»Die Pleite der Alpine muss Konsequenzen haben«
- Written by Mag. Bernd Affenzeller
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Der Bau & Immobilien Report feierte am 3. Oktober »10 Jahre Enquete Chance Hochbau«. Zwei langjährige Wegbegleiter, Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel und Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau in der Wirtschaftskammer, werfen gemeinsam einen Blick auf die zurückliegende Dekade, analysieren die aktuellen Herausforderungen der Branche und erklären, was sie von einer neuen Regierung erwarten.
Report: Herr Katzenschlager, Sie haben vor zehn Jahren die Geschäftsführung der Geschäftsstelle Bau übernommen. Was waren in dieser Dekade die gravierendsten Veränderungen in der Baubranche?
Manfred Katzenschlager: Besonders einschneidend war natürlich die Etablierung neuer Bauweisen wie Niedrigenergie- und Passivhaus und deren Niederschlag in den Bauordnungen und Normen. Dazu kamen sozialpolitische Meilensteine wie die Einführung der Taggeldregelung, die Heranführung des Bauarbeiter-Urlaubsrechtes an das allgemeine Urlaubsrecht sowie zuletzt die Schaffung eines Überbrückungsgeldes. Im Ausbildungsbereich war die Gründung der BAUAkademien vor zehn Jahren ein echtes Highlight. In der Bekämpfung von Sozialbetrug und Schwarzarbeit wurden durch die Aktion BAUfair! zahlreiche Maßnahmen umgesetzt wie die Anmeldung vor Arbeitsbeginn, die Aufstockung der Kontrollorgane bei Finanzpolizei und BUAK oder die Einrichtung der HFU-Liste. Über die Plattform Umwelt+Bauen ist es uns gelungen, sehr viele Themen, die der Bauwirtschaft unter den Nägeln brennen, mit dem Sozialpartner abzustimmen und der Politik so umsetzungsgerecht zu präsentieren, dass die legistische Finalisierung eigentlich die logische Konsequenz ist. Schließlich kann man heute guten Gewissens sagen, dass sich die vor zehn Jahren gestartete Kooperation von Baugewerbe und Bauindustrie im Rahmen der Geschäftsstelle Bau bewährt hat. Ohne diese hätten viele dieser Maßnahmen nicht umgesetzt werden können.
Report: Sind mittelständische Unternehmen heute mit anderen Herausforderungen konfrontiert als zur Jahrtausendwende?
Hans-Werner Frömmel: Durchaus. Die Änderungen im Bereich der Bautechnik wurden schon erwähnt. Als Folge der Finanzkrise ist es für gewerbliche Bauunternehmen besonders schwierig geworden, Bankenfinanzierungen für das Projektgeschäft zustande zu bringen. Die Bauindustrie engagiert sich bei Ausbleiben von Großprojekten immer wieder bei Aufträgen, die früher Domänen des Baugewerbes waren. Im Wohnbau sind wir außerdem mit immer höheren Anforderungen konfrontiert, denen keine ausreichenden Preissteigerungen gegenüberstehen. Verstärkt hat sich auch der Wettbewerb durch Mitbieter aus dem EU-Ausland. Leider kam es mit dem Eintreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der erweiterten Dienstleistungsfreiheit zu einem massiven Anstieg an Lohn- und Sozialdumping sowie zu Wettbewerbsverzerrungen durch Baustoffe, die in Österreich nicht zugelassen sind, besonders in den Grenzregionen.
Report: Welche Auswirkungen hat die Pleite der Alpine auf das Baugewerbe?
Katzenschlager: Viele Subfirmen der Alpine können ihre Ansprüche nicht mehr geltend machen und kommen dadurch selbst in Bedrängnis. Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen ist jedoch nur zu etwa einem Viertel auf die Alpine zurückzuführen. Durch die Übernahme von Alpine-Teilen durch andere Bauindustriefirmen, aber auch durch Gewerbefirmen haben sich die Relationen zwischen den einzelnen Unternehmen und die Grenzen zwischen Industrie und Gewerbe teilweise fließend verschoben.
Report: Welche Konsequenzen soll oder muss die Politik aus der Pleite ziehen?
Frömmel: Die Alpine hat in ihrem Überlebenskampf wild um sich geschlagen und den Markt mit Billigstpreisen kaputt gemacht. Die Rechnung für die vermeintlichen Einsparungen bei öffentlichen Bauaufträgen kriegen jetzt die Subunternehmer, der Insolvenz-Ausfallgeldfonds, das AMS und damit wieder die Öffentlichkeit präsentiert. Ganz zu schweigen von den Mehrkosten durch die Bauverzögerungen. Dies muss zum Anlass genommen werden, um vergaberechtliche Konsequenzen zu überdenken. Es müssen jedenfalls Maßnahmen zur Stärkung des Bestbieterprinzips umgesetzt werden. Es muss einem doch zu denken geben, wenn das Angebot eines Bieters um 30 % unter dem Nächstgereihten liegt. Auch das vorhandene Instrument der vertieften Angebotsprüfung ist stärker zu forcieren. Bezüglich der Weiterführung von öffentlichen Aufträgen bei Insolvenzen des Auftragnehmers sollte es klarere Regelungen geben. In diesem Zusammenhang muss man allerdings sagen, dass es bei den kartellrechtlich oft kritisierten Arbeitsgemeinschaften zu diesen Problemen nicht kommt, da die Arge-Partner im Zuge der Solidarhaftung einspringen müssen.
Report: Wie ist das von der Regierung geschnürte Bau-Konjunkturpaket zu bewerten? Kritiker sprechen von einem Wahlzuckerl ohne nachhaltige Wirkung.
Katzenschlager: Die zusätzlichen 676 Millionen Euro für den Wohnbau bis 2016 sind natürlich wichtig, auch im Hinblick auf die Signalwirkung in puncto Zweckbindung. Dies darf jedoch nicht als Alibi für die »große Zweckbindungslösung« herangezogen werden. Im Bereich Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen, Hochwasserschutz und Thermische Sanierung von öffentlichen Bauten besteht ohnehin ein dringender Nachholbedarf, der nicht nur die Bauwirtschaft ankurbelt, sondern durch die damit verbundenen Multiplikatoreffekte sowie zusätzlichen Steuer- und Abgabenaufkommen auch dem Staat wieder zugutekommt. Es handelt sich also um nachhaltige Investitionen mit wichtigen volkswirtschaftlichen Hebelwirkungen.
Report: Der Bundessanierungsscheck läuft heuer deutlich besser als erwartet. Die 70 Millionen für Private waren zur Jahresmitte abgeholt. Sehen Sie hier eine steigende Nachfrage oder werden die Investitionen aufgrund des Konjunkturbonus bis 30. Juni einfach vorgezogen?
Frömmel: Ich tippe auf beides. Der Konjunkturbonus hat sicher auch das Seinige dazu beigetragen. Immerhin konnten dadurch bei einer umfassenden Sanierung statt der normalen Förderhöhe von 5.000 Euro bis zu maximal 9.000 Euro lukriert werden. Außerdem haben Wirtschaftsminister Mitterlehner und Umweltminister Berlakovich die Förderkriterien vereinfacht und Maßnahmen zur Entbürokratisierung gesetzt. Das hat sich ausgezahlt. Nach unseren Informationen waren Anfang August bereits 96 Millionen bei den Privaten und 12 Millionen bei den betrieblichen Förderungen ausgeschöpft. Das ist natürlich sehr erfreulich.
Report: Vor zwei Jahren wurde von den Sozialpartnern die Aktion »Bau auf A« gestartet. Ist es zu einem Umdenken bei den Bauherren gekommen?
Frömmel: Ich denke schon. »Bau auf A« wurde 2011 ins Leben gerufen und zeigt öffentlichen wie privaten Auftraggebern die wichtigsten Faktoren, die für die Wahl heimischer Betriebe und geprüfter Produkte sprechen, wie der Anspruch auf Gewährleistung, normengerechte Produktion, kurze Transportwege, regionale Wertschöpfung oder die Sicherung von Arbeitsplätzen durch die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. Ich denke, der Endkunde erkennt mehr und mehr, dass er sich so selbst schützen und auf die seriöse Abwicklung komplexer Bauvorhaben vertrauen kann.
Es gibt allerdings nach wie vor in grenznahen Regionen, insbesondere im Burgenland, das Problem, dass Arbeitspartien mit nicht genehmigten Baustoffen, meist in Kombination mit Lohndumping über die Grenze kommen. Wir haben deshalb heuer im Frühjahr wieder eine Kampagne durchgeführt, wo wir die Bauherren und die Bürgermeister eindringlich auf die Problematik hingewiesen haben. Die negativen Konsequenzen können bis zum Abbruch des Bauwerkes reichen.
Report: Die Bausozialpartner setzen sich seit Jahren für »leistbares Wohnen« ein. Jetzt hat auch die Politik das Thema für sich entdeckt. Mit welchen konkreten Maßnahmen ist aus Ihrer Sicht in den nächsten Monaten zu rechnen?
Katzenschlager: Es ist uns gelungen, »leistbares Wohnen« als zentrales Thema im Wahlkampf zu positionieren. Die Parteien haben sich übereinstimmend dazu bekannt, dass angesichts der wachsenden Bevölkerungszahlen das Wohnungsangebot, vor allem in den Ballungszentren, verbessert werden muss. Wir gehen davon aus und werden dafür kämpfen, dass es zu einer neuen Zweckbindung von Wohnbaufördermitteln kommt, die sich am objektiven Bedarf orientieren. Dazu bedarf es konstruktiver Gespräche aller Beteiligten im Zuge der anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen.
Report: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche unmittelbare Maßnahme würden Sie sich von einer neuen Regierung wünschen?
Frömmel: Der Bau ist ein wichtiger Wirtschaftsmotor und braucht die Unterstützung der Regierung. Die Bauinnung hat diesbezüglich viele Ideen und Vorschläge entwickelt: Die Zweckbindung der Wohnbauförderung wurde erwähnt, ich denke aber auch an zusätzlich Maßnahmen wie fiskalische Anreize, Bauhandwerkerbonus, verpflichtende Rechnungslegung bei Bezug von Fördermittel, Förderung von altersgerechter Sanierungen, Ankurbelung des Siedlungswasserbaus und der Schutzbauten, Verbesserungen und Vereinfachungen im Baurecht etc. Da würde ich unserer Branche Unrecht tun, wenn ich mich als Interessensvertreter mit nur einem Wunsch zufrieden geben würde (lacht).