Gegen die Krise investieren
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Der Wirtschaftsstandort Wien hat in den letzten Jahren ein starkes Fundament für zukünftiges Wachstum geschaffen. Auch die Krise wurde ganz gut gemeistert. Um den Aufschwung zu sichern, wird weiter kräftig investiert.
Die Nomenklatur hat sich geändert, der Inhalt ist der gleiche geblieben. Früher hieß es despektierlich, Wien sei der »Wasserkopf der Republik«, heute spricht man vom wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentrum Österreichs. In Wien leben 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung auf 0,5 Prozent der Gesamtfläche. In Wien befinden sich je fast ein Viertel aller österreichischen Kleinst- und Großbetriebe. Der Anteil bei den kleinen und mittleren Betrieben liegt bei je rund 20 Prozent.
Aber auch im internationalen Vergleich steht Wien gut da. Denn mit über 73 Milliarden Euro hat Wien nicht nur das höchste Bruttoregionalprodukt aller Bundesländer und mit 41.500 Euro das höchste BIP pro Kopf, sondern zählt auch zu den Top Ten der wirtschaftlich stärksten Städte Europas. Im Vergleich aller Regionen der EU-27 liegt Wien an achter Stelle. Auch beim Big Mac-Index mischt Wien vorne mit. Dieser verlässliche Indikator für die Wirtschaftskraft gibt an, wie lange ein Beschäftigter für den Kauf eines Big Macs arbeiten muss. Wien liegt dabei weltweit mit einer Dauer von 17 Minuten an fünfter Stelle. An der Spitze steht London mit 13 Minuten, gefolgt von Zürich, Dublin und Luxemburg mit je 15 Minuten. Hinter Wien folgen Brüssel mit 19 Minuten, Stockholm mit 20 Minuten, Moskau mit 21 und Prag schon etwas abgeschlagen mit 39 Minuten.
Stärken stärken
Die positive Entwicklung der letzten Jahre ist nicht zuletzt der im Jahr 2007 ins Leben gerufenen FTI-Strategie zu verdanken. Dabei ging es der Stadtregierung vor allem darum, bestehende Stärkefelder weiter auszubauen. Davon profitiert haben vor allem die Bereiche Life Sciences, Informations- und Kommunikationstechnologien und die Creative Industries.
Heute beschäftigen die rund 250 Biotech- und Pharma-Betriebe in Wien insgesamt etwa 14.000 Mitarbeiter. Bei den forschenden und produzierenden Unternehmen dieser beiden Branchen sind rund 7.700 Personen tätig. Die knapp 300 Medizintechnikfirmen in Wien beschäftigen derzeit an die 14.300 Mitarbeiter. Von 2000 bis 2009 sind in Wien rund 220 neue Life-Sciences-Unternehmen gegründet worden, davon etwa 90 im Medizintechnik-Bereich. Alleine in der Dekade von 1998 bis 2008 wurden rund 450 Life-Sciences-Projekte mit mehr als 100 Millionen Euro durch Wiener Fördermittel unterstützt. Dazu kommen noch die Errichtung von Laborimmobilien und die Bereitstellung modernster Forschungsinfrastruktur. Allein für Letzteres werden in den kommenden zehn Jahren knapp 30 Millionen Euro fließen.
Mit weit über 5.000 Firmen aus dem IKT-Bereich und knapp 70.000 Beschäftigten ist Wien auch einer der größten Informations- und Kommunikationstechnologie-Standorte Europas und das IKT-Zentrum Mitteleuropas. Mit fast 20 Milliarden Euro erwirtschaften Wiener IKT-Firmen fast 70 Prozent des gesamtösterreichischen Umsatzes der IKT-Branche. Acht Prozent der Wiener Unternehmen sind im IKT-Bereich tätig, dazu zehn Prozent der Wiener Beschäftigten, die für 15 % der Wiener Wertschöpfung sorgen.
Viel Potenzial sehen die Stadtoberen auch in den mehr als 18.000 Unternehmen der boomenden Kreativindustrie. So hat sich etwa im Media Quarter Marx im 3. Bezirk ein Zentrum für die Entwicklung der Medienszene in Wien etabliert, das täglich unter anderem 40 Stunden Sendematerial liefert.
Mit seinen 3.500 Quadratmetern ist das Media Quarter aber längst an seine Auslastungsgrenzen gelangt, deshalb sollen jetzt rund 25.000 Quadratmeter inklusive einem voll ausgestatteten Filmstudio hinzukommen. Die Verhandlungen mit potenziellen Mietern sind laut Wirtschaftsagentur schon weit vorangeschritten, Gespräche gibt es auch mit dem ORF, der dem Küniglberg bald den Rücken zukehren wird.
Erfolgreiches Krisenmanagement
Die Krise ist natürlich auch an Wien nicht spurlos vorüber gegangen, im Gegensatz zu anderen Regionen ist die Bundeshauptstadt aber mit einem blauen Auge davongekommen. »Wien hat im Krisenjahr den geringsten Anstieg an Arbeitslosigkeit«, erklärt Renate Brauner. Den Grund dafür sieht die Vizebürgermeisterin in den Konjunkturmaßnahmen der Stadt, die unmittelbar Wirkung gezeigt hätten. 700 Millionen Euro wurden in so standortrelevante Bereiche wie Infrastruktur und Forschung und Entwicklung oder in sozialpolitisch wichtige Bereiche wie die Arbeitsmarktpolitik gepumpt.
Dabei wurde vor allem der Jugendarbeitslosigkeit der Kampf angesagt. Initiativen wie die Wiener Ausbildungsgarantie haben dazu geführt, dass die Zahl der Lehrstellensuchenden sogar am Höhepunkt der Krise rückläufig war. »Darüber hinaus haben wir eine eigene Kummer-Nummer für alle Fragen zu Lehrstelle und Beruf ins Leben gerufen. Denn junge Leute im Stich zu lassen, ist nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch bildungs- und wirtschaftspolitisch fatal«, ist Brauner überzeugt.
Investieren gegen die Krise
Weil sich aber auch bis Wien herumgesprochen hat, dass die Krise noch nicht vorbei ist, kündigt Brauner an, dass auch in Zukunft »weiter gegen die Krise investiert und nicht in die nächste Krise hineingespart wird«. Während andere Länder und auch der Bund mit dem Rotstift wüten und selbst angekündigte Investitionen plötzlich wieder in Frage stellen, will Wien auch in Zukunft Konjunkturmotor und Stabilitätsanker sein. Die Ausgaben sollen so lange auf einem hohen Niveau gehalten werden, bis sich ein selbst tragendes Wachstum einstellt. Schon der Rechnungsabschluss 2009 weist Rekordinvestitionen von 1,810 Milliarden Euro aus. »Die Investitionsquote von 16 Prozent kann sich sehen lassen. Und wir investieren weiter«, so Brauner, wobei die öffentliche Hand ganz gezielt den privaten Nachfrageausfall zu kompensieren versuche. So investieren alleine die Wiener Stadtwerke in den nächsten Jahren 4,2 Milliarden Euro in Nahverkehr und Energieversorgung. Das soll indirekt rund 60.000 Arbeitsplätze sichern. Im beschäftigungsintensiven Bau- und Baunebengewerbe wurden 2009 fast zwei Milliarden Euro investiert, das sind 313 Millionen mehr, als veranschlagt waren. Auch die nachfragewirksamen Investitionen haben 2009 mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro einen Rekordwert erreicht.
Viel Geld fließt auch in die Wirtschaftsförderung. Dabei steht vor allem die Ansiedlung neuer Unternehmen im Fokus. Im abgelaufenen Jahr konnten so 89 internationale Unternehmen nach Wien gelotst werden. Insgesamt wurden im letzten Jahr 200 Millionen Euro für die Wirtschaftsförderung im engeren Sinn ausgegeben. Darüber hinaus wurde auch für Forschung, Technologie und Entwicklung im engeren Sinn ein Spitzenwert von 90 Millionen Euro erreicht.
Im Bereich Bildung und Kinderbetreuung wurden über 1,5 Milliarden Euro investiert. Speziell das Gratis-Kindergartenjahr soll als zentrale Unterstützungsmaßnahme ein wichtiges Element für neue Wachstumsimpulse sein. »Der Gratis-Kindergarten eröffnet den Eltern in Wien neue Möglichkeiten, er entlastet den Mittelstand ganz erheblich und er bringt vor allem den Kindern bessere Zukunftschancen. Gleichzeitig lösen die Zusatzmittel für den Gratis-Kindergarten mehr Beschäftigung aus und stützen nachhaltig den Konsum, der für die Konjunkturentwicklung entscheidend ist«, so Brauner.
Besonders gerne wird im Wiener Rathaus das Beratungsunternehmen Mercer zitiert. Zum zweiten Mal in Folge weist der »Quality of Living Report« Wien als die Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt aus. Dieses hohe Niveau zu halten, lässt sich Wien einiges kosten. Jährlich mehr als eine Milliarde Euro fließen in die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Daseinsvorsorge wie etwa den Nahverkehr oder die Wasserversorgung. Eng verbunden mit der Lebensqualität ist die Sicherung von leistbarem Wohnen in Wien über die Wohnbauförderung. Diese erreichte 2009 ein Niveau von 629 Millionen Euro.
Neue Unternehmen in Wien
>> Wien hatte im Jahr 2009 mit einer Zahl von 7.794 die meisten Unternehmensneugründungen Österreichs. Dieser Wert entspricht etwa 26,8 Prozent aller Neugründungen in Österreich. Die meisten neuen Unternehmen kommen aus den Branchen IT-Dienstleister, Unternehmensberater, Werbung und Marktkommunikation, Kleintransporteure, Finanzdienstleister und Gastronomie. 33 Prozent der Unternehmen wurden von ausländischen Staatsbürgern gegründet, der Frauenanteil lag 2009 bei 38 Prozent. Durch die Neugründungen entstanden knapp 4.500 neue Arbeitsplätze in Wien.
Internationale Drehscheibe
>> Wien hat sich auch international einen guten Namen gemacht. Insgesamt 18 internationale Organisationen beherbergt die Stadt. Sowohl die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als auch die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) haben ihren Sitz in Wien. Dazu ist Wien neben New York, Genf und Nairobi einer der vier Amtssitze der UNO. Sämtliche internationale Organisationen beschäftigen rund 5.000 Personen und haben zusammen ein Budget von knapp 600 Millionen Euro. Durchschnittlich 64 Prozent der von den internationalen Organisationen bezahlten Gehälter werden in Österreich ausgegeben.
Wien kann laut dem Immobiliendienstleister Cushman & Wakefield auch als günstiger Bürostandort punkten. Die Wiener Büromieten sind weit billiger als in Hongkong, London, Frankfurt, Zürich, Moskau oder New York. Auch gegenüber den mittelosteuropäischen Standorten Prag und Warschau hat Wien die Nase vorn. Selbst im Vergleich zu Bratislava und Budapest liegen die Büromieten in Wien nicht viel höher. Das ist auch für internationale Unternehmen ein gewichtiges Argument. Derzeit haben rund 300 internationale Unternehmen ihre Osteuropa-Zentrale in Wien, darunter klingende Namen wie Beiersdorf, Canon, Henkel, Heineken oder Siemens.