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Das China-Dilemma

\"ChinasPekings neue Erzkapitalisten schlagen die Märkte mit ihren eigenen Waffen. Das verunsichert die »freie Welt« noch mehr als die alten Erzkommunisten. China-Bashing ist modern. Österreichs Wirtschaft setzt auf Pragmatismus statt auf Ränkespiel – und fährt gut damit.


Die kalten Krieger sind zäh. Seit bald zwei Jahrzehnten wird etwa unterschwellig suggeriert, dass in Moskau – ganz wie in den seligen Zeiten der KPdSU – noch immer imperiale und aggressive Expansionspolitik betrieben wird. So richtig aufgeflammt ist die tendenziöse Berichterstattung rund um den Georgienkrieg. Das Reich des Bösen war von den Medien schneller verortet, als Präsident Saakaschwili in seine Krawatte beißen konnte. Dass ein von den USA bis an die Zähne bewaffnetes und demokratisch höchst fragwürdiges Regime im Hinterhof Russlands für Unfrieden sorgt, ist eine differenzierte Sichtweise, die freilich auch schon immer öfter zu lesen ist. Kommt ein Reich des Bösen abhanden, dann muss flugs ein neues her. Wie praktisch für die Kalten Krieger, dass in China noch Kommunisten an der Macht sind. So muss man die alten Feindbilder nur geografisch leicht nach Osten hin justieren. Und die Medien ziehen weltweit mit und beschwören immer öfter und innbrünstiger die »Gelbe Gefahr«. Das macht selbst vor Qualitätsnischen nicht halt. Kürzlich leistete sich etwa eine Spätabend-»ZiB« ein China-Intro, das derart vollgestopft mit Alarmismus und Pathos war, als ob der Text von George Bush im Weihrauchrausch verfasst worden wäre. Beliebt war jüngst etwa auch die Headline der Marke: »Washington besorgt, Peking rüstet auf!« Dass die Militärausgaben Chinas im Vergleich zu denen der USA fast lächerlich gering sind, fiel nicht selten unter den Tisch. In absoluten Zahlen gemessen gibt das Riesenreich für Rüstung nur rund 30 Prozent mehr aus als »Ministaaten« wie England oder Frankreich. Ganze 27 Millionen Saudis stecken übrigens fast noch halb so viel Geld in ihr Militär wie ganz China mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern. Dass ausgerechnet die Volksrepublik die Welt mit Militärbasen und Kriegen überziehen wird, ist vor diesem Hintergrund ein nur schwer vorstellbares Szenario. Ganz real ist freilich schon ein anderes.

China zückt sein Scheckbuch und geht auf Einkaufstour. Investiert wird im eigenen Vorhof Zentralasien, hier selbst in Afghanistan, quer durch Afrika, in Griechenland, Schweden, sonstwo – und seit neuestem auch in Österreich. Chinas Konten sind prall gefüllt. Die Devisenreserven dürften sich aktuell auf etwas über drei Billionen Dollar belaufen, rund 1,2 Billionen Dollar hat China in US-Staatsanleihen geparkt. Praktiziert wird Kapitalismus in Reinkultur. Fragen nach sozialen Standards, Arbeitnehmerrechten oder gar Demokratie werden den jeweiligen Machthabern der Zielländer erst gar nicht gestellt. Das ist böse, aber wenigstens ehrlich. Der freie Westen trägt zwar das Banner der Demokratie vor sich her, letztendlich entscheiden aber auch hier banale Faktoren wie Geld, Militärpräsenz oder strategische Fragen der Rohstoffsicherung. Letzteres treibt auch die Europäer um. »Die Zeit drängt. Wir müssen uns den Zugang zu Rohstoffen auf der Welt sichern«, sagt etwa IV-Vize-Generalsekretär Peter Koren und spielt damit auf die »Seltenen Erden« an, Rohstoffe, die heute fast zur Gänze von China geliefert werden. Ohne Seltene Erden gäbe es keine Computer, keine Handys, selbst ein Chemie- und Metallurgieunternehmen wie Treibacher wäre ohne diese Rohstoffe aufgeschmissen. Dabei sind die wertvollen Ressourcen nicht einmal so selten, nur aufwendig in der Gewinnung. Der chinesische gelenkte Staatskapitalismus hat sich strategisch lediglich etwas günstiger aufgestellt als die freien Märkte im Westen. Dort gab es zwischen Südamerika, USA und Kanada Minen zuhauf. Da die Konzerne nur in Quartalen und schnellem Profit denken, wurden die Abbaustätten jedoch sukzessive stillgelegt, um die billigeren Seltenen Erden aus China zu kaufen. Kurzfristig war das toll, langfristig gesehen jedoch ein Kapitalfehler.

Pioniere im China-Business

Große Politik wird hierzulande bei österreichisch-chinesischen Beziehungen nicht gemacht. Die Offiziellen aus Politik und Wirtschaft halten sich eher heraus. Kritische Fragen nach Standards jeglicher Art werden kaum oder nur verschämt gestellt. Das ist Pragmatismus in Reinkultur – und Österreich fährt nicht schlecht damit. In den 80ern war etwa Helmut Sohmen – er heiratete in eine Hongkonger Reederfamilie ein und ist laut Forbes mit 1,4 Milliarden Dollar Vermögen der viertreichste Österreicher – ein exotischer Star der Wirtschaftspresse. Seither sind die Investitionen in China in den Himmel geschossen (siehe Kasten). »Chinas Bedeutung für die heimische Wirtschaft zeigt sich alleine schon dadurch, dass die Volksrepublik 2010 die USA als wichtigster überseeischer Außenhandelspartner überholt hat«, sagte WKO-Chef Christoph Leitl beim Forum »Wirtschaftsmacht China«. Einige Unternehmen waren vom Anfang an mit dabei. Zu den ausgesprochenen »China-Oldies« zählt Raiffeisen. Aber im Osten war die Bank immer schon schnell vor Ort. In Ungarn etwa etablierte sich die RZB schon 1987, ganze zehn Jahre bevor Erste-Boss Andreas Treichl überhaupt seinen »erweiterten Heimmarkt« definierte und im Osten mit den ersten »Greenfield-Investments« startete. Nach Ungarn expandierte Raiffeisen im Osten Schlag auf Schlag und war bald zwischen Moskau und Tirana präsent. Der Startschuss für das China-Engagement des »Grünen Riesen« ist fast schon historisch. 1976 – ausgerechnet in Maos letztem Lebensjahr – gründete Raiffei­sen die erste Repräsentanz in der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong. Seit 1995 sitzt Raiffeisen in Peking, wo es seit zehn Jahren auch eine eigene Filiale gibt. Ebenfalls historisch: Der RZB gelang 2000 das Kunststück, als erstes ausländisches Kreditinstitut eine Banklizenz für Peking zu ergattern. Nur wenige Jahre später folgte die Lizenz zur Geschäftsabwicklung in der Lokalwährung Renminbi – nicht nur schon damals ein für Auslandsbanken höchst rares Privileg. Neben Filialen in Peking und Xianmen verfügt die Raiffeisen Bank International heute über eine Repräsentanz sowie eine Finance Company in Hongkong.

In den letzten Jahren wurden darüber hinaus zwei Repräsentanzen in der Küstenstadt Zhuhai und im nordchinesischen Industriezentrum Harbin gegründet. »Das sind die Früchte unserer nachhaltigen Tätigkeit in China. Wir sind ein Bindeglied zwischen den Wachstumsmärkten in CEE und Asien«, sagt RBI-Vize Karl Sevelda. Auch AT&S setzte schon früh auf massive Präsenz im Fernen Osten. Schon 1999 – zwölf Jahre nach Gründung – startete der Leiterplattenhersteller mit einem Werk in Indien, China folgte 2001, Korea schließlich 2006. Nach der Hafenstadt Shanghai geht AT&S auch im zentral gelegenen Chongqing an den Start, wo ab Anfang 2013 produziert werden wird. Chong­qing ist eine der zahllosen Millionenstädte, die quer durch das Land wuchern – und von denen die meisten Europäer noch nie etwas gehört haben. Dabei hat es die Stadt in sich und ginge in der EU schon als eigener Staat durch. Alleine im alten Stadtkern leben 4,3 Millionen Menschen. Die gesamte Stadtfläche ist etwa so groß wie Österreich und hat auch etwa so viele Einwohner. AT&S wird sein jüngstes Werk im neuen Industriepark Chongqings ansiedeln. Insgesamt investierte der Leiterplattenhersteller bisher mehr als 600 Millionen Euro in China und ist dort damit der größte österreichische Auslandsinvestor.

Ganz ohne PR-technischen Wirbel ist das starke Fernost-Engagement nicht abgelaufen. Als AT&S sein Werk im steirischen Fohnsdorf 2005 dicht machte und die Produktion ins Stammwerk Hinterberg verlagerte, folgte prompt Kritik. Der Tenor damals: Mehrheitseigner und »Jetzt-doch« Millionär Hannes Androsch verlagere lediglich Arbeitsplätze in Billiglohnländer, um die eigenen Renditen in die Höhe zu treiben. Die Kritik, vornehmlich von alten SPÖ-Weggefährten und der aufgebrachten SPÖ-Basis geäußert, ließ Androsch kalt. Mehrfach verwies er darauf, dass es den Konzern heute nicht mehr gäbe, wenn man nicht auf die Entwicklungen reagiert hätte. Die Argumentation hat etwas für sich. Speziell im Elektronik-Business spielt die Musik im Fernen Osten. Computer, Handys oder Baugruppen, die woanders produziert werden, sind mittlerweile weltweit ein rares Gut. Wer nicht vor Ort produziert, verliert die Nähe zu den Kunden. Dass die Arbeitskosten extrem günstig sind, dürfte eher eine zusätzliche Dreingabe sein.

»Love it or leave it«

Zu den ausgesprochenen China-Fans zählt auch RHI. Bei einer Präsentation im AWO Forum im Jänner stand das Motto eines Erfahrungsberichtes gleich als Überschrift auf der ersten Powerpoint-Folie: »China: love it or leave it«. Der Feuerfestkonzern hat sich für Liebe entschieden und beschäftigt an vier Produktionsstandorten 1400 Mitarbeiter, die einen China-Umsatz von rund 100 Millionen Euro generieren. Erst jüngst steckte RHI 13 Millionen Euro in den Ausbau des Werkes in Dalian, das seinen Output ab September auf 270.000 Tonnen jährlich steigern wird.

Ein Spaziergang sind China-Investments nicht. RHI ortet ein etwa »herausforderndes regulatorisches Umfeld«. Kaum standen die Werke, änderten sich die Rahmenbedingungen signifikant. China führte eine Export-Mehrwertsteuer auf Feuerfestprodukte und Exportlizenzen für Rohstoffe ein. Sowohl Lizenzen wie Rohstoffe sind ein knappes Gut – und damit teuer. Gleichzeitig führten Europa und die USA Anti-Dumping-Maßnahmen für einige Feuerfestprodukte ein. Wer in China tätig ist, kann statische Businesspläne vergessen. Flexibilität und Durchsetzungskraft sind auch beim Schutz des geistigen Eigentums angesagt. Beim Warten auf den Zahlungseingang ist jedoch Geduld die wichtigste Tugend. Wer alle Klippen und Hürden umschifft, dem winkt als Belohnung ein gewaltiges Marktpotenzial. Der Feuerfestverbrauch pro Tonne Stahl ist in China etwa doppelt so hoch wie im Westen. Und die Stahlindustrie der Volksrepublik produziert bereits jetzt 44 Prozent des weltweiten Ausstoßes.

Dass die Konzerne Businesspläne und Unternehmensstrategien unter Ausblendung von Arbeiterrechten und Löhnen fahren, kann PR-technisch auch ins Auge gehen. Nicht nur AT&S-Mehrheitseigner Hannes Androsch stand schon in der Kritik der Öffentlichkeit. Der Weltkonzern Apple verlangt für seine Produkte Apothekerpreise, bei Hauptproduzent Foxconn herrschen jedoch »Befehl und Gehorsam«, wie der Spiegel kommentierte. Eine freundliche Umschreibung für menschenunwürdiges Lagerleben am Rande des Existenzminimums, das schließlich zu einer Selbstmordwelle bei Foxconn führte. Unter dem Druck der Öffentlichkeit gelobten die Partner Besserung, Glauben schenken muss man den PR-Aussagen aber nicht wirklich. Auch der saloppe Umgang mit Umwelt- oder Produktionsstandards führte schon zu Verwerfungen. Plastikspielzeug aus China hat fast schon den Ruf von Atomtechnologie aus Fukushima. Manchmal hat das auch ganz reale Auswirkungen. Letztes Jahr kämpfte der Baustoffhersteller Knauf mit der US-Justiz. Die chinesische Tochterfirma Plasterboard Tianjin verkaufte in Amerika Gipskartonwände, die nicht nur nach faulen Eiern stanken, sondern auch noch durch schwefelige Säure Korrosionsprobleme für die Häuselbauer verursachten. Im damaligen Bauboom konnte sonst niemand die benötigten Mengen liefern.

Fast unausweichlich hatte der »Chinese-Drywall«-Skandal auch politische Folgen. »America’s Watchdog« etwa wollte nicht nur Senatoren, sondern auch Barack Obama dazu zwingen, die Schäden persönlich in Augenschein zu nehmen. Gewichtigstes Argument: Im Süden der USA fielen wegen Korrosion nicht nur Waschmaschinen aus, sondern vor allem Fernseher. Wenn Rupert Murdochs Fox nicht mehr über die Bildschirme flimmert, hört sich für die US-Bürger der Spaß auf.

 

>> Die Warenströme explodieren:

In der jüngsten Exportstatistik liegt China mit einem Anteil von 2,6 Prozent »nur« auf Platz 9. Rechnet man freilich den Importanteil von 4,8 Prozent dazu, hat China bereits die USA als wichtigster überseeischer Außenhandelspartner überholt. Aber diese Zahlen sind ohnehin nur eine Momentaufnahme. Der Warenverkehr mit China ist regelrecht explodiert. Seit 1999 haben sich die Importe versechsfacht, die Exporte stiegen immerhin noch um 250 Prozent. Gut 60 Prozent des Handelsbilanzminus von rund 4,4 Milliarden Euro gehen auf das Konto der Volksrepublik. In jüngster Zeit steigen auch die Investitionen Chinas in Österreich. Jahrelang um Null herum, schnellten diese 2009 auf 146 Millionen Euro in die Höhe. Aktuell haben zehn chinesische Unternehmen hierzulande Niederlassungen oder Vertriebsbüros.

 

>> Österreichs China-Pioniere:


> Raiffeisen ist in China schon so etwas wie ein Urgestein. Der erste Brückenkopf wurde 1976 – Maos Todesjahr – in der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong errichtet. 2000 ergatterte die RZB als erstes ausländisches Institut eine Banklizenz für Peking. Vier Jahre später folgte die Lizenz zur Geschäftsabwicklung in der Lokalwährung Renminbi.

> AT&S setzte schon früh auf Präsenz im Fernen Osten. 1999 startete der Leiterplattenhersteller mit einem Werk in Indien, China folgte 2001, Korea schließlich 2006. Nach Shanghai geht AT&S auch in Chongqing an den Start, wo ab Anfang 2013 produziert werden wird. Insgesamt investierte AT&S bisher mehr als 600 Millionen Euro in China und ist dort damit der größte österreichische Auslands­investor.

> RHI zählt in China zu den bedeutenderen Auslandsinvestoren. Der Feuerfestkonzern beschäftigt in der Volksrepublik an vier Produktionsstandorten rund 1400 Mitarbeiter und erzielt in China einen Umsatz von 100 Millionen Euro jährlich. Erst jüngst investierte RHI 13 Millionen Euro in den Ausbau des Werkes in Dalian, das seinen Output ab September auf 270.000 Tonnen jährlich steigern wird.

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