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Von Armen und Reichen und denen dazwischen

\"FehlenderPrinceton ist eine Eliteuni. Es treffen sich Reiche und Arme – und wenige dazwischen.


Für wenige Stunden hatte die »Occupy Wall Street«-Bewegung Prince­ton erfasst. Zwei Dutzend Jugendliche demonstrierten vor dem Haupteingang der Eliteuniversität in der Nassau Street. Auf einem Schild, das die zwanzigjährige Nancy trägt, steht in fetten Lettern: »Wir sind die 99 Prozent«. Jene also, die von der Finanzkrise voll getroffen wurden, die ihre Häuser, ihre Jobs verloren und sich plötzlich im Kampf ums nackte Überleben wiederfanden. »Sind Sie arbeitslos?«, fragte ich Nancy. »Nein, ich studiere noch, hier an der Princeton University.«
Sie protestiere mehr aus Solidarität denn aus Betroffenheit, aber ausgerechnet ihr Slogan provozierte einige ihrer Kommilitonen, die skandierten: »Wir sind die ein Prozent«. Die Privilegierten also, die Elite, die es gut hat, egal, ob die Krise zuschlägt oder nicht. Wer an der Princeton University studiert, weiß das auch: Er ist in einem erlauchten Kreis, dem die Zukunft gehört, und die Studenten hatten nicht die geringsten Skrupel, es hinauszuschreien.
Nancy sah bald ziemlich verloren aus mit ihrem Schildchen, das sie am falschen Ort aufgepflanzt hatte. 7.800 Studenten werden hier ausgebildet, an einer Einrichtung, die neben Harvard, Yale, Brown, Columbia, Cornell, Columbia und Dartmouth zur Ivy-League gehört.

Princeton ist die kleinste, aber gleichzeitig reichste Ivy-League-Schule, gemessen am Verhältnis von Fondvermögen zur Anzahl der Studenten. Rund 14 Milliarden Dollar hat die Uni angelegt in Aktien, Anleihen, Immobilien, dabei hat sie durch  die Finanzkrise kräftig verloren: 17 Milliarden waren noch 2008 in den Büchern.

Für den Lehr- und Forschungsbetrieb wendet Princeton 1,4 Milliarden Dollar auf, rund die Hälfte kommt von Kapitalerträgen, Forschungsaufträge und Patentrechte besorgen einen weiteren Teil, den Rest bringen die Studiengebühren. Rund 53.000 Dollar zahlt der Student pro Studienjahr, Unterkunft inklusive.  

»Nancy«, frage ich, »wie hast du es als eine der 99 Prozent geschafft, so viel Geld fürs Studium aufzutreiben?«  Nancy grinst und antwortet, sichtlich stolz: »Ich hatte gute Noten, meine Eltern verdienen wenig und ich hab ein Vollstipendium gekriegt. Aus eigener Tasche zahl ich gar nichts für die Uni.« Nancy ist auf die Butterseite gefallen, und wieder argumentiert sie solidarisch: »Richtig schlimm dran ist die Mittelklasse. Sie ist zu reich für ein Stipendium, aber zu arm für die Studiengebühren.«

Arm und reich trifft sich an der Princeton University, die dazwischen trifft es hart. Zwei Drittel aller Studenten kriegen irgendeine Art Stipendium, weil die Eltern arm, die Kinder sehr sportlich oder außergewöhnlich begabt sind. Ein Drittel zahlt den vollen Preis. »Ich bin ein schlechter Kopfrechner, aber müsste der Slogan nicht lauten: ›Für jene zwischen arm und reich, die nicht zu dem einen Prozent der Elite zählen, Kredite aufnehmen müssen und dann schwer schuldenbelastet ins Berufsleben starten‹?«, sage ich zu Nancy.

Nancy ist eine temperamentvolle junge Frau und, was mir besonders gefällt: Sie gibt mir Recht. »Schauen Sie sich die amerikanischen Präsidenten und die Kandidaten der letzten Jahrzehnte an: Sie waren entweder Superreiche oder sie kamen aus zerrütteten Verhältnissen. Bill Clinton wuchs mit einer alleinerziehenden Mutter auf, der Alkoholprobleme nachgesagt wurden. Auch Barack Obama kommt aus schwierigen, sehr bescheidenen Verhältnissen. George Bush entstammt einer Öldynastie, der demokratische Kandidat John Kerry ist dank seiner Frau und der Vorliebe für Ketchup einer der reichsten Amerikaner. Auch Mitt Romney stammt aus einer reichen Familie, der Vater war Industriekapitän und Gouverneur. Der amerikanischen Mittelklasse ist der Weg nach oben versperrt, sie ist in einer Sackgasse«, sagt Nancy und ihre offene Art ist befreiend. Sie steht auf der Straße und protestiert – mit den falschen Slogans vielleicht, aber doch für eine richtige Sache ...

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