einzelne Bundesländer, die die Förderkriterien zu Lasten anderer Gebäudekonzepte geändert haben. Und schließlich sprach Andreas Pfeiler noch ein weiteres, heikles Thema an. »Menschen mit speziellen Bedürfnissen brauchen unsere vollste Unterstützung. Darin sind wir uns alle einig. Es muss aber die Frage erlaubt sein, ob Barrierefreiheit wirklich immer zu 100 Prozent umgesetzt werden muss. Denn das macht das Bauen enorm teuer.«

Die Bilder zur Veranstaltung finden Sie hier.

Das Video zur Veranstaltung finden Sie hier.



Die Veranstaltung im Überblick

- Moderation: Alfons Flatscher, Herausgeber Report Verlag
- Begrüßung: Franz Urban, Vorstand Strabag
- Am Podium: Christoph Chorherr, Gemeinderat Wien, Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau, Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer BIG, Andrea Kunnert, Bau-Expertin Wifo, Michael Ludwig, Wohnbaustadtrat Wien, Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender GBH, Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik, Josef Schmidinger, Generaldirektor sBausparkasse
- Videoeinspielungen: Franz Böhs, Rockwool; Elke Delugan, DMAA; Leopold Fetter, Fetter Baumarkt; Roland Hebbel, Steinbacher; Franz Roland Jany, GDI; Winfried Kallinger, Kallco; Manfred Katzenschlager, Geschäftsstelle Bau; Christoph Leitl, Wirtschaftskammer Österreich; Alfred Leitner, Quality Austria; Andreas Pfeiler, Fachverband Steine Keramik; Gerald Prinzhorn, Austrotherm; Walter Ruck, Wirtschaftskammer Wien; Gernot Sattleder, Synthesa; Alexander Safferthal, Safferthal Bau; Gerhard Schenk, HSG Zander; Robert Schmid, Schmid Industrie Holding; Josef Schmidinger, sBausparkasse; Christian Weinhapl, Wienerberger; Karl Wurm, GBV.


Die Sages des Tages

»Es geht der Bauwirtschaft nicht so schlecht wie oftmals angenommen. Speziell der Hochbau kann optimistisch in die Zukunft blicken.«
Andrea Kunnert

»Es muss zu Abspeckungen kommen. Es kann nicht sein, dass die Kriterien der Wohnbauförderung strenger sind als die OIB-Richtlinien.«
Hans-Werner Frömmel

»Gebt uns nicht Renderings, die zeigen, wie ein Gebäude nach der Fertigstellung aussieht. Gebt uns Renderings, die zeigen, wie ein Gebäude in 30 Jahren aussieht.«
Christoph Chorherr

»Wenn auf der größten öffentlichen Baustelle in Wien bei Kontrollen Arbeitszeiten von 16 und mehr Stunden festgestellt werden, dann läuft etwas falsch in diesem Land.«
Josef Muchitsch

»Die Stadt Wien wird ein waches Auge haben, ob die im Zuge der Bauordnungsnovelle durchgeführten Erleichterungen die Baukosten tatsächlich reduzieren.«
Michael Ludwig

»Lebenszykluskosten sind für die BIG ein wichtiges Thema, weil wir Gebäude nicht nur errichten, sondern in der Regel auch betreiben.«
Wolfgang Gleissner

»Natürlich pickt sich jeder gerne die Filetstücke mit einem hohen Eigenkapitalanteil heraus.«
Josef Schmidinger

»Bausparkassen werden ja oft belächelt. Aber wir finanzieren nicht nur das Einfamilienhaus im Waldviertel. Alleine die sBausparkasse hat in den letzten zehn Jahren eine Milliarde Euro in den mehrgeschoßigen Wohnbau investiert.«
Josef Schmidinger

»Wichtig ist es, dass wir schon heute die Funktion eines Gebäudes für morgen sichern.«
Wolfgang Gleissner

»Barrierefreiheit ist nicht nur ein Segen, das kostet auch richtig viel Geld. Da stellt sich die Frage ob wirklich jede Wohnung zu 100 % barrierefrei  sein muss.«
Andreas Pfeiler

»Das Bau-Konjunkturpaket der Regierung kommt zur rechten Zeit. Jetzt ist es wichtig, dass die Wohnungen auch dort gebaut werden, wo sie gebraucht werden.«
Andrea Kunnert

»Uns Grünen wurde ja immer eine gewisse Technikfeindlichkeit unterstellt. Es ist witzig, dass sich jetzt ausgerechnet die Wirtschaft für Lowtech ausspricht.«
Christoph Chorherr

»Grundstückspreise sind im urbanen Bereich immer ein Thema. In Wien ist der Preisanstieg aber deutlich moderater als in anderen Metropolen, weil frühzeitig gegengesteuert wurde.«
Michael Ludwig

»Wir müssen das Bauen so einfach wie möglich halten.«
Andreas Pfeiler

Last modified onDonnerstag, 14 November 2013 17:01
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