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Zuckerbrot und Peitsche

Rund um den Jahreswechsel herrscht unter den Kaffeesudlesern Hochkonjunktur. Astro-Tanten wie Frau Helga orakeln über Liebeshoroskope, der Trendforscher Matthias Horx stellt sich vorhersehbar mit einem neuen Buch ein, die Wirtschaftsforscher revidieren ihre Prognosen. Auch die Zunft der Börsenanalysten ist rührig. Da werden Kaufempfehlungen ausgesprochen oder zurückgenommen, einschlägige Medien drucken seitenweise Rankings- und Hitlisten ab. Die »Ostfantasie« ist nach wie vor ein Garant für freundliche Bewertungen, Konzerne wie die Wiener Städtische oder Raiffeisen sonnen sich in der Analystengunst. Bei der Agrana hingegen - obwohl im Ostgeschäft ebenfalls bestens verankert - wollte keine rechte Euphorie aufkommen. Katzenjammer freilich auch nicht. Die Analysten der Raiffeisen Centrobank haben beispielsweise das Kursziel und das Anlagevotum gesenkt. Die Anlageempfehlung lautete »Hold« statt »Buy«. Die Kollegen von Sal. Oppenheim waren hingegen optimistischer. Das Kursziel wurde zwar ebenfalls gekürzt, die Kaufempfehlung »Strong buy« jedoch beibehalten. Die Oppenheim-Experten erwarten für das Geschäftsjahr 2007/2008 Ergebnisse, die »lediglich« um das Vorjahresniveau pendeln. Und das soll bereits einiges heißen, denn vor allem im Zuckersektor findet gerade ein Ergebnismassaker statt, bei dem Einbrüche um die Hälfte eher die Regel als die Ausnahme sind.
Der Grund ist überall derselbe: Die weltweiten Rohstoffmärkte spielen verrückt. Gold knackte erst kürzlich die 900-Dollar-Marke und bewegt sich in Richtung der historischen 1000. Ein kleiner Händler trieb das Barrel öl kurzfristig über 100 Dollar und ging damit schon in die Geschichte ein. Der nächs­te Markstein wird wohl 150 Dollar sein - und das schneller, als der Wirtschaft lieb sein kann. Im amerikanischen Mittelwesten werden alte, seit Jahrzehnten stillgelegte Kupferminen wieder reaktiviert. Kupfer ist mittlerweile so teuer, dass sich fast schon der Abbau mit einem Sandkistenschauferl rechnet. Das ist auch einer der Gründe, warum Telekom-Unternehmen in ärmeren und nur schwer kontrollierbaren Weltgegenden wie Afrika oder Asien kaum mehr Kupferkabel verlegen. Diese werden umgehend wieder ausgegraben und landen als begehrter Nachschub auf den Rohstoffmärkten. Kakao wird knapp, möglicherweise das nächste begehrte Ziel für Spekulanten und Schokolade-Naschkatzen. Aber auch Bereiche, die Agrana unmittelbar tangieren, sind betroffen.
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