Was der Körper über uns verrät
- Written by Redaktion
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Wir geben uns viel Mühe, Sprachen zu erlernen. Englisch steht international hoch im Kurs, auch die Sprachen der Länder, die gerade wirtschaftlich boomen, verbreiten sich über die Welt. Doch die Kunst der Sprache, die über alle Grenzen hinweg gesprochen wird, verschwindet zunehmend ins Unterbewusste: die Körpersprache.
Von Karl Heinz A. Lorenz
Kommuniziert wird viel und oft. Wir leben in einer Welt, in der Information und Kommunikation inzwischen eine außergewöhnlich hohe Dominanz in allen Lebensbereichen ausübt. Doch sind wir auch besser geworden im Verstehen dessen, was wir aufnehmen, und haben wir gelernt, uns deutlicher auszudrücken, damit unsere Botschaften wirklich ankommen? Vieles spricht dagegen.
Gerade in modernen Unternehmen und Organisationen leiden Mitarbeiter und Führungskräfte unter der Informationsflut. Der überfüllte Maileingang dominiert zunehmend unseren Arbeits- und Tagesablauf. Wir informieren uns auf Online-Foren, treten Communitys bei und surfen durch virtuelle Welten. Der Aufwand dafür ist enorm hoch. Viele Menschen sind inzwischen beruflich wie privat quasi lückenlos »online«. Gut informiert zu sein suggeriert Wissensvorsprung. Doch es bleibt zu wenig Zeit für eine konzentrierte Verarbeitung und noch weniger Zeit für die direkte Kommunikation und Begegnung mit Gesprächspartnern. Unsere ureigensten, höchst menschlichen Fähigkeiten der Wahrnehmung, allen voran die Verständigung mit körpersprachlichen Signalen, befinden sich dadurch in einem Prozess zunehmender Degeneration. Ungenutzt und ungeübt verstecken sie sich immer mehr im Unterbewussten. Je weniger Übung wir in der Interpretation von Körpersprache haben, desto weniger nutzen wir sie gezielt in unseren Gesprächen. Weniger Übung, sinkende Körpersprachekompetenz – eine Spirale, die steil nach unten führt und die sich selbst nährt.
Der Körper spricht für unsere Seele
Die allererste Sprache, die wir Menschen erlernen und zeigen, ist die Körpersprache. Egal, ob wir uns wohlfühlen, Hunger verspüren, Zuneigung oder einfach mal unsere Ruhe brauchen – schon als Baby und Kleinkind drücken wir uns recht klar aus. Die Fähigkeit zu dieser Sprache ist uns quasi in die Wiege gelegt und geht – im Prinzip – nie wieder verloren. Wenn wir sie allerdings nicht bewusst gebrauchen, uns nicht im Lesen dieser Sprache üben, dann gerät sie ins Unterbewusste und außerhalb unserer kognitiven Reichweite. Wir fühlen und ahnen dann zwar etwas bei der Wahrnehmung, können jedoch die Signale nur wenig konkret in unser Kommunikationsverhalten einbeziehen. Körpersprache benötigt ebenso Übung im Gebrauch wie alle anderen Ausdrucksformen, über die wir verfügen. Die Signale auf körpersprachlicher Ebene entsprechen nicht direkt unserer verbalen Sprache, die wir ja laufend gebrauchen. Sie ist sehr viel enger mit unseren Emotionen als mit unserem Verstand verknüpft. Samy Molcho, Pantomime und Lehrer, drückte das einmal wunderbar aus: »Der Körper ist der Handschuh der Seele, seine Sprache das Wort des Herzens«. Und unser Gefühl lügt nicht. Der Verstand mag planen, kalkulieren und bewusstes Verhalten an den Tag legen. Unser Gefühl findet jedoch im Hier und Jetzt statt, es ist akut und momentbezogen. Körpersprache ist eine unmittelbare Reaktion auf alles, was in unserer direkten Umgebung für uns wahrnehmbar passiert – vor allem in direkten Kommunikationssituationen. Sie spricht und drückt aus, was in uns passiert, welche Haltung wir zu etwas einnehmen, welche Gefühle wir beispielsweise zu einer Sache oder einem Gesprächspartner hegen.
Erst Kontext schafft Klarheit
Körpersprache zeigt oft sehr viel mehr und sehr viel deutlicher, was unser Mund verkündet. Manchmal sogar das Gegenteil, denn nicht alles, was wir fühlen, geben wir in Form von Worten unserer Umwelt bekannt. Wie nun können wir diese Signale entschlüsseln, für uns verständlich machen und nutzen? Dazu sollten wir schon einmal zwei Signalrichtungen unterscheiden. Es gibt Signale, die eine Art bewusste Vereinbarung sind, beispielsweise, wenn wir mit unseren Händen und Fingern zählen: eins, zwei, drei. Hier weiß unser Gesprächspartner recht genau, dass es sich hier um einen Zahlencode handelt. Von diesen Signalen gibt es viele und sie sind mit dem Kulturkreis, in dem sie angewandt werden, verbunden. Beispiel: Während wir in Österreich und Deutschland von der geschlossenen Hand einen Finger nach dem anderen ausstrecken, um hochzuzählen, findet das in Süditalien die genau umgekehrte Entsprechung: Dort wird von den ausgestreckten Fingern einer nach dem anderen geschlossen, um hochzuzählen. Für all diese bewusst vereinbarten Signale brauchen wir also den »ortsüblichen« Code, der sich aus der jeweiligen Kultur heraus ergibt. Die dem Menschen angeborenen Signale sind dagegen über Kulturgrenzen hinweg verständlich. Sie leiten sich im Wesentlichen von unseren Körperfunktionen ab bzw. von den Körperteilen, die damit verbunden sind. Beispiele: Fassen wir uns während eines Gesprächs als direkte Reaktion auf eine Äußerung des Gegenübers ans Ohr, so kann das bedeuten: »Ich habe das noch nicht ganz verstanden.« So, als würden wir die Funktionstüchtigkeit unseres Ohres überprüfen. Fassen wir uns dagegen in einer gleichen Situation an die Nase oder kneifen sie sogar zu, so kann das bedeuten: »Das, was du mir gerade sagst, stinkt mir. Ich kneife mir die Nase zu, damit ich es nicht riechen muss.« Doch ist das immer so? Jein. Körpersprache findet immer und stets im Kontext des sonstigen Geschehens statt. Unsere Nase kann also einfach nur gejuckt haben, weil wir gerade Schnupfen haben, und ans Ohr haben wir uns gefasst, weil uns die halblangen Haare kitzelten. Haltung, Mimik und Gestik sind gekoppelt an alle Vorgänge und Ereignisse während eines Kommunikationsvorgangs. Daher werden sie erst dann »sprechend« und aussagekräftig, wenn diese kombiniert wahrgenommen und interpretiert werden.
Offen oder verschlossen, wahr oder falsch?
Grundlegende körpersprachliche Elemente sind das Öffnen und das Schließen, sich eben offen oder verschlossen zu zeigen. Eine entgegengestreckte, offene Hand bietet an, verschränkte Arme dagegen wehren eher ab. Ein offener Gesichtsausdruck signalisiert: »Ich bin offen für deine Ideen und Gedanken.« Zusammengekniffene Augen machen Skepsis deutlich. Die Kombination dieser Signale, denn alles passiert in Echtzeit, zeigt dem bewusst Wahrnehmenden recht deutlich an, ob sein Gegenüber dem Pfad der Wahrheit folgt, mit seiner Meinung hinter dem Berg hält oder sogar lügt. Einfach zu erkennen? Nein, nicht einfach. Aber mit Wissen und Training durchaus erlernbar.
Spannende Einsatzmöglichkeiten warten auf Sie
Für Professionals in Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch für kommunikationsstarke Privatpersonen bildet die Entschlüsselung der Körpersprache ganz hervorragende Möglichkeiten, ihre Kommunikations- bzw. Verhandlungskompetenz zu erweitern. Gesprächspartner können besser verstanden und die eigenen Botschaften klarer und wirkungsvoller mitgeteilt werden.
Ob in politischen Begegnungen oder in Gesprächen zwischen Unternehmer und Betriebsräten, ob in Verkaufssituationen oder in Auseinandersetzungen mit Menschen, mit denen wir Wichtiges zu klären haben – wir sind als Menschen einfach darauf angewiesen, eine gut funktionierende Kommunikation zu erreichen, so oft wie nur möglich. Wir wollen wissen, ob unsere Gesprächspartner tatsächlich meinen, was sie sagen. Wir wollen wissen, woran wir sind und wie wir auch selbst zu den Dingen stehen, die erörtert werden. Körpersprache lässt sich gut erlernen und trainieren. Für ganz besondere Fälle kann heute darüber hinaus ein Körpersprachecoach hinzugezogen werden, zum Beispiel als Begleiter bei Verhandlungen. Er übernimmt dann die Aufgabe, parallel zur verbalen Auseinandersetzung über die laufende Analyse der körpersprachlichen Signale mehr Klarheit über den oder die Gesprächspartner zu erhalten: Wer sagt die Wahrheit, wer lügt? Wer hat Zweifel, wer fühlt sich sicher? Kompetenz in Körpersprache: Mehr »in« als je zuvor.
>> Der Autor:
Karl Heinz Lorenz (47), Diplom Betriebswirt (DH), Managementtrainer, Berater und Hochschuldozent, ist Inhaber von LORENZ-SEMINARE Personality- & Competence-Training,
Weidenthal und Autor »Typisch Kunde!«, erschienen im Lorenz Verlag Elmstein
www.lorenz-verlag.de.
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