Neue Herausforderung
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In Österreich gibt es derzeit kein allgemeines Register. Es wird zwar versucht, Daten zu erheben, doch legt sich hier der Datenschutz quer«, berichtet Thomas Becker, Geschäftsführer von ATB Becker. »In Deutschland geht man einen anderen Weg. Dort werden PV-Gebäude durch Plaketten gekennzeichnet. Spätestens beim Eintreffen ist die Feuerwehr damit über das Vorhandensein einer PV-Anlage informiert und kann den Löschangriff entsprechend koordinieren.« PV-Anlagen am Dach können die Löscharbeiten der Feuerwehr erschweren. Im Grunde entsprechen sie elektrischen Anlagen und sind auch in den jeweiligen Normen erfasst. Im Bereich Elektrotechnik findet sich Photovoltaik in der ÖVE/ÖNORM E 8001-4-712, die Errichtungs- und Sicherheitsanforderungen photovoltaischer Energieerzeugungsanlagen behandelt. In der Blitzschutznorm ist PV ebenso enthalten wie in Normen aus dem Statikbereich, z.B. in der ÖNORM 1991/1/3 bzw. 1991/1//4 für Wind- und Schneelast. Die DIN 0132, Norm für Brandbekämpfung in elektrischen Anlagen, definiert den Abstand, der zu Objekten eingehalten werden muss, bei denen vermutet wird, dass sie unter Spannung stehen. Photovoltaik bedeutet jedoch neue Herausforderungen.
Gefahr Spannung
Die Spannung ist nicht beliebig abschaltbar. Das Haus selbst kann zwar stromfrei geschalten werden, die Module allerdings nicht. Sie liefern Strom, sobald sie einer Lichteinstrahlung ausgesetzt sind. Auf der Gleichstromseite der Anlage liegt immer Spannung. Wenn ein/e Feuerwehrmann/frau gleichzeitig die nicht isolierten Plus- und Minuspole der DC-Leitung zwischen Modulen und Wechselrichter berührt, gerät er/sie unter Spannung. Diese Gefahr ist nie ganz auszuschließen. Es gibt noch keine einheitliche Forderung für zusätzliche Schutzmaßnahmen, allerdings schon erste Richtlinien, wie Feuerwehrleute vorzugehen haben und worauf sie besonders achten müssen. Die ÖVE/ÖNORM E 8001-4-712 kommt dem Wunsch der Feuerwehr entgegen, indem, falls von der Behörde nichts anderes vorgeschrieben ist, im Hauptanschlusskasten Aufzeichnungen über Ort und Lage des Wechselrichters und der DC-Freischalteinrichtung sowie über die Lage der Gleichspannungsleitungen aufzuliegen haben.
Gefahr Dachaufbau
Ein weiteres Gefahrenpotenzial, das mit PV einhergeht, ist das zusätzliche Gewicht am Dach, was Dachaufbauten aber generell betrifft. Durch die klimatischen Bedingungen sind in Österreich die Verhältnisse regional unterschiedlich und haben wesentlichen Einfluss auf Statik und Ausführung von Bauwerken, insbesondere bei exponierten Positionen wie die der Solaranlagen. Alpen und Alpenvorland fordern eine Bauweise, die eine hohe Belastung durch Schnee und Wind aushält. Schneelasten drücken gravitationsbedingt senkrecht nach unten. Windlasten wirken dagegen in der Regel parallel zum ebenen Grund, wodurch die Verankerung in alle Richtungen sehr solide sein muss. Wenn der Dachstuhl brennt, können Module platzen und einen Glasregen verursachen oder sie fallen herunter, weshalb Trümmerschatten abgesperrt werden müssen.
Gefahren reduzieren
Um die Feuerwehren auf diese neuen von Photovoltaik ausgehenden Gefahren vorzubereiten, gibt es bereits erste Lehrveranstaltungen. »Ausgehend von der Feuerwehrschule Tirol haben wir in Wien und Salzburg bereits Workshops abgehalten«, informiert Becker. Landesfeuerwehrverbände und Ortsfeuerwehren bieten ebenfalls Schulungen an. Kleinräumig gibt es Seminare von Elektrounternehmen für lokale Feuerwehren. Fronius hat mit dem Bundesfeuerwehrverband eine umfangreiche FAQ-Liste zu PV und Feuer erstellt.
Langsamer Gesetzgeber
»In den Normungsgremien wird derzeit über den verpflichtenden Einsatz sogenannter Feuerwehrschalter diskutiert, die das sichere Abschalten der kompletten Stromversorgung durch die Feuerwehr gewährleisten«, informiert Karl Klemetsch, Produktmanager Funktionselektronik bei Weidmüller. Das Problem der schleppenden Umsetzung liegt einerseits in der fehlenden Normung, andererseits in den erhöhten Kosten. Es fehlt eine bundesweite Institution. In Deutschland gibt es bereits von Industrie und Feuerwehr gebildete Arbeitskreise. 2013/14 sollen die ersten praxisnahen Maßnahmen und Normen existieren. »Vielleicht wird dann eine Europanorm definiert, die auch nach Österreich kommt«, hofft Becker. ATB Becker versucht derzeit, über sein Partnernetzwerk, d.h. über Installationspartner, bundesweit mit den Landesfeuerwehrverbänden Kontakt aufzunehmen.
Das österreichische Stromnetz
Durch Photovoltaik allein ist die heimische Netzstruktur nicht beeinträchtigt. Bis Ende 2015 sollten in Österreich zwar jedes Jahr 6.000 neue Solarstromanlagen ans Netz gehen, für ATB Becker ist der Photovoltaikanteil mit 0,32 % aber derzeit nicht netzrelevant. In strukturschwachen Gebieten mit schwach ausgebautem Netz gibt es einige lokale Ausnahmefälle, großflächig ist das Netz aber für Becker sehr gut in der Lage, PV-Energie aufzunehmen. Wenn man allerdings Elektromobilität ernsthaft einführen will, sind für Becker andere Netze erforderlich, als sie heute bestehen. »Der Ausbau der Netze muss in Richtung Intelligenz gehen, d.h. in Richtung intelligenter Trafostationen, die die Spannung nachregeln können.« Viele Fachleute sehen neue Übertragungsnetze als nachrangig an, der Smart-Grids-Prozess muss vorangetrieben werden. »Es laufen bereits Projekte mit Energieversorgungsunternehmen wie Energie AG und Salzburg AG«, berichtet Franz Breitwieser von Fronius Systemtechnik. Pilotprojekte gibt es in einigen Regionen in Oberösterreich und Salzburg. Diese Landesbereiche sind mit PV-Anlagen und Wechselrichtern von Fronius ausgestattet. Hier werden Smart Grids getestet und der Zusammenhang zwischen Netz, Stabilität und Wechselrichtern wird ermittelt. Ziel ist es laut Breitwieser, für den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energieträger rechtzeitig gerüstet zu sein. Damit kommt auch die Zeit der Blindleitungseinspeisung. »Diese garantiert eine geringere Spannungsanhebung und minimiert den Leitungsausbau. Die Wechselrichter tragen aktiv zur Netzstabilisierung bei.«
Förderzukunft PV
Experten warnen davor, die Fördersätze zu stark zu senken, da dadurch nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Montagequalität sinken könnte. Die Förderungen müssen zwar angepasst werden, aber in einem Maß, dass die Wertschöpfung in Europa gehalten werden kann. »Die Förderungen dürfen nicht so weit sinken, dass der Weg in Richtung asiatische Billigimporte führt. Photovoltaik ist eine junge Technologie. Wenn man beginnt, an der Qualität zu sparen, wird mehr kaputt gemacht, als das ganze Nutzen bringt«, warnt Becker. Für Karl Klemetsch ist es sinnvoller, den Überschuss des produzierten PV-Stroms in einem adäquaten Verhältnis zum Arbeitspreis des vom EVU gelieferten Stromes zu stellen. »Damit kann langfristig eine profitable Win-win-Situation zwischen PV-Anlagenbetreiber und EVU hergestellt werden und das teure Förderungsmodel ist nicht mehr nötig.«