Musterländle
- Written by Redaktion_Report
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Die alemannischen Beamten sind emsig, Hunderttausende elektronisch abgewickelte Akten wurden bereits medienbruchfrei in das System eingespeist. Na ja, vielleicht nicht ganz medienbruchfrei. In manchen Verwaltungseinheiten soll trotz Hightech noch archaisch gearbeitet werden. Es rauschen dann beispielsweise Anträge zwar elektronisch herein, der darauf folgende Workflow ist aber alles andere als nach der reinen Managementlehre optimiert. »Da wird ausgedruckt und das Papier händisch von Abteilung zu Abteilung getragen«, ätzt ein Beobachter. Da dürfte dann zutreffen, was Landesvater Sausgruber einmal sinngemäß gesagt hat: »Wir sind nicht perfekt, aber wir geben uns Mühe.« Mühe, die auch anerkannt wird. In Sachen E-Government liegt Vorarlberg unter den Ländern im Spitzenfeld, bei einschlägigen Symposien und Workshops sind die lokalen Spezialisten auch bundesweit gefragte Referenten. Top ist auf jeden Fall das Landesportal, das auf einer Plattform des Linzer E-Government-Urgesteins Fabasoft aufgebaut ist. Das Contentmanagementsystem beherbergt auf den Servern mittlerweile gut 25.000 Seiten, das Angebot wird laufend erweitert.
»Global« denken, lokal handeln. Ganz nach dem Motto »Think global, act local« sind in die Realisierung aber auch örtliche Unternehmen eingebunden. Die Dornbirner VRZ realisierte als lokaler Fabasoft-Partner das Projekt »Digitale Formulare«. Mit - teilweise interaktiven - Webformularen können Unternehmen und Bürger den guten, alten Amtsweg radikal beschleunigen. Von der Abfallmengenmeldung für Biogasanlagen bis hin zur Sturzhelmbefreiung lassen sich mittlerweile gut drei Dutzend Amtsgeschäfte online abwickeln. Eine Mischung zwischen lokal und »global« verkörpert VRZ-Informatik-Chef Roland Hilbrand. Ganz im Sinn der grenzüberschreitenden Regionen dehnte er seinen Wirkungsbereich auch in die benachbarte Schweiz aus. Die St. Gallener Bluematic AG ist zu 97 Prozent im Besitz des Dornbirner Familienunternehmens. Der knapp sechzigjährige KMU-Patriarch hat im Grenzland fast schon ein kleines Imperium aufgebaut. Die VRZ hat rund sechzig Mitarbeiter und zählt damit zu den größten Systemhäusern im Grenzland. Wie wichtig KMU für österreich sind, zeigt sich in Details. Hilbrand denkt nicht nur an seine Familienmitglieder, sondern kümmert sich - Lehrlingskrise hin oder her - auch mustergültig um den IT-Nachwuchs. Und heimste dafür eine Ehrung als »ausgezeichneter Lehrbetrieb« ein. Die Kombination aus Bodenhaftung und grenzüberschreitendem Weitblick scheint tatsächlich eine Vorarlberger Eigenschaft zu sein.
Auch der Dornbirner Softwareentwickler Consolidate reiht sich ein. Der Gründerchef Christian Bickel, fast zwei Generationen jünger als Hilbrand, verzichtet auf hinfälligen Glamour à la Yline & Co. »Er ist Familienvater und hat ein Haus«, ist fast schon alles, was einem Freund zum Privatleben einfällt. Dass Bickel seine Leidenschaft als Informatiker zum Beruf gemacht hat und in vier Ländern aktiv ist, muss man schon herauskitzeln. Die Consolidate beschäftigt knapp zwanzig Mitarbeiter, die Hälfte davon in der Entwicklung. Der Wirkungskreis ist dafür allerdings vergleichsweise groß. Beim E-Government punktet man mit der hauseigenen Software beispielsweise in Lech, Wolfurt oder Lochau am Bodensee. Firmenintern sieht Bickel die E-Government-Anwendungen bescheidenerweise eher als Nebenprodukt. Der ursprüngliche Fokus liege eher bei Mittelstand, Gewerbe oder Steuerberatern. Dort seien die Entscheidungszyklen kürzer, wie er meint. »Wenn wir unsere Software vorstellen, hören wir oft, dass man genau diese Lösung gesucht hat«, so Bickel. Budgetnöte hin oder her, immer mehr Gemeinden setzen auf Lösungen von Consolidate. Wie es sich für das Grenzland gehört, ist Consolidate auch im benachbarten Ausland aktiv. Im Raum Basel setzen mehrere Gemeinden bereits auf die österreichische Software, mit Südtirol wird verhandelt, nach Deutschland will Consolidate weiter expandieren. Zu den illustren Kunden zählt mittlerweile das Schweizer Institut für geistiges Eigentum - besser bekannt unter dem alten Namen Berner Patentamt, wo einst das Physikgenie Albert Einstein seine Brötchen verdiente.