Gründerfieber
- Written by Mag. Angela Heissenberger
- font size decrease font size increase font size
185 Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren in junge, innovative Unternehmen fließen. Doch ist das Geld sinnvoll investiert? Von zehn Start-ups schaffen es nur zwei. Eine gute Idee allein reicht nicht.
Im Detail: ⇒ Woran Start-ups scheitern
Sie sind jung, innovativ, häufig technologiegetrieben und in Bezug auf Umsatz und Mitarbeiter stark wachsend. Auf rund 1.000 Unternehmen in Österreich trifft diese Definition der Kategorie »Start-up« zu. Doppelt so viele sollen es nach dem Wunsch der Bundesregierung werden. Diese schnürte im Juli 2016 ein 185 Millionen Euro schweres Förderpaket, zusätzlich stehen 100 Millionen Euro an Garantien für innovative Unternehmen bereit. Rund 10.000 bis 15.000 Jobs sollen auf diesem Weg entstehen.
Der Löwenanteil entfällt auf die Verringerung der Lohnnebenkosten in den ersten drei Jahren. Fünf Millionen Euro extra gibt es u.a. für den Business-Angel-Fonds, für die Seed-Finanzierung in der Frühphase sind weitere 20 Millionen Euro vorgesehen. Mit fünf Millionen Euro werden Unternehmensgründungen gefördert, die aus Forschungsarbeiten an den Universitäten entstehen. Die ETH Zürich soll diesbezüglich als Vorbild dienen.
Erfolg steckt an
Während international bereits über ein Platzen der Start-up-Blase spekuliert wird, fängt das Gründerfieber hierzulande also erst an. So überschaubar die Szene auch ist – einige aufstrebende Jungunternehmen konnten bereits groß aufzeigen. Vor allem der Erfolg der Fitness-App Runtastic dient vielen Gründern als Vorbild und Ansporn. Business Angel Hans Hansmann war daran maßgeblich beteiligt. Der Investor beurteilte den Werdegang kürzlich in einem ORF-Interview dennoch sehr nüchtern: »Wenn das Team nicht exzellent ist, wird es nichts. Gut reicht nicht.« Von zehn Start-ups kommen nur zwei über die Frühphase hinaus. In der Regel ist auch kaum eines der überlebenden Unternehmen für die Ewigkeit gebaut. Funktioniert die Idee und bahnt sich etwas Großes an, treiben Investoren die internationale Expansion voran und den Marktpreis in die Höhe. Das Ziel ist ein möglichst lukrativer Exit – durch Verkauf oder einen Börsengang. Der Sportartikelhersteller Adidas machte für die Runtastic-Anteile 220 Millionen Euro locker. Die vier Gründer blieben trotzdem weiter an Bord und bringen nun ihr digitales Know-how in den Konzern.
Bild oben: Pia Baurek-Karlic hatte für ihren Pharma-Lieferservice Beavit den richtigen Riecher und das fachliche Know-how.
Wie Adidas sehen viele Unternehmen die »jungen Wilden« ihrer Branche nicht mehr als unliebsame Mitbewerber, sondern wollen durch Kooperationen von den frischen, innovativen Ideen profitieren. Das kann durchaus belebend sein. In der Praxis prallen allerdings meist höchst unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander. Auch Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner räumte ein Jahr nach dem großen Deal ein, dass es noch manchmal fremdelt zwischen dem Weltkonzern und Österreichs Vorzeige-Start-up, das aus einem Studentenprojekt gewachsen ist und im Obergeschoß eines Paschinger Einkaufszentrums residiert.
Finanzen als Stressfaktor
Den Kinderschuhen ebenfalls entwachsen ist das Biotech-Unternehmen ecoduna in Bruck an der Leitha. Als weltweit erstem Betrieb ist es den Niederösterreichern gelungen, ein Verfahren zur industriellen Herstellung von hochwertigen Mikroalgen zu entwickeln. Aus der Nahrungsmittelproduktion, aber auch aus dem Pharma- und Kosmetikbereich sind die grünen Einzeller nicht mehr wegzudenken, sogar eine Nutzung als Treibstofflieferant wäre möglich. Aufgrund der wertvollen Inhaltsstoffe – ungesättigte Fettsäuren, natürliche Farbstoffe, Proteine – gelten Algen als Rohstoff der Zukunft, zumal Fisch als Hauptquelle für Omega 3-Fettsäuren durch die Verschmutzung und Überfischung der Meere zunehmend ausfällt. Johann Mörwald, Vorstandsvorsitzender der ecoduna AG und ehemaliger CEO von Hofer Österreich, wurde durch einen Gesellschafter auf den Betrieb aufmerksam und erkannte sofort das enorme Marktpotenzial. Der besondere Vorteil des Verfahrens liegt in der kontinuierlichen Produktion: Die Algen reifen in sechs Meter hohen, hängenden Glasröhren, die mit einer Nährlösung gefüllt sind, und können laufend geerntet werden. Bei idealen Bedingungen verdoppeln die hier kultivierten Sorten einmal pro Tag ihre Biomasse. Durch das geschlossene System sind Verunreinigungen ausgeschlossen. Ein Kilo Algenpulver höchster Qualität erzielt Preise bis zu 60 Euro.
Bild oben: Daniel Mattes reizt die Lust am Aufbauen. Wenn ein Unternehmen die »kritische Größe von rund hundert Leuten« erreicht, wird es für ihn »weniger interessant«.
Eine zusätzliche einen Hektar große Anlage, die die Produktion von 100 Tonnen Algenbiomasse pro Jahr ermöglicht, wurde über ein Sale&Lease-back-Modell finanziert. Anleger konnten Module zu je 2.500 Euro erwerben. Für das Unternehmen ein recht aufwendiger Weg, da das Beteiligungsmodell nach dem neuen Kapitalmarktgesetz der »Prospektpflicht light« unterliegt. Eine neuerliche Kapitalerhöhung ist für das erste Quartal 2017 angedacht. Läuft alles nach Plan, soll 2018 die Gewinnzone erreicht werden. Die finanziellen Sorgen sind das gewichtigste Problem, mit dem sich viele Gründer konfrontiert sehen. Auch Daniel Mattes, in früheren Jahren häufig als »Bill Gates der Alpen« tituliert, nennt den »ständigen finanziellen Stress« als größte Belastung: »Man arbeitet rund um die Uhr. Familienleben und Start-up-Leben sind unvereinbar.«
Mattes hatte 2009 sein auf Internet-Telefonie spezialisiertes Unternehmen Jajah um 207 Millionen Dollar verkauft und das Kapital umgehend in sein neues Projekt Jumio gesteckt. Das im Silicon Valley ansässige Unternehmen bietet Online-Identitätsprüfungen und zählte u.a. Western Union, Mr. Green und Airbnb zu seinen Kunden. Im März 2016 meldete die auf 900 Mitarbeiter angewachsene Jumio Insolvenz an. Mattes, der bereits im Vorjahr als CEO zurückgetreten war, muss sich nun wegen angeblicher finanzieller Ungereimtheiten gegen Klagen seiner Ex-Partner behaupten.
Bild oben: Business Creator Selma Prodanovic, CEO der Brainswork Group, bringt leidenschaftlich gerne ambitionierte Geschäfts-ideen zum Laufen.
Dessen ungeachtet bastelt der passionierte Gründer bereits mit seinem nächsten Start-up namens »42.cx« an der Nutzung von künstlicher Intelligenz für Produkte im Finanz- und Gesundheitsbereich. Es ist die Lust am Aufbauen, die den 44-jährigen Welser reizt. Hat ein Unternehmen eine »kritische Größe von rund hundert Leuten« erreicht, beginnt es für ihn »weniger interessant« zu werden, sagt Mattes: »Dann suche ich mir das nächste.«
In Männerhand
Auch »Business Angelina« Selma Prodanovic inspiriert »die grüne Wiese« mehr als das gemachte Bett. »Ich bin kein Business Manager, sondern ein klassischer Business Creator. Sobald mein Baby selbstständig laufen kann, wende ich mich einem neuen Projekt zu«, erklärt die Gründerin und CEO der Brainswork Group und der Plattform 1millionstartups. Prodanovic hat in den vergangenen 15 Jahren mehr als 400 Unternehmen verschiedenster Branchen auf die Beine geholfen. Dabei zeigte sie nicht nur ihr »Faible für neue Zusammenstellungen«, sondern auch Talent, zündende Geschäftsideen zu erkennen und in die Gänge zu bringen.
86 % der Start-ups greifen für die Unternehmensgründung auf Eigenkapital zurück, mehr als ein Viertel sogar ausschließlich, wie eine Studie »European Start-up Monitor« des Gründungszentrums der Wirtschafts-universität Wien zeigt. Das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren, für 41 % ist es nicht die erste Gründung. »Unterschiede zum Vorjahr sehen wir insbesondere beim Anstieg der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl und einem größeren Anteil von Start-ups in der digitalen Industrie«, sagt Rudolf Dömötör, Direktor des WU-Gründungszentrums.
Bild oben: Die ecoduna AG sieht in Mikroalgen den »Rohstoff der Zukunft«. Mit einem weltweit patentierten Verfahren will man am milliardenschweren Markt mitmischen.
Was außerdem auffällt: Die heimische Start-up-Szene ist stark männlich dominiert. Neun von zehn Gründern sind männlich (Frauenanteil: 7,1 %). 2015 stellten Frauen noch 15,5 % Im EU-Schnitt beträgt der Frauenanteil 14,8 %. Das ist auch im ausgeprägt technologischen Fokus der Start-ups begründet. Bei den Unternehmensgründungen insgesamt lagen Frauen 2015 mit fast 60 % nämlich vorne – allerdings konzentrierten sich die Betriebe vorwiegend auf den Dienstleistungssektor.
Ausgezogen, um klassischen Apotheken das Fürchten zu lehren, ist Pia Baurek-Karlic. Die damals 25-jährige Wienerin gründete 2013 den Pharma-Lieferservice Beavit. Über eine Online-Plattform können rezeptfreie Medikamente, Sanitätsbedarf und Kosmetikartikel bestellt werden. Die Lieferung erfolgt österreichweit per Paketdienst am Folgetag, innerhalb Wiens auf Wunsch per Fahrradbote in zwei Stunden. Baurek-Karlic, selbst aus einer Apothekerfamilie stammend, hatte den richtigen Riecher für diesen Trend – sieht sich inzwischen aber mächtigen Konkurrenten wie dm gegenüber. Mit einem Blog zu aktuellen Themen und einer pharmazeutischen Online-Beratung bietet sie kompetent Paroli. Eine weitere Zielgruppe erreicht sie mit unkonventionellen Ideen: Die Beavit-Box mit wechselndem Inhalt und so klingenden Namen wie »Fräulein Frühling« oder »Schneehase« entwickelte sich binnen kurzem zum Verkaufsschlager. Pia Baurek-Karlic erklärt dies mit dem Überraschungseffekt: »Das hat uns schon als Kinder bei Schokoladeeiern begeistert und macht unser Erfolgsrezept aus.«