Mehrwert im gleichen Kulturkreis
- Written by Martin Szelgrad
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Raiffeisen Informatik Geschäftsführer Wilfried Pruschak über die IT-Märkte in Europa, den eigentlichen Wert von Outsourcing und den Umbau der Tochter PC-WARE.
Von Martin Szelgrad
Wilfried Pruschak ist langjähriger Geschäftsführer des heimischen Rechenzentrumsdienstleisters Raiffeisen Informatik. 2009 erwarben die Österreicher den Mehrheitsanteil am IT-Unternehmen PC-WARE mit Sitz in Leipzig. Gemeinsam mit ihren Töchtern erwirtschaftete Raiffeisen Informatik im vergangenen Jahr einen Umsatz von erstmals knapp 1,3 Milliarden Euro.
(+) plus: Seit vielen Jahren ist die Globalisierung im IT-Dienstleistungsgeschäft ein Trend, um Fixkosten in den Unternehmen in den Griff zu bekommen. Der Boom zur Auslagerung von IT-Ressourcen über Landesgrenzen hinweg scheint aber – zumindest medial – zuletzt abzunehmen. Man besinnt sich wieder auf lokale Partner. Was sind die treibenden Themen in dieser Diskussion?
Wilfried Pruschak: In Outsourcingpartnerschaften wird oft der Aufwand für Organisation und Koordination unterschätzt. Langfristig gesehen macht es eben einen Riesenunterschied, ob ein Unternehmen und sein IT-Partner im gleichen Wirtschafts- und Rechtsverständnis agieren und dieselbe Sprache sprechen. Kann ein Partner das Verhalten des anderen in bestimmten Situationen antizipieren, besteht in der Regel auch weniger Erklärungsbedarf. Unsere großen Kunden wie die Raiffeisen Bankengruppe, Uniqa, die Asfinag und Organisationen im Krankenhausbereich können damit optimal unterstützt werden.
Eine Auslagerung von IT-Diensten wird auch nicht nur aus Kostengründen alleine vorgenommen. Bei einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe entsteht auch ein dialektischer Mehrwert. Wir können in unserer Rolle als Techniker mit unseren Services neue Impulse für Unternehmen setzen. In diesen wiederum werden durch unsere Beratung vielleicht sogar neue Geschäftsmöglichkeiten angeregt. In Wirklichkeit sind dies die wahren Werte einer Zusammenarbeit.
Kein Outsourcingvertrag kann lückenlos jedes Szenario und jede erdenkliche Situation umfassen und bedenken. Hier geht es also stets darum, in Diskussionen aus zwei verschiedenen Standpunkten eine dritte, bereichernde, neue Idee zu kreieren. Wird die IT an einen Partner fernab des gewohnten Kulturkreises ausgelagert, ist eine solch gegenseitige Befruchtung vielleicht nur schwer möglich.
(+) plus: Wie ist das Jahr 2010 für Raiffeisen Informatik verlaufen?
Pruschak: Wir rechnen mit einem für uns fast überraschend guten Ergebnis im Konzern. Übers Jahr hatten wir noch erwartet, länger unter den Nachwehen der konjunkturellen Entwicklung zu leiden. Doch ist die konjunkturelle Entwicklung in einzelnen Regionen in Europa bereits früher angesprungen. Die Raiffeisen Informatik Gruppe wird für das Jahr 2010 deutlich über 1,2 Milliarden Umsatz schreiben. Das Konzernsegment IT-Services macht dabei rund 500 Millionen Euro aus, das Softwaregeschäft mit produktgebundenen Dienstleistungen rund 750 Millionen.
Interessanterweise ist in Deutschland die Wirtschaftskrise ein halbes Jahr bis zu einem Dreivierteljahr früher zu Ende gegangen als in Österreich. Dort konnte unsere Tochter PC-WARE bereits im letzten Quartal 2009 wieder eine positive Entwicklung verzeichnen. Zwar ist nicht gesagt, ob die konjunkturelle Delle auf immer und ewig aus der Welt ist – doch waren in Österreich diese Schübe, abwärts ebenso wie aufwärts, ohnehin verhaltener als in Resteuropa.
In den Benelux-Staaten und auch in UK sehen wir bereits sehr positive Signale für einen starken Aufwärtstrend. In Zentral- und Osteuropa ist die Lage regional sehr unterschiedlich. Viele Länder dort werden aber schnell wieder zu Wachstumszahlen rund um drei bis vier Prozent zurückkehren – rascher als die reiferen Märkte in Mitteleuropa. Das Wachstum ist teilweise trotzdem mit mehr Risiko verbunden, da in vielen Ländern die wirtschaftlichen und politischen Systeme grundsätzlich nicht so stabil wie beispielsweise in der Schweiz, in Deutschland oder in Österreich sind. In Osteuropa wird aber heuer zweifelsfrei die IT-Branche wieder eine starke Entwicklung nehmen.
(+) plus: Sind Sie mit dem Geschäftsverlauf der Raiffeisen Informatik Tochter PC-WARE zufrieden?
Pruschak: Wir haben dort restrukturiert und einiges in die Veränderung der Unternehmensgruppe investiert. Diese hat, wie man an einem überaus positiven Halbjahresergebnis sieht, sehr gutgetan, und wir sehen nun eine deutliche Trendentwicklung nach oben.
(+) plus: Die Strategie der Umstellung in Richtung IT-Services bei PC-WARE wird wohl einige Zeit dauern. Solch ein Thema ist wohl ein zäher Brocken.
Pruschak: Ich sehe dies relativ einfach. Die PC-WARE ist hervorragend mit zwei Geschäftssäulen aufgestellt – zum einen sind dies Standardsoftware und produktbezogene Services. Zum anderen ist die Tochter mit den klassischen IT-Services der Comparex Gruppe am Markt erfolgreich. Beide Geschäftsbereiche werden unabhängig voneinander weiterentwickelt und werden länderübergreifend über die Regionen hinweg bestehen bleiben. Es wird künftig zwar ein größeres Wachstum im IT-Dienstleistungsgeschäft geben, doch sind auch die prognostizierten Wachstumsraten im reinen Softwaregeschäft noch immer absolut interessant. Wir werden diesen Bereich also sicher nicht aufgeben.
Bei der PC-WARE wurden bis auf kleinere wenig ertragsfähige Bereiche keine Änderungen in der Geschäftspolitik unternommen. Bereiche, die in der Vergangenheit bei der Gruppe vielleicht kurzfristige Erfolgsgeschichten am Aktienmarkt brachten, langfristig aber nicht profitabel waren, wurden nun ordnungsgemäß heruntergefahren. So wurde beispielsweise in Deutschland eine 60 Mitarbeiter umfassende Sparte im Telefonie-Service-Bereich eingestellt. Sie könnte niemals eine kritische Masse am deutschen Markt erreichen. Bei den beiden Säulen Software und IT-Services bleiben wir aber weiterhin klar auf Linie.
(+) plus: Wenn wir Ihren Kernmarkt Österreich betrachten – in welchen Geschäftsbereichen ist Raiffeisen Informatik gewachsen?
Pruschak: Es gab ein relativ gutes Wachstum bei IT-Services sowohl außerhalb der Raiffeisen Bankengruppe als auch bei Raiffeisen International. Diese beiden Bereiche haben unser Rechenzentrumsgeschäft im vergangenen Jahr sehr positiv getrieben. Wir schätzen, dass wir alleine am heimischen Markt außerhalb der Raiffeisen Bankengruppe bereits 110 Millionen Euro Umsatz mit IT-Services machen. Innerhalb der Bankengruppe im klassischen Rechenzentrumsgeschäft wurden 2010 rund 150 Millionen Euro Umsatz gemacht.
(+) plus: Wie hat sich der Gesamtmarkt in IT-Services in Österreich 2010 entwickelt? Welche Tendenzen sind zu spüren?
Pruschak: Während es noch im Jahr 2009 knapp einen Rückgang gegeben hatte, wächst das IT-Dienstleistungsgeschäft nun wieder. Von konjunkturellen Entwicklungen betroffen waren eher einzelne Projekte bei Kunden, die aufgeschoben werden konnten. Der Bereich IT-Services wiederum ist langfristig stabil geblieben. Die IT ist zu einer lebenswichtigen Stütze der Wirtschaft geworden. Wir sehen jetzt auch in Österreich viele Faktoren, die wieder ein Wachstum steil nach oben vermuten lassen.
(+) plus: Die Post AG hat im letzten Jahr die volle Mehrheit an der gemeinsamen Zustelltochter Electronic Bill Presentment and Payment übernommen. Warum der Ausstieg aus der EBPP?
Pruschak: Vor zwei Jahren wurde bereits ein Minderheitsanteil der EBPP an die Österreichische Post AG verkauft, Mitte 2010 folgten die restlichen Anteile. Jene Leistungen, die wir als Rechenzentrumsbetreiber für die EBPP erbringen, bleiben aber unverändert. Die Kernkompetenz von Raiffeisen Informatik ist sicherlich nicht in erster Linie, Zustelldienst von elektronischen Schriftstücken zu sein. Wir haben die EBPP aus der Taufe gehoben und verstehen einiges von der technischen Abwicklung der Prozesse dahinter. Doch sollte nun für ein breites Wachstum am Markt ein Eigentümer dahinterstehen, der Zustelldienste als sein Kerngeschäft sieht. Wer könnte dies besser als die Österreichische Post? Wir werden weiterhin den IT-Hintergrund für die Transaktionen in der elektronischen Zustellung zu Verfügung stellen – müssen dabei aber nicht auch Eigentümer jenes Unternehmens sein, das diesen Service verkauft, vermarktet und bei den Konsumenten vertreibt.