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Erfolgsfaktor Vielfalt

\"WandelDiversity Management hat nichts mit karitativer Hilfe für ­Minderheiten zu tun. Unternehmen, die sich bewusst mit der ­Vielfalt ihrer Belegschaft auseinandersetzen, verfolgen ökonomische Ziele. ­Internationale Großkonzerne zeigen, wie die Buntheit zum ­Wettbewerbsvorteil wird.

Von Marion Kraske

Die Experten sind sich einig: In der aktuellen Zusammenstellung hat das österreichische Fußball-Nationalteam endlich wieder realistische Chancen, sich auf sportlichem Weg für ein Großereignis wie WM oder EM zu qualifizieren. Mit Spielern wie Zlatko Junuzovic, Veli Kavlak, György Garics, Aleksandar Dragovic und vor allem David Alaba und dem ständig zwischen Genie und Wahnsinn pendelnden Marco Arnautovic verfügt das Team über eine ganze Reihe hoch talentierter Kicker. Sie alle haben ihre familiären Wurzeln außerhalb von Österreich. Ähnliches gilt für das deutsche Fußballteam, das neben Spanien zu den Top-Favoriten auf den EM-Titel in diesem Jahr zählt. Auch hier haben die tragenden Säulen der Mannschaft wie Miroslav Klose, Lukas Podolski, Sami Khedira oder Mesut Özil ihre Wurzeln in Polen, der Türkei oder im nördlichen Afrika.

Der Deutsche Fußballbund (DFB) präsentiert diese Vielfalt in einem Werbespot. In ihm ist eine bunte Truppe von Menschen zu sehen. Sie grillen, lachen und schauen sich gemeinsam vorm Fernseher ein Spiel ihrer Söhne an. Es sind die Eltern der Nationalspieler. Und am Ende des Spots sagt eine sonore Sprecherstimme: »DFB – mas integracion«, »Mehr Integration«.

Der Imagefilm bringt es auf den Punkt: Vielfalt bringt Stärke. Unterschiedliche Talente, unterschiedliche Kulturen, andere Herangehensweisen können gezielt eingesetzt werden, um das große Ganze voran zu bringen. Dieses Prinzip entdecken auch immer mehr Führungskräfte außerhalb des Sports: Diversity-Management lautet das Zauberwort. Unternehmen, Behörden, aber auch Länder und Kommunen sehen in der gesellschaftlichen Buntheit zunehmend einen Erfolgsfaktor – und handeln danach.

>> Neue Kunden erschließen <<

Ein Vorreiter dieses Trends ist der Autobauer Ford. Erste Impulse, Vielfalt im Unternehmen zu fördern und professionell zu managen, schwappten vor rund 20 Jahren aus dem amerikanischen Mutterkonzern nach Europa. Diversity im Sinne von Vielfalt und Buntheit ist bei Ford schon lange Programm. Die Verschiedenheit der Belegschaft gilt als strategischer Wettbewerbsvorteil. Im Ford-Werk in Köln hat ein Drittel der Lehrlinge Migrationshintergrund. Insgesamt arbeiten dort mehr als 55 Nationalitäten. Und schon in der Ausbildung lernen die jungen Mitarbeiter den respektvollen Umgang miteinander. Dabei ist die Buntheit kein Selbstzweck, es geht um klar definierte Ziele: »Diversity verkauft Autos«, sagt Brigitte Kasztan, Diversity-Managerin bei Ford Europe. Vor einigen Jahren rührten die türkischen Gemüsehändler am Kölner Großmarkt die Werbetrommel für die Ford-Flotte. Daraufhin schnellte der Ford-Transit-Absatz um fünf Prozent nach oben. Ein Credo von Ford lautet: Wenn Mitarbeiter sich mit all ihren Facetten wertgeschätzt fühlen, bringen sie sich mit ihren Fähigkeiten und Ideen besser ein. Und dies hilft auch, neue Kundengruppen zu erschließen.

>> Effektiver und innovativer werden <<

Auch der Handelskonzern Metro verfolgt das Ziel, möglichst viele unterschiedliche Menschen unter einem Dach zu vereinen. Damit reagiert das in 33 Ländern tätige Unternehmen auch auf den demografischen Wandel. »Wir beschäftigen uns zunehmend mit der Schaffung von altersgerechten Arbeitsplätzen und -prozessen, auch weil neben unseren Kunden auch unsere Mitarbeiter älter und kulturell vielfältiger werden«, erklärt Bettina Scharff, Leiterin Corporate Social Development. Die Internationalität des Unternehmens, in dem mehr als 150 Nationen zusammen arbeiten, erachten die Metro-Manager als strategischen Vorteil. »Eine vielfältige Belegschaft ist ein Gewinn für die Kunden, Mitarbeiter und das Unternehmen«, resümiert Scharff.

Diversity-affinen Firmen geht es keineswegs um karitative Hilfen für »Minderheiten«, sondern um knallharte ökonomische Ziele. Dabei reicht das Vielfaltsprinzip weit über ethnische Kategorien hinaus. Zu den klassischen Dimensionen des Diversity Managements gehören Alter und Geschlecht, religiöse Prägungen, Behinderungen (beziehungsweise Befähigungen) sowie sexuelle Orientierungen. Diese Bandbreite von Vielfalt, richtig gemanagt, rechnet sich. Internationale Studien belegen: Firmen, die auf Diversity setzen, konnten neue Kundengruppen erobern, die Arbeitsatmosphäre verbessern und die Krankheitstage reduzieren. Sogar ihr Börsen- beziehungsweise Verkaufswert stieg.

>>  Neue Ressourcen erschließen>>

Der Autobauer BMW startete 2007 ein ambitioniertes Pilotprojekt. Ein Fertigungsband wurde vollständig auf die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter ausgerichtet – unter anderem, weil BMW erkannte: 2020 wird der Altersdurchschnitt unserer Mitarbeiter 46 Jahre sein. Wer heute durch die Werkhallen bei BMW geht, sieht ergonomisch geformte Stühle, schwenkbare Monitore mit größerer Schrift, einen gelenkschonenden Holzbelag statt des üblichen Betonbodens. Gymnastikpausen und Seminare für die Beschäftigten zum Thema »biologisches Alter« ergänzen die Maßnahmen. Ziel, so heißt es bei BMW, sei nicht die »Schaffung von Seniorenbändern«, vielmehr sollten ältere Mitarbeiter länger effizient arbeiten können und jüngere Mitarbeiter gesünder älter werden. Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen geben den Bayern Recht: Mit dem neu gestalteten Arbeitsbereich konnte die Effizienz trotz des durchschnittlich höheren Alters der Mitarbeiter beibehalten werden. Und die Zufriedenheit der Beschäftigten stieg.

>> Win-win-Situation erzielen <<

Ein weiterer wesentlicher Baustein des Diversity Managements ist das Thema Gender. So formulierte etwa die zweitgrößte deutsche Bank, die Commerzbank, bereits 1989 interne Ziele zur stärkeren Positionierung von Frauen auch in Führungsetagen. Anfang der 80er-Jahre waren lediglich drei Prozent der Führungspositionen mit weiblichen Mitarbeitern besetzt. Heute beträgt ihr Anteil 23 Prozent – und er soll weiter steigen. Auch andere Gruppen genießen bei der Bank besondere Aufmerksamkeit, etwa die schwul-lesbische Mitarbeitergruppe Arco. Durch den Respekt und die Wertschätzung, die man jedem Einzelnen gegenüber bringe – ein Grundprinzip des Diversity-Ansatzes –, fühlten sich die Betroffenen im Unternehmen besser aufgehoben, erklärt Arco-Sprecher Christian Weiß. Und die Kräfte, die Homosexuelle normalerweise in nervenaufreibende Versteckspiele investieren, um ihre Neigungen zu verbergen, können in die Arbeit einfließen. Auch in anderen Bereichen gehen Diversity-Firmen gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein: Damit diese das Berufs- und Privatleben besser vereinbaren können, offerieren sie ihnen nicht nur bei der Arbeitszeitgestaltung sehr flexible Lösungen. Work-Life-Balance lautet die Maxime. Beim Thema Baby bekommt der Chef keinen Tobsuchtsanfall mehr, Eltern-Auszeiten werden nicht als Karrierehindernis, sondern als Selbstverständlichkeit angesehen. Firmenkindergärten und Vätergruppen tragen dazu dabei, dass sich das traditionelle Rollenbild ändert – zur Zufriedenheit der Mitarbeiter. Diese schlägt sich auch in Zahlen nieder: So beobachteten Diversity-Firmen, dass sich zum Beispiel die Fehlzeiten verringerten. Auch die Auszeiten nach der Baby-Pause wurden kürzer. Frisch gebackene Eltern kommen also wieder früher ins Unternehmen zurück, teure Eingliederungsmaßnahmen entfallen. Eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten – eben das ist das Ziel des Diversity-Ansatzes.

 

>> Zur Person:

Zur Autorin: Marion Kraske ist freie (Buch-)Autorin und Dozentin mit langjähriger internationaler Berufserfahrung. Sie arbeitet als interkulturelle Trainerin und Diversity-Management-Beraterin für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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