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Wissenschafts- Monopoly

\"OpenWissenschaft lebt vom Austausch von Informationen – einige Monopolisten verdienen sich daran die goldene Nase.


Als Wissenschafter hat man’s schwer: Wer Karriere machen will, muss veröffentlichen, am besten in hochangesehenen wissenschaftlichen Journalen. Wer etwa als Biochemiker seinen akademischen Ruf festigen will, veröffentlicht in der Publikation »Biochimica et Biophysica Acta« des niederländischen Wissenschaftsverlags Elsevier; das Journal ist eine der Top-100-Publikationen in Medizin und Biologie. Standardmäßig werden eingereichte Artikel von mindestens zwei Fachkollegen geprüft (»Peer Review«), bevor sie veröffentlicht werden. Spezialisierte Universitätsbibliotheken sind die Hauptabnehmer dieser Publikationen, die im Jahresabo oder als einzelne Artikel zu haben sind. Für die Veröffentlichung gibt es für den Autor selbst meist kein Honorar – im Gegenteil wird bei manchen Publikationen sogar ein »Autorenzuschuss« zu den Veröffentlichungskosten fällig – und auch die Peer Reviewer erledigen ihre Arbeit kostenlos für die Verlage. Hier endet aber die großherzige Gratisarbeit für die Wissenschaft: Für den Zugriff auf das einzelne Journal verrechnet Elsevier den Bibliotheken, die im Sinne möglichst umfassender Wissenssammlung praktisch zur Abnahme gezwungen sind und 75 % der Abnehmer darstellen, gewaltige Summen – im Fall von »Biochimica et Biophysica Acta« etwa 18.710 Euro pro Jahr und Lizenz.

Für die großen akademischen Verlage ist der Status quo eine Win-win-win-Situation: Je angesehener das Journal, desto größer die Flut einlangender Arbeiten von prestigebewussten Wissenschaftern; und desto unvermeidlicher auch der haarsträubend teure Ankauf durch die Wissensinstitutionen, die die Erstellung der wissenschaftlichen Arbeit durch die Anstellung ihrer Autoren von Vornherein finanziert haben.

Dazu kommt, dass sich einige große Verlage in den vergangenen Jahren durch Zukäufe beachtliche Monopole gesichert haben: Die drei Großen der Branche, Elsevier, Springer und Wiley, veröffentlichen 42 % der gesamten akademischen Journals weltweit. Die Profitabilität ist enorm: Elsevier kann sich über Profite in der Höhe von 36 % des Umsatzes freuen – bei 2,5 Milliarden Euro Umsatz allein im Jahr 2010.  Die jährlichen Kosten für die akademische Welt hingegen sind noch beeindruckender: Rechnet man die meist von den Institutionen bezahlte Arbeitszeit zum Verfassen und Prüfen der Artikel zusammen, kommt man auf die geschätzte Summe von 100 Milliarden Dollar pro Jahr weltweit – diese Kosten trägt meist der Steuerzahler, genau so wie jene für den Zugriff auf die danach bei den Monopolisten veröffentlichten Arbeiten. Und es erübrigt sich fast, anzumerken, dass die Verlage mit Argusaugen über ihr Copyright wachen und selbst jahrzehntealte Artikel zu Fixpreisen bewirtschaften.

Im Netz – wo sonst – formiert sich nun der Widerstand gegen dieses verborgene System der parasitären Geldmacherei. Tim Gowers, Cambridge-Professor und Träger der höchsten akademischen Würden im Feld Mathematik, rief Anfang des Jahres dazu auf, keine Artikel mehr an Elsevier-Publikationen zu schicken und auch die Peer-Reviews für den akademischen Monopolisten einzustellen. Die Kampagnenwebsite »The Cost of Knowledge« sammelte über 12.000 Unterschriften von empörten Wissenschaftern, die gegen Elseviers Geschäftspraktiken protestieren. Die Lösung wäre in Zeiten der weltweiten Informationsnetze eigentlich einfach: Unter dem Schlagwort »Open Access« fordern bereits seit den 90er-Jahren Wissenschafter den freien Online-Zugang zu ihren meist mit öffentlichen Geldern geförderten Forschungsergebnissen. In Österreich etwa verpflichtet der Fonds für Wissenschaft und Forschung geförderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, im Sinne von Open Access zu publizieren. Eine zunehmende Adaptierung dieses offenen Standards würde den gerade in der Wissenschaft wünschenswerten freien Austausch von Wissen unkomplizierter und vor allem für die wissenschaftlichen Institutionen selbst viel billiger machen. Ein Paradebeispiel für die Kraft offener Netze, lukrative Flaschenhälse zu umgehen, die ihr Geschäft mit dem Monopol auf Information machen – und ein weiterer Battleground zwischen Rechte­inhabern und Allgemeinheit.

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