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Die große Umfrage: US-Wahl

Die große Umfrage: US-Wahl Foto: Thinkstock

Nur die Rechtspopulisten jubelten, ansonsten löste Donald Trumps Sieg in Europa weitgehend Bestürzung und Besorgnis aus. Im »schmutzigsten Wahlkampf der Geschichte« hatte der Immobilienunternehmer mit markigen Ankündigungen und Drohungen aufhorchen lassen. Viele Betriebe fürchten nun eine Abschottung der USA – zulasten der internationalen Beziehungen und Handelsströme. Report(+)PLUS hat drei ExpertInnen nach ihrer Einschätzung gefragt, was die Präsidentschaft Trumps bringen wird.

Sehen Sie die Rolle der USA als führende Wirtschaftsmacht in Gefahr?

Michael Friedl, Leiter des AußenwirtschaftsCenter New York

Die Volkswirtschaft der USA ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nach wie vor mehr als 1,5-mal so groß wie jene der Volksrepublik China. Mr. Trumps Steuerpolitik gepaart mit seinen geplanten Investitionen in Infrastruktur und Deregulierung in Bereichen der Umweltpolitik könnte die US-Wirtschaft kurzfristig sogar beschleunigen. Die negativen Rückwirkungen dieser Politik werden wahrscheinlich erst mittel- bis langfristig zu spüren sein, dafür unter Umständen aber umso dramatischer ausfallen. Unter Trumps Amtsperiode, zumindest bis 2020, ist daher nicht damit zu rechnen, dass die USA um ihre Stellung als größte Wirtschaftsmacht der Welt bangen müssen.

Innovationen von globaler Relevanz, technische Meilensteine und führende Forschungs-, Entwicklungs- und Ausbildungsstätten sind immer noch, trotz großer Entwicklungssprünge Chinas, signifikant hoch in den USA konzentriert, welche weiterhin eine Führungsrolle beibehalten sollten. Sollte China ein überdurchschnittliches Wachstum halten, wird es aber vermutlich den Platz als größte Volkswirtschaft der Welt übernehmen.

Sandra Navidi, CEO BeyondGlobal, New York, und Autorin des Bestsellers »Super Hubs«

Es kommt insbesondere darauf an, wie protektionistisch Donald Trumps Politik wird. Wenn er alle seine Ankündigungen durchsetzt, dann ja. Grundsätzlich ist sein Programm eher anachronis­tisch. Einige seiner Vorschläge, wie zum Beispiel Infrastrukturprojekte im Rahmen umfangreicher Konjunkturpakete, würden der Wirtschaft voraussichtlich zunächst einmal zu einem Wachstumsschub verhelfen. Da diese in der Hauptsache jedoch durch Schuldenaufnahme finanziert werden sollen, wird längerfristig das Defizit deutlich anschwellen und die Inflation steigen. Seine Steuerreform-Vorschläge sind wenig überzeugend, da von ihnen überwiegend und überproportional Besserverdienende profitieren werden.

Michael Tawrowsky, Country Manager von Coface Austria

Die USA wird unabhängig von der jeweiligen Wirtschaftspolitik die führende Wirtschaftsmacht bleiben. Der US-Dollar ist nach wie vor Welt-Leitwährung – und aufgrund dieses Privilegs können sich die USA problemlos weiter verschulden. Das Risiko einer Inflation sehe ich angesichts des unausgelas-teten Produktionspotenzials (insbesondere betreffend Arbeitskräfte) derzeit nicht.
Die angekündigte Sanierung der Infrastruktur und auch die Aufrüstung der Streitkräfte würden einen starken Nachfrageimpuls setzen – mit positiven Auswirkungen auf die Beschäftigung, die sich dann über Multiplikatoreffekte verstärkt. Sollten die angekündigten Steuersenkungen vor allem auch den mittleren Einkommensbereich entlasten, sind davon ebenfalls Nachfrageimpulse zu erwarten. Die Staatsverschuldung wird durch diese beiden Maßnahmen freilich stark steigen. Sollte die Fed aufgrund inflationärer Tendenzen die Zinsen spürbar anheben, kann das zum Problem werden.

Werden Handelsabkommen gekündigt, Zölle eingeführt oder erhöht, hätte dies Auswirkungen auf die Handelsströme und auf die Wirtschaftsstruktur. Produktion, die vorher in den USA nicht profitabel war, könnte es wieder werden, was sich andererseits negativ auf die Exportwirtschaft auswirkt. Entsprechend reagierten bereits die Kapitalmärk­te bei einzelnen Aktien, z.B. Apple. Schafft es Trump, eine Aufwertung des Renminbi durchzusetzen, würde das jedenfalls das Außenhandelsdefizit der USA reduzieren.


Was bedeutet das Votum für österreichische Unternehmen, die in den USA tätig sind?

Michael Friedl

Der amerikanische Markt ist 2015 zur zweitwichtigsten Exportdestination Österreichs aufgestiegen und bietet aus unserer Sicht – auch unter einem Präsidenten Trump – noch weiteres Wachstumspoten-zial. Die Re-Industrialisierung, die auch unter Trump vorangetrieben werden sollte, könnte zu verstärkten Investitionen in Infrastruktur, Eisenbahntechnologie, Maschinen und Anlagenbau führen: Bereiche, in denen Österreich besonders stark ist, genauso wie im wachsenden Automotive-Sektor. Auch ein Teil des steigenden Bedarfs nach hochtechnologischen Nischenprodukten könnte aus Österreich gestillt werden. Österreichische Firmen sollten auch wissen, dass viele wirtschaftspolitische Entscheidungen auf Bundesstaatenebene oder sogar Bezirksebene gefällt werden, nicht nur von der Administration in Washington DC.

Diesbezüglich hat sich bei den Wahlen in vielen Bundesstaaten, in denen Öster­reich hoch investiert ist, nicht so viel verändert (z.B. Georgia und Texas).

Sandra Navidi



Wenn Trump die USA zum Beispiel durch Zölle und andere Beschränkungen abschirmt, hätte das ganz direkte negative Auswirkungen auf österreichische Firmen. Aber allein die Ungewissheit darüber, welche Politik er letztendlich verfolgen wird, ist schädlich, weil Firmen nicht planen können und mit Investitionen zögern werden. Einige seiner Vorschläge hat Trump bereits relativiert, von anderen werden ihn seine Berater abbringen, wieder andere müssten den Kongress passieren, was unwahrscheinlich ist, und ein Teil verletzt bestehende vertragliche Verpflichtungen.

Michael Tawrowsky

Wer schon heute selbst in den USA produziert, wird sehr wahrscheinlich auch unter der neuen Präsidentschaft keine Probleme haben. Exporteure könnten mit Nachteilen konfrontiert sein, wenn Handelshemmnisse greifen sollten. Hier wird es naturgemäß auch auf die Branche ankommen. Österreichische Unternehmen in den USA haben jedenfalls weiterhin den Vorteil eines großen Binnenmarkts.


Was bleibt von der Schlammschlacht im Wahlkampf hängen?

Michael Friedl

In ersten Reaktionen und Stellungnahmen appellierten Clinton, Obama und auch Trump zur Versöhnung und Kooperation. Für den 45. US-Präsidenten, der am 20. Jänner 2017 offiziell die Amtsgeschäfte übernimmt, gilt es, eine gespaltene Nation wieder zu vereinen. Ob und in welcher Form sich zahlreiche umstrittene Reformvorschläge oder Aussagen aus Trumps Wahlkampfkampagne überhaupt und in welcher Form umsetzen lassen (Reform oder Neugestaltung von NAFTA, NATO, TTIP, Straf- und Schutzzölle für Produkte aus China und Mexiko und WTO-Kompatibilität dazu), bleibt vorerst unbeantwortet.

Es darf in diesem Zusammenhang allerdings nochmals daran erinnert werden, dass die USA kein monolithischer Block sind und viele Bundesstaaten autonom eine eigene Steuerpolitik machen, eigene Investitionsanreize setzen und auch eigene Umweltschutzregelungen forcieren.

Sandra Navidi

Eine zerrissene Nation, zu deren Spaltung Trump noch erheblich beigetragen hat. Er hat die Ausgrenzung von Minderheiten salonfähig gemacht und damit auch die dem Populismus innewohnende Ansteckungsgefahr auf andere Nationen vergrößert. Damit hat er entschieden dazu beigetragen, dass das bereits fragile globale wirtschaftliche und politische Gefüge deutlich instabiler wird.

Michael Tawrowsky

Leider ist nicht nur in den USA, sondern auch in weiten Teilen Europas das Klima zwischen politischen »Lagern« und Bevölkerungsgruppen vergiftet. Diese Polarisierung ist in den USA deutlich zu spüren und wurde nicht erst durch diesen Wahlkampf weiter geschürt. Betrachtet man die Reaktionen der Kapitalmärk-te, der globalen politischen Landschaft, so fällt schon heute auf, dass Trumps Dogma »Let's fix it« positiv angenommen und somit der Konsens mit der Wirtschaftsmacht USA gesucht wird. Letztlich bleibt die größte Frage, welche seiner Ankündigungen Trump tatsächlich umsetzen wird. In vielen Fragen vertritt er ja bekanntlich andere Positionen als seine Parteikollegen, die nunmehr die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses halten.

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