Die Storageindustrie: Nach wie vor ist sie jener IT-Zweig, der die Softwareentwicklung aktuell am nachhaltigsten in Anspruch nimmt. Das Speichermanagement unter Verwendung interoperabler Schnittstellenstandards ist einer der wesentlichsten Bestandteile dessen, was binnen weniger als einem Jahr unter dem Titel Enterprise Management Software wirklich werden soll: Eine mitunter auch global einsetzbare Softwareumgebung, die sowohl den Mainframebereich, die NT- und UNIX-Server-Welt, die Unzahl an dicken und dünnen Clients, einen vernetzten Storagepool ebenso wie Embedded Systems in Autos, Kraftwerken oder Bewässerungsanlagen miteinschließt, indem sie all diese Subsysteme grafisch aufbereitet, via Standardprotokolle verbindet und policy-based den Securityansprüchen Rechnung trägt.
Bluefin all over. »Nun haben wir eine klare Vision, einen groundbreaking approach«, sagt Hitachi-Data-Systems-Stratege Vincent Francischini, der sich innerhalb der Storage Management Initiative, einer Untergruppe der Storage Network Industrie Association (SNIA), für den vor eineinhalb Jahren von 16 Unternehmen - darunter IBM, HP und EMC - ausgetüftelten Speicherstandard Bluefin engagiert. »Fibre-Channel-Technologie wird das High-End-Storage in den nächsten Jahren dominieren - ein einheitlicher Standard, den möglichst alle Hersteller unterstützen, ist daher für die gesamte Industrie extrem wichtig.«
»Verlangt wird von Kunden heute Flexibilität beim Hinzufügen bzw. Entfernen neuer Softwaretools, gefragt ist Managementsoftware.« Und zwar auf Applikationsebene, »denn die Anwendungen müssen wirklich tightly in die Enterprise Management Software eingebunden werden«. Worum es also letztlich geht? »Es geht darum, die switching guys, die Abteilung der tape libraries, die Hersteller von Disk-Systemen und natürlich alle software vendors unter einen Hut zu bringen.«
Visualisierung zuerst, Virtualisierung folgt. Der Hype des letzten Jahres rund um die Virtualisierung der Storage-Ressourcen in einem zentralen Softwarepool ist vorerst also auf Eis gelegt - die White-Paper-Welle ist gestoppt. »All das wird dauern«, sagt Francischini, »wirkliche Integration ist angesagt.« HDS selbst will bis Jahresende die ersten Bluefin-Speicherprodukte auf den Markt bringen und »spätestens in einem Jahr« die vollständig unternehmensweite Softwaremanagementplattform namens HiCommand Framework fertig gebastelt haben. Und was sagen Sie zur neuen Nummer eins? Ja, das ist Hewlett Packard. »Surprising. Im High-End-Markt?«
Die neue Nummer eins. Howard Elias leitet die globalen Network Storage Solutions von HP. Im Report-Gespräch betont er die nach dem Merger mit Compaq entstandene Vormachtstellung von HP in jedem zweiten Satz: »Es braucht eine Weile für EMC, um zu begreifen, nicht mehr die Nummer eins zu sein. HP ist die Nummer eins in Sachen Storage. Während EMC etwa seit Anfang 2001 rund 50 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen musste, konnten wir dagegen stark wachsen.«
Die neue Nummer eins: Und zwar in zehn von elf verschiedenen Marktsegmenten, die IDC quartalsweise durchleuchtet. »Wir verkaufen aktuell sechs Mal mehr SANs als die nächsten sechs Konkurrenten.« Nein, es stimme definitiv nicht mehr, dass HP/Compaq nur im Midrangebereich punkten könne: Vielmehr deckt der neue Storageriese sowohl die traditionellen monolithischen Lösungen für den High-End-Bereich ab wie auch das Open-View-Management sowie modulare Ansätze. Was den aktuellen Drive ausmacht, das umschreibt Elias mit Utility Level - den Pay-as-you-grow-Modellen, die Speicherkapazitäten vergleichbar den Stromanbietern je nach Bedarf zustellen. »Und dafür haben wir auch schon Kunden in Europa, etwa BMW und ABB. Wir bemerken einen absoluten Move zu Netzwerksolutions. Was die Kunden wollen, ist Integration. Gefragt ist ein Data-Lifecycle-Management under one point.«
Die von EMC im Mai eingeführte Vision des Fixed Content-Storage in Form der Centera-Plattform nennt Elias geringschätzig »den Versuch, ein weiteres Island zu kreieren«.
Denn: »Niemand will proprietäre Lösungen mehr. Diese Zeit ist vorbei. Wissen Sie, ich erinnere mich, wie seinerzeit Mike Ruettgers noch den Analysten erzählte, dass praktisch 100 Prozent seiner Kunden ihn aus technischen Gründen nicht verlassen können. Centera soll eben diese Abhängigkeiten fortführen. Wir glauben aber, dass dieser Ansatz nicht mehr adäquat ist.«
EMC öffnet sich. Trotzdem haben HP und EMC Ende Juli ebenso den Austausch von Programmierschnittstellen vereinbart, mit dem Ziel »Interoperabilität von Speichermanagementlösungen voranzutreiben«. EMC hat zudem eine Fünfjahreskooperation mit Accenture abgeschlossen, wodurch die neu gegründete »Information Storage Solutions Group« Unternehmen bei der Planung und Implementierung offener, plattformunabhängiger Speicherlösungen beraten soll. Während der bisherige Support von EMC ausschließlich auf EMC-spezifische Technologien ausgerichtet war, schließt das neue Angebot nunmehr heterogene Speicherumgebungen insgesamt ein. überhaupt: »Nachdem wir mit unserer AutoIS-Strategie begonnen haben, plattformunabhängige Softwarelösungen anzubieten, entwickeln wir jetzt die komplette Bandbreite an Beratungsdienstleistungen für heterogene Speicherumgebungen«, so das offizielle EMC-Wording.
Wie auch immer: Hinter vorgehaltener Hand spricht die EMC-Konkurrenz geschlossen immer wieder von »Abhängigkeiten«, die eigentlich keiner mehr will. Für EMC steht also ein hartes Stück Arbeit bevor, eben dieses Image langsam abzulegen.
Der grosse API-Exchange. Arbeit, die vorrangig darin besteht, die intellectual properties zu schützen, aber dennoch mit den Konkurrenzprodukten runable zu werden. »Es ist das große Ringen um den kleinsten gemeinsamen Nenner, der sich in Spezifikationen für den wechselseitigen Managementzugriff der jeweiligen Systeme manifestiert«, beschreibt es Martin Regli, der von der Schweiz aus die HP-Storage-Products für Europa über hat. Und noch etwas sagt er: »Bluefin geht uns eigentlich zu langsam. Wir wollen den API-Austausch früher.« Ebenso hat die SAN-basierende Virtualisierung - der Storage-Tank - für HP schneller fertig zu sein. »VersaStor ist im Betatest bei Microsoft. Virtualisierung kommt 2003.«
API - Application Programming Interface - ist das Zauberkürzel. Und HP - mit »wenig Vertrauen in diese Gremien wie die SNIA« - entpuppt sich momentan als »neutraler« Gewinner im High-End-Markt, dadurch, rund ein halbes Jahr früher via Schnittstellenaustausch auf die Fremdsysteme von IBM, EMC und HDS zugreifen zu können.
Entscheidend ist auch, wie Elmar Furtenbach, Marketingmanager für HP österreich, den Charakter der Computerriesen beschreibt: »Wir werden immer grauer«, sagt er, »und die Auftragsabonnements früherer Zeiten sind heute nur noch als trusted advisor zu realisieren. Und mit flexibleren Produkten als die Konkurrenz. Und die haben wir.« Ach ja, und noch etwas: »Eins und eins bleibt weiterhin zwei«, unterstreicht er die Post-Merger-Strategie - die Businessvolumina von HP und Compaq sollen nach der Fusion nicht weniger werden. All das kann man auch so umschreiben: Die Zeit, in der Hard- und Softwarehersteller ihre eigene Welt kreierten, ist endgültig vorbei. Jetzt wird das Modell namens IBM allseits kopiert, das weniger das Produkt, sondern cool das Consulting in den Vordergrund rückt und im Hintergrund einen Stoß Patente anhäuft.
Und Christian Buxbaum, der Storage-Seller für IBM österreich, hat seine Lektion gelernt: »Management, Zugriffszeiten - all das interessiert den Kunden nur am Rande. Was er wirklich haben will, das ist always readyness. Und daher ist das Bekenntnis zu einem einzigen Recoverykonzept mittlerweile unumgänglich.« Daher auch eine Total Storage Solution namens SHARK, die »für alle Betriebssysteme tauglich und remote steuerbar ist«, daher auch eine »aktive öffnung«, daher auch NAS-Lösungen »von der Pizzabox mit 480 GB bis hin zu 6,8 TB-Lösungen«.
Politische Speichertreiber. Fest steht denn auch, dass die Gesetzgeber den Storageherstellern international sehr entgegenkommen und das Geschäft enorm ankurbeln werden. In den USA hat etwa kürzlich die SEC entschieden, dass Investmentbanken ihre Geschäftsmails zehn Jahre lang aufzubewahren haben - ansonsten eine Zehn-Millionen-Dollar-Pönale verrechnet würde. In österreich wird das Projekt E-Government vermutlich alleine die digitalen Daten verdoppeln. Die in Planung befindliche digitale Archivierungspflicht aller Belege für Unternehmen wird ein Weiteres bewirken. Und die von der EU überlegte Speicherpflicht von Verbindungsdaten der Telekomprovider auf längere Sicht erst recht …