USA & Corona: 5 Gewinner, 5 Verlierer
- Written by Dr. Alfons Flatscher
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Rund eine Million Bauarbeiter haben in den USA während der Coronakrise ihren Job verloren. Jedes dritte Projekt wurde gestoppt. Das Virus bringt eine Zeitenwende und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die neue Normalität danach klare Gewinner und Verlierer kennt.
Selbst in den schwer betroffenen Bundesstaaten des Nordostens der USA werden die Baustellen wieder eröffnet. Seit 18. Mai darf in New Jersey wieder gebaut werden, auch im Bundesstaat New York, mit Ausnahme von New York City und Long Island, geht es wieder los.
Aber die Realität nach Corona schaut völlig anders aus und es gibt unerwartete Gewinner:
1.) Die Bauarbeiter: Mit Corona ist nämlich die Baustellensicherheit in den Mittelpunkt gerückt. Zehntausende Unfälle auf Baustellen und rund 1000 Tote pro Jahr gehörten zum Geschäft. Enge Zeitpläne, hoher Kostendruck allein bestimmten die Szene, jetzt ist die Sicherheit im Mittelpunkt. Mike Benike von Benike Construction etwa betont: »Die Terminpläne der Zukunft werden anders ausschauen. Wir werden mehr Zeit brauchen, weil wir nicht viele Leute gleichzeitig auf der Baustellen haben können.« Sauberer und sicherer werden die Baustellen sein müssen, sind sich Experten einig.
2.) Die Gewerkschaften: Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1947, waren 87 Prozent der Bauarbeiter in den USA gewerkschaftlich organisiert. 2018 waren es nur mehr 12,8 Prozent.
Der Abstieg schien unaufhaltsam – bis Corona. In New York haben Gewerkschafter erreicht, dass als unsicher eingestufte Baustellen tatsächlich gestoppt wurden und auch in Massachusetts haben Gewerkschafter einen Walkout organisiert und dafür Applaus geerntet.
Mark Erlich von der Harvard University sieht das als Zeitenwende: »Mitglieder der Gewerkschaft haben in den letzten Wochen gesehen, wie wichtig es ist, organisiert zu sein. Damit gewinnen die Gewerkschaften eine neue Anziehungskraft und sind besser gerüstet für die kommenden Konflikte mit den Arbeitgebern.« Der Rotstift wird angesetzt werden, das sei sicher, aber die organisierten Arbeiter reden mit.
3.) Die modulare Bauweise: Weil Sicherheit ein zentrales Thema wird, erleben Vorfertigung und modulare Bauweisen einen neuen Boom. Was immer im kontrollierten Umfeld einer Fabrik erzeugt werden kann, wird verlagert. Joe Natarelli von Marcum LLP›s dazu: »Für die Gesundheit der Belegschaft ist das ein Riesenvorteil.«
4.) Die Infrastruktur: Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen sind in den USA in einem bedauernswerten Zustand. Seit Jahren wird von einem notwendigen Infrastrukturpaket geredet. Weil aber die Konjunktur ohnedies brummte, wurden Entscheidungen auf die lange Bank geschoben.
Jetzt ist die Zeit reif und Investitionen in Infrastruktur sind fixer Bestandteil jeder Debatte über das vierte Corona-Hilfspaket. Die ideologischen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern sind tief und es scheint in wenigen Bereichen Raum für Kompromisse zu geben. Nur bei der Infrastruktur sind sich beide Parteien einig. Das heißt aber noch nicht, dass die Entscheidungen noch vor den Wahlen im November fallen.
5.) Der Industriebau: Die Coronakrise hat deutlich gemacht, dass Globalisierung nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Dass Lieferketten durch unerwartete Ereignisse unterbrochen werden können, hat sich auf dramatische Weise gezeigt. Die USA, bisher Großmeister des Outsourcings, leiten eine Trendumkehr ein und holen die Versorgungsketten zurück ins Land. Die Re-Industrialisierung der USA steht am Programm und dazu werden neue Fabriksbauten gebraucht.
Keith Prather von Pionier IQ dazu: »Die US-Lieferketten haben viele Schwachstellen, deshalb glauben wir, dass viele Industrien zurückgeholt werden. Unsere Produktionskapazitäten werden deutlich wachsen, aber auch Mexiko wird profitieren.«
Die Entwicklung schafft auch Verlierer:
1.) China: Rund ein Drittel aller in den USA verwendeten Baustoffe wurden bisher aus China importiert. In Washington fordert man offen eine Entkoppelung. Die kommunistische Führung in Peking steht am Pranger und Trump-Berater Peter Navarro spricht vom Handels- und Propagandakrieg.
Die US-Stahlindustrie ist billigen Importen aus China zum Opfer gefallen und das führte dazu, dass Produktionen zum Stillstand kamen. Bauherren gehen jetzt dazu über, in Ausschreibungen detaillierte Aufstellungen der Lieferantenketten zu verlangen und Versorgungssicherheit steht dabei ganz oben auf der Prioritätenliste.
Chinesische Zulieferer werden massiv Marktanteile verlieren.
2.) Bauherren: Bauen wird teurer. Mehr Sicherheit, längere Bauzeiten und teurere Baumaterialien werden in den Bilanzen deutliche Spuren hinterlassen. Aber im Moment scheint man bereit, diesen Preis zu zahlen.
3.) BüroImmobilien: Auf den Errichter und Betreiber von Büroimmobilien kommen schwere Zeiten zu. Was in Zeiten von Corona eine Notwendigkeit war, wird fixer Bestandteil der Unternehmensorganisation: das Homeoffice.
Eine Gartner-Studie hat festgestellt, dass drei Viertel aller amerikanischen Firmen einen Teil ihrer Mitarbeiter permanent von daheim aus arbeiten lassen wollen. »Die Finanzchefs stehen immer unter Druck, Kosten zu reduzieren und sie sehen jetzt die Möglichkeit, das durch Telearbeit zu tun«, heißt es in der Gartner-Studie.
Die Nachfrage nach Bürofläche sinkt damit deutlich. Aber auch das Konzept der Büros wird sich verändern. Offene Büros weichen Modellen mit vielen privaten Räumen, der sozialen Distanz wegen.
4.) Bauarbeiter: Sie sind Gewinner dieser Krise, weil mehr auf die Sicherheit auf der Baustelle geschaut wird, gleichzeitig sind sie auch Verlierer. Modulare Bauweisen mit hohen Vorfertigungsgraden in der Fabrik schaffen die Voraussetzung für einen hohen Grad an Automatisierung – mit dem Ergebnis: Insgesamt wird die Zahl der Beschäftigten in der Branche sinken.
5.) Die US-Bundesstaaten: Bau und Erhaltung von Straßen ist Aufgabe der Bundesstaaten. Finanziert wird durch die Gas-Tax, eine Steuer auf Treibstoff.
Der Ölpreis ist im Keller und damit auch der Preis an der Zapfsäule. In Zeiten der Quarantäne ist der Verbrauch von Treibstoff nahezu halbiert worden. Niedriger Preis und niedriger Verbrauch schlagen unmittelbar auf die Budgets der Bundesstaaten durch. Die Kassen sind leer und sie fallen als Träger von Verkehrsinfrastrukturbauten aus.