Stromaufwärts auf der Straße
- Written by Martin Szelgrad
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Elektromobilität ist Hoffnungsträger für eine saubere und ressourcensparende
Zukunft. Der Wandel ist längst nicht mehr nur Vision, sondern bereits mit konkreten
Geschäftsmodellen auf Schiene – respektive Straße.
Im Mix an aktuellen Herausforderungen für Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit in der Wirtschaft nehmen unterschiedliche Branchen Schlüsselrollen für unsere Zukunft ein. In der Bauwirtschaft werden Fragen zu Wärmedämmung und Gebäudeautomatisierung gelöst. Die E-Wirtschaft setzt stark auf einen Wandel in der Strom- und Wärmeerzeugung und auf die Ablöse von fossilen Kraftwerken durch erneuerbare Energien. Im Individualverkehr, der weltweit für gut ein Fünftel des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, setzt ebenfalls ein Umdenken ein. Gefordert von vielen Konsumenten und gefördert durch die Politik wie etwa den EU-Plan, bis 2015 die Emissionen bei Neuwagen stark zu beschränken, werden dem Elektroauto neue Marktchancen eröffnet. Während in den vergangenen Jahren Nischenplayer und asiatische Hersteller den Elektromobilmarkt in Pionierarbeit aufbereitet haben, stoßen nun auch die großen europäischen Player mit passenden Modellen in den Massenmarkt. So entwickelt Siemens gemeinsam mit Volvo elektrische Antriebstechnik, Leistungselektronik und Ladetechnik für Elektroautos. Ziel ist die Integration der Systeme in den Volvo C 30 electric. Ab Ende 2012 wird der schwedische Autobauer bereits eine Testserie an Siemens liefern, die bereits als firmeninterne Flotte eingesetzt werden soll.
Der Trend zu Elektromobilität ist heute weniger auf der Angst vor dem Ende des Ölzeitalters begründet, sondern Ausdruck einer breiten Bewegung der Nachhaltigkeit und des Ressourcenbewusstseins in der Wirtschaft. Doch sind Elektroautos freilich nur dann auch klimaschonend unterwegs, wenn deren Ladungen aus regenerativen Energiequellen gespeist werden.
Die globale Energienachfrage wächst kräftig, Berechnungen zufolge wird bis 2035 weltweit rund ein Drittel mehr Energie verbraucht werden als heute. Vor allem der wachsende Mittelstand in Indien und China wird die Ressourcenverteilung auf unserem Planeten vor neue Herausforderungen stellen. Auch wollen sich viele Volkswirtschaften aus der Abhängigkeit von erdöl- und gasproduzierenden Regionen lösen. Windkraft, Biomasseanlagen, Photovoltaik und natürlich die Wasserkraft sind dabei probate Mittel, sich langfristig fossilen Rohstoffen zu entsagen. Für den Straßenverkehr, der anders als die Bahn de facto ausschließlich auf Raffinerieprodukte setzt, bedeutet dies den wohl größten Wandel.
Wie werden wir uns künftig effizient von A nach B bewegen? Welche Fahrverhalten müssen berücksichtigt werden? Welche Leistungssteigerung ist bei E-Cars für die kommenden Jahrzehnte zu erwarten? Welche Rolle werden Energieversorger in diesem neuen Markt der vernetzten Fahrzeuge, Gebäude und der intelligenten Stromnetze spielen? Fest steht: Elektromobilität wird den Markt auf den Kopf stellen. Noch aber wissen wir nicht, wie schnell. Laut einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie liegt der Anteil von elektrischer Energie in Deutschland aktuell bei gut 22 % des Endenergieverbrauchs. Dieser Wert steigt jährlich um 1,4 %. Eine Verschiebung von unterschiedlichsten Energieträgern zu Strom ist generell feststellbar, heißt es.
Viele Programme
Ob Förderungen, ambitionierte Klimaprogramme oder einfach werbewirksame Initiativen im Tourismus: In zahlreichen Projekten werden elektrisch betriebene Fahrzeuge und auch Hybridantriebe auf die europäischen Straßen gebracht. In Österreich sind in Modellregionen wie Vorarlberg, Graz oder Wien in den vergangenen Monaten Elektroautos hinreichend auf ihre Alltagstauglichkeit getestet worden. Laut der Energiestrategie der Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2020 bereits 250.000 Elektroautos den heimischen Individualverkehr prägen. Deutschland will bis 2030 fünf Millionen Elektroautos auf die Straße bringen. Die USA und China wollen schon bis 2015 jeweils eine Million E-Autos nutzen können.
Eine Studie von TU Wien und A.T. Kearney im Auftrag des heimischen Stromproduzenten Verbund zeigt, dass E-Mobilität zu 100 % auf Basis erneuerbarer Energien in Österreich technisch machbar ist. Die gemeinsam mit Greenpeace und Klimabündnis erstellte Studie führt aber auch vor, dass dafür erst die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Immerhin ergeben sich auch aus den zu erwarteten Einsparungen fossiler Energieimporte positive volkswirtschaftliche Effekte, eine verbesserte Außenhandelsbilanz und in der erneuerbaren Stromerzeugung inländische Wertschöpfung. Ökologische Effekte sind verringerte CO2-Emissionen und eine wesentlich höhere Energieeffizienz durch den Energieträger Strom. In Zahlen: Einsparungen durch verminderte Rohölimporte ergeben einen kumulativen Effekt bis zu 5,4 Mrd. Euro bis 2030 – bei gleichzeitig aktiver Förderung von E-Mobilität. Durch den dazu erforderlichen Ausbau von neuen Erzeugungsanlagen ergibt sich im gleichen Zeitraum eine zusätzliche Wertschöpfung bis zu 231 Mio. Euro.
Überregionales Angebot
Der Verbund hat mit Siemens auch aktiv die Aufbereitung des Marktes für Elektroautos begonnen. Beide Unternehmen wollen dazu gemeinsam einen E-Mobility-Provider für Österreich gründen. Noch sind E-Cars in der Anschaffung teurer als herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Mit der steigenden Größe des Marktes soll sich dieses Missverhältnis Experten zufolge aber zugunsten der technisch weniger komplexen Elektroautos wandeln. Diese benötigen schließlich kein aufwendiges Schaltgetriebe.
Auch stehen die unterschiedlichen Akkutechnologien quasi erst am Beginn ihrer Entwicklungsgeschichte (siehe Seite 10). Verbund und Siemens sind bereits seit einigen Jahren über die Plattform »Austrian Mobile Power« an der Forschung und Entwicklung der Elektromobilität in Österreich beteiligt. Der neue E-Mobility-Provider wird die für den Betrieb von Elektrofahrzeugen notwendigen Services bündeln und bis 2013 – so der Plan – einheitliche Leistungspakete zu maßgeschneiderten Preisen anbieten. Im ersten Schritt wird am Aufbau der Infrastruktur und an Angeboten für Business- und Flottenkunden gearbeitet. Ähnlich den Lösungsansätzen der Mobilfunkbetreiber werden alle für den Betrieb von Elektrofahrzeugen relevanten Services zu einem Pauschalpreis angeboten. Mit einem Eigenkapital von 20 Mio. Euro soll bis 2020 ein Investitionsvolumen von insgesamt 300 Mio. Euro erreicht werden. Dazu ist der Aufbau eines dichten Ladenetzes mit rund 4.500 Ladestationen, unter anderem auf Schnellladeinfrastruktur, bis 2020 geplant. Der zur Verfügung gestellte Strom soll dabei zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen stammen.
Auch wenn in den ersten Jahren eines E-Car-Marktes Anstoßförderungen sicherlich hilfreich sind, soll »der E-Mobility Provider Austria möglichst auf eigenen Beinen stehen«, bekennt Wolfgang Hesoun, Generaldirektor Siemens Österreich. »Wir bilden zusammen mit dem Verbund die Gründungsgesellschaft und stellen Kapital und Know-how zur Verfügung. Dabei streben wir keinerlei Exklusivität an.« Durch die Schaffung einer gesamthaften Lösung soll »eine Antwort auf die bisherige elektromobile Zersplitterung in Modellregionen« geboten werden. Projektpartner Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender Verbund: »Der Klimawandel erfordert ein neues Energiesystem. Mobilität ist ein wesentlicher Teil davon. In diesem technologischen Umbruch liegen ungeahnte Chancen für den Wirtschafts- und Technologiestandort Österreich.« Anzengruber und Hesoun argumentieren wirtschaftlich: Mit dem überregionalen Projekt werden lokale Wertschöpfung generiert und Arbeitsplätze geschaffen.
Skepsis ausräumen
Freilich sind die größten Herausforderungen im Aufbau eines E-Mobility-Marktes derzeit weniger technischer sondern vielmehr psychologischer Natur. Viele potenzielle Anwender sehen Themen wie Ladevorgang, Reichweite und Kosten noch skeptisch. Das Ziel muss daher sein, den täglichen Ladevorgang so einfach wie möglich und ohne Zusatzbelastung zu gestalten, die begrenzte Reichweite der E-Fahrzeuge auszuweiten, die derzeit noch hohen Anschaffungskosten zu reduzieren und den Benutzern die deutlich geringeren Betriebs- und Instandhaltungskosten bewusster zu machen. Außerdem muss den E-Mobilitätsnutzern Sicherheit über die saubere Erzeugungsweise des eingesetzten Stroms gegeben werden. Dann steht einem neuen Energiezeitalter auch auf der Straße nichts mehr im Weg.