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Zwischen Chance und Vorurteil

Von Maren Beaufort

Ein Argument für den Einsatz von Voice-over-IP ist das Einsparungspotenzial - der Mehrwert im Businessalltag ein anderes: Verschmolzene Daten- und Sprachkommunikation erlaubt in logischer Konsequenz die Einbindung von Sprache, Daten, Fax und Mail in ein einziges System, im Idealfall mit derselben Oberfläche. Als Unified Messaging betitelt, ist so der Traum vieler Prozessoptimierer realisiert, denn: Erhöht wird nicht nur die Flexibilität, sondern auch die Schnelligkeit der Arbeitsabläufe.

Weitere Anwendungsszenarien sind mittels CTI (Computer Telephony Integration) vorstellbar: das automatische Aufscheinen relevanter Kundendaten am Bildschirm, sobald diese anrufen, oder die Integration von Video- sowie Word-, Excel- und Powerpoint-Dateien in Telefonkonferenzen. Nicht zuletzt erweitert die professionellere Integration mobiler Mitarbeiter und Homeworker die lange »List of Possibilities«: VoIP-Anschlüsse können dann mit ein und derselben Nummer dort verfügbar sein, wo sie an das Datennetz gehängt werden. Egal mit welchem Endgerät und an welchem Ort - innerhalb eines Gebäudes, in einem anderen Land oder im Flugzeug.

Telefoniert wird mittels IP-fähiger Telefone, VoIP-Handsets, Softphones am PC oder mithilfe von Hybridlösungen durch die Einbindung bestehender Hardware. »Adds, moves and changes« im Falle neuer oder umsiedelnder Mitarbeiter entfallen jedenfalls - einschließlich Verkabelung. Die Telefone bleiben, wo sie sind, die Mitarbeiter inklusive persönlicher Konfiguration switchen geschmeidig von Apparat zu Apparat.

Für Heimarbeitsplätze bedarf es lediglich eines Breitbandanschlusses, über den sich das Endgerät durch einen sicheren VPN-Tunnel an der Telefonanlage anmeldet. Ausgehende Gespräche werden so mit der Firmenkennung aufgebaut, eingehende Anrufe werden über die Zentrale weitergeleitet. Der Anrufer erkennt damit nicht, wo sich sein Gegenüber befindet. Sogar die Features der Kernanlage stehen dem externen Mitarbeiter zur Verfügung.

VoIP goes mobile. Kaum hat sich Voice-over-IP als Ersatz für die kabelgebundene Telefonie etabliert, schwappt der Hype auch auf WLAN über. Der bisherigen Zurückhaltung im professionellen Bereich liegen vornehmlich Quality-of-Service-Bedenken zugrunde. Sobald mehrere Benutzer auf ein WLAN zugreifen, entstehen Aussetzer und Gesprächsabbrüche. Ein mögliches Gegenmittel ist die Einrichtung von Virtual LANs (VLANs). Hierbei wird ein logisches Subnetz im Funknetz definiert und folglich garantierte Bandbreite gegenüber anderen Anwendungen reserviert. Ein IP-Handy fungiert somit als Nebenstelle im VoIP-Netz. Aktuell besonders hip: Dual-Mode-Handys für Internettelefonie und Mobilfunk. Diese können innerhalb der heiligen Bürohallen über den DSL-Anschluss telefonieren, während sie sich unterwegs ins Mobilfunknetz einbuchen.

Wie sicher ist VoIP? Die Security-Debatte ist nach wie vor für etwa sechs Prozent der Unternehmen Hauptgrund, die Finger von der Voice-Integration zu lassen. Der Grund: Salopp gesagt holt man sich mit VoIP all die potenziellen Probleme ins Haus, die man bisher nur vom Internet kannte. Einerseits ist das nicht verkehrt, andererseits nicht differenziert genug. Vor allem Anbieter und Systemintegratoren halten diese Paranoia für übertrieben: Die übertragung über Datennetze sei heute wesentlich besser geschützt als die herkömmlicher Telefonie. Natürlich muss man in diesem Punkt zwischen Internettelefonie für Otto Normalverbraucher à la Skype und VoIP, wie es größeren Unternehmen via abgeschotteten Netzen oder VPN zur Verfügung steht, unterscheiden. »Internettelefonie birgt Gefahren, IP-Telefonie Chancen«, ist das Schlagwort der Business-Provider.

Auch bezüglich Serviceverfügbarkeit beruhigt die Anbieterseite: Mit einer gut durchdachten Priorisierung kann eine der herkömmlichen Telefonie vergleichbare Qualität erzielt werden. Dennoch - man begibt sich einen Schritt weiter in Richtung Abhängigkeit von Upgrades, Patches und Releases. Nicht zwangsläufig ein Negativum: Hat man früher in Telko-Hardware investiert, war man dieser auf Gedeih und Verderb ausgeliefert - jedenfalls bis zum Tag X ihrer Abschreibung. Dank Updates lassen sich Arbeitsmittel heute sehr viel leichter an den Stand der Technik anpassen - ganz ohne neuerliche Großinvestitionen. Und realistisch gesehen ist eine grundsätzliche Abhängigkeit von IT - VoIP hin oder her - gegenwärtig ohnehin nicht mehr zu leugnen.

Wenn Spam klingeln lernt. Ein heute kontrovers diskutiertes Thema ist Spam-over-Internet-Telephony - bekannt als »SPIT«. Erwartet uns allen Ernstes Reklame für Superkredite, Alarmanlagen und Potenzhelferchen nun auch durch den Hörer? Trotz wachsender Userzahlen lassen derartige Attacken bis dato auf sich warten. Denn: Im Vergleich zu Spam über E-Mail ist der kostenlose, automatisierte Versand von Sprachnachrichten nicht simpel.

Erheblicher Bandbreitenbedarf, Authentifizierung und bis dato noch mangelnde Bekanntheit von IP-Adressbereichen sind die wesentlichsten Unterschiede. Mit dem Volumen einer durchschnittlichen Spam-Mail lässt sich gerade einmal eine Sekunde Sprache übertragen. Solange also Bandbreite mit ihrem derzeitigen Marktwert gehandelt wird, funktioniert das ökonomische Kalkül für Spitting trotz höherem Wirkungsgrad vergleichsweise schlecht.

Der Geschäftsalltag. Wie die jüngste Studie der Regulierungsbehörde RTR »Erhebung Nase« zeigt, ist VoIP bereits rund 55 Prozent der österreichischen Unternehmen ein Begriff. Besonders deutlich ist der Bekanntheitsgrad mit 88 Prozent in größeren Firmen mit über hundert Beschäftigten. Auch im Dienstleistungssektor und überall dort, wo häufig ins Ausland telefoniert wird, ist VoIP überproportional geläufig; im Bauwesen mit nur 36 Prozent dagegen wenig. Durchschnittlich telefonieren aktuell sechs Prozent aller österreichischen Betriebe über IP. Weitere zwölf Prozent planen den Einsatz in den nächsten zwei Jahren, 33 Prozent sprechen sich vorerst dagegen aus. Auch in diesem Kontext sind größere Unternehmen nachhaltiger mit der neuen Technologie vertraut als Klein- und Mittelbetriebe. Noch werden hauptsächlich Gespräche ins Ausland mittels VoIP geführt. Anrufe ins Mobilnetz, ins inländische Festnetz und vor allem von IP zu IP sollen allerdings bald nachziehen. Für 84 Prozent der Business-User sind die günstigen Verbindungsentgelte Hauptargument für den Einsatz von VoIP. Gefolgt von »Einheitliches Netz für Daten und Telefon« und »Anschluss an neue Entwicklungen nicht verpassen«. Bezüglich der wahrgenommenen Nachteile gibt es partielle Unterschiede abhängig vom Einsatz im Unternehmen. Die größten Einstiegshürden sind »Vertrautheit herkömmlicher Technologie«, »Umrüstungskosten« und »unausgereifte Technologie«, während Firmen, die bereits VoIP einsetzen, sich eher an der heute noch teils mangelnden Gesprächsqualität stören.

Unabhängig von ihrer Ausprägung ist eine Voraussetzung für die Verbreitung von VoIP die bundesweite Breitbandpenetration. Momentan liegt diese nach Daten der RTR-Befragung bei knapp der Hälfte aller österreichischen Unternehmen.

Die Anbieter. Während es für den Privatanwender üblicherweise nicht von existenzieller Bedeutung ist, ob er sich nun für Skype, Sipgate oder einen der anderen - auch UPC bietet mit Inode nun VoIP - Provider entscheidet, sollten sich dies Businessanwender gut überlegen. VoIP bieten zwar viele, allerdings zu sehr unterschiedlichen Konditionen. Wie denn nun die angepriesenen Kosteneinsparungen erreicht werden oder ein entsprechender Mehrwert generiert wird, kommt immer auf den Einzelfall an. Daher sollte zunächst unternehmensintern geklärt werden, was das neue System können soll und wie man dieses verständig einführen kann. In den meisten Fällen scheint eine »sanfte Migration« mittels Hybridlösungen sinnvoll. Im Einzelfall ist auch ein kompletter Neuaufbau zweckmäßig. Ob nun direkt bei Telcos wie Telekom Austria, eTel, Tele2UTA, UPC/Inode oder bei Systemintegratoren und Herstellern wie NextiraOne, T-Systems, CSC oder Kapsch - die Angebote sollten sorgfältig verglichen werden.

VoIP rettet Leben
Mehr als 700 Rettungsfahrzeuge, fünf Hubschrauber und 27 Notarzteinsatzmittel - vom Roten Kreuz über die öAMTC Christophorus Flugrettung bis zur Bergrettung - koordiniert die Nö-Rettungsleitstelle nunmehr via VoIP. »Mit der neuen Lösung der Telekom Austria kann jeder Mitarbeiter zu jeder Zeit die exakte Position all dieser Einsatzkräfte ermitteln«, erklärt Geschäftsführer Carl Heinz Langer.
»Noch bevor wir ein Telefonat entgegennehmen, erkennen wir den Aufenthaltsort des Anrufers und können uns über dessen Krankengeschichte informieren, sofern diese in die zugehörige Datenbank integriert wurde.« Auch priorisiert das System bei den rund 14.000 täglichen Anrufen einen echten Notruf höher als Krankentransportanforderungen oder Serviceanfragen. Ein Notruf soll per Definition binnen vier Sekunden bearbeitet werden, was bisher nur die wenigsten Blaulichtunternehmen realisieren. »Mit dem neuen System schaffen wir es«, ist Langer mit seiner Investition zufrieden. Den größten Mehrwert für die LEBIG (Leitstellen-, Entwicklungs-, Betriebs- und Integrationsgesellschaft m. b. H.) sieht er daher nicht nur in den flexiblen Arbeitsabläufen und der verbesserten internen Kommunikation, sondern auch in der optimierten Kundenbetreuung.
Kommunikationsnetz rund um den Globus
Die Implementierung einer State-of-the-art IP-Telefonielösung inklusive der Integration von weltweit 111 Botschaften und Konsulaten in die Netzinfrastruktur führt das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten in ein neues Kommunikationszeitalter.
Als bundesweit erstes Ministerium setzt das BMaA auf eine konvergente VoIP-Lösung und stellt damit seine Vorreiterrolle im Hinblick auf den Einsatz neuer Technologien erneut unter Beweis. Das vorhandene TK-System war 13 Jahre alt. Oberstes Ziel war daher die Investition in eine zukunftssichere Lösung. Eine der größten Herausforderungen dabei: Die Integration bestehender Infrastruktur in das Netzwerk, denn die gemeinsame Vermittlung mit dem Bundeskanzleramt und der dort weiterhin genutzten klassischen Telefonanlage wurde beibehalten. »Im Umgang mit Steuergeldern sind keine Experimente zulässig«, beschreibt Wolfgang Loibl, Leiter der Sektion VI (Administrative Angelegenheiten, Infrastruktur), warum man im Ministerium neue Trends und Technologien immer erst kritisch beäugt. »Mit NextiraOne setzen wir ein IP-Telefonie-Projekt mit ausgereifter Technologie um, die uns erheblichen Nutzen bringt.« Nach den Implementierungen in Wien, München und Valetta werden nun sukzessiv sämtliche Außenstellen rund um den Globus integriert.
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