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Bahn frei

Das System Bahn ist anders. »Daran haben sich schon ganze Managergenerationen die Zähne ausgebissen. Wer das nicht wirklich versteht, geht unter«, sagt Georg Fürnkranz, Geschäftsführer der Schienen-Control Gmbh (SCG), die in österreich als Rail-Regulator fungiert. Das »System Bahn« ist nicht nur anders, sondern auch höchst kompliziert. Bereits im kleinen österreich führt die Schaffung einer öBB-Holding und der darunter residierenden Einzelgesellschaften zu Verwerfungen. Im EU-Maßstab potenzieren sich die Probleme und Konflikte. Es geht um eher technische Fragen wie Spurbreiten, Lokführerscheine, Fahrplankoordination, Trassenvergabe, Sicherheit oder rechtliche Rahmenbedingungen. Also Dinge, die man unter Interoperabilität subsummieren kann, die garantiert, dass ein Güter- oder Personenverkehrszug ohne unnötige Verzögerungen und Behinderungen von Budapest nach Madrid fahren kann. Wer jemals ins Eisenbahnrecht auch nur hineingeschnuppert hat, weiß, dass bereits dieses »einfache« Unterfangen herkulische Dimensionen hat. Für Bürokraten ist auch die liberalisierte Eisenbahnlandschaft ein Schlaraffenland. Das beginnt in Brüssel mit der Europäischen Eisenbahnagentur ERA und endet erst in den Regionen. Natürlich wiehert auch in österreich der Amtsschimmel. Selbst mit vereinfachten Organisations-Charts könnte man eine Druckseite füllen. Im Wesentlichen spielen das Infrastrukturministerium und die Eisenbahnbehörde die Rolle des Eigentümers und Auftraggebers und regeln beispielsweise Konzessionen und Vorschriften, die Schienen-Control-Kommission hat die Wettbewerbsaufsicht, während ihre Geschäfte von der SCG geführt werden, die wiederum als Schlichtungsstelle oder Marktbeobachter fungiert. Dazu kommen noch diverse Sicherheits- und Verkehrsinspektorate, die SCHIG oder die Unfalluntersuchungsstelle. Zu allem überfluss sind dann einzelne Kompetenzen noch verländert und beschäftigen so auch die Bürokratien der Landesfürsten. Geht es um Geld oder Kompetenzen, liegen sich Bund, Länder und öBB dann auch schon in den Haaren. Im Gestrüpp von Fördermitteln, Gleisanschlüssen oder Finanzierungszuständigkeiten hat sich beispielsweise der burgenländische Privatbahnunternehmer Schuch verheddert.
Schuch betreibt im Sommer eine kleine »Märchenwaldbahn« am Neusiedlersee und wickelt beispielsweise ein paar lokale Rübentransporte ab - und beschäftigte damit jahrelang die Behörden. »Die Bürokratie ist nicht weniger geworden«, ächzt Rail-Regulator Georg Fürnkranz. Das vielzitierte »Europa der zwei Geschwindigkeiten« ist im Bahnsektor gleich mehrgleisig realisiert. Einerseits gibt es Länder mit vergleichsweise guter Infrastruktur, andererseits Länder wie Slowenien, wo diese kaum vorhanden oder schwer reparaturbedürftig ist. Da die Staatskassen leer sind und Private die Infrastrukturmilliarden kaum finanzieren wollen, wird sich diese Lücke auf absehbare Zeit nicht einfach schließen lassen. Wie eine Dampflok und der Hochgeschwindigkeitszug TGV verhalten sich auch die Umsetzungsgeschwindigkeiten der EU-Reformpakete in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Spanien, Schweden, die Niederlande, Großbritannien und einige andere können bereits auf eine rechtlich, organisatorisch und institutionell voll getrennte Infrastruktur verweisen, Brüssel kennt jedoch weitere drei Kategorien bis hin zu den Nachzüglern Irland und Nordirland. österreich liegt im hinteren Drittel. Multiple Geschwindigkeiten sind auch bei den Regulatoren selbst angesagt. In vielen Ostländern, aber auch in Schweden kümmern sich Regulierungsstellen in den Eisenbahnämtern um den Wettbewerb, andere wie österreich oder Deutschlang haben eigene Regulierungsbehörden, in Frankreich oder Dänemark liegen die Agenden hingegen in den Ministerien. Und dann gibt es als Sonderfall noch Italien. Dort ist die ehemalige Staatsbahn mehr derangiert als dereguliert. Hinter dem Brenner wird es zäh, Bürokratie und die Entdeckung der Langsamkeit bremsen den Zugverkehr aus. In der Branche gibt es ein geflügeltes Wort: »Wir fahren nach Italien. Die Frage ist nur, wie weit wir kommen.« Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Der Legende nach sollen in Italien schon ganze Züge spurlos verschwunden sein.
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