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»Ziemlich verrückter Markt«

Report: Wie sehen Sie die Telekom Austria Group in der Region CEE positioniert? Wird stark wird die Internationalisierung auf dieser Ebene weiter voranschreiten? Welche Rolle spielen darin Telekom Austria & mobilkom?
Boris Nemsic: Südosteuropa spielt für die Telekom Austria Group eine sehr wichtige Rolle. Im Geschäftsjahr 2006 wurden schon über 40 Prozent des Konzernumsatzes von unseren Tochterfirmen in Slowenien, Kroatien und Bulgarien erwirtschaftet, 2002 waren das erst 20 Prozent. Die Ergebnisse unserer Tochterfirmen sind hervorragend, ich bin mit der Entwicklung und mit dem, was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut und erreicht haben, sehr zufrieden.

Ich sehe uns als einen der stärksten regional fokussierten Player - und zwar einen Player, der durch die besondere Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten auf den osteuropäischen Märkten erfolgreich unterwegs ist. Mit Vip mobile in Serbien, die dieser Tage den regulären Betrieb aufgenommen hat, haben wir das angestrebte Ziel erreicht - wir haben zwischen dem Bodensee und dem Schwarzen Meer ein durchgängiges Gebiet, in dem wir als international erfolgreicher Kommunikationskonzern tätig sind.Im Herbst folgt der Launch unseres neuen Providers in Mazedonien und sobald die Regierung von Bosnien-Herzegowina die Ausschreibung für die Privatisierung startet, werden wir dieses Projekt angehen. Wie Sie sehen, ist die Bedeutung unserer Auslandsaktivitäten sehr hoch. Hält man sich die Rahmenbedingungen des österreichischen Marktes vor Augen, wird das Gewicht unserer Osteuropa-Aktivitäten noch weiter steigen.

Zum Markt in österreich: Die Festnetzbetreiber und der VAT sind ob der konsolidierenden Entwicklung bei dem Kauf von eTel durch Telekom Austria in österreich unglücklich. Sie befürchten, der Markt bewege sich auf eine Remonopolisierung zu. Tut er das?
Die Telekom-Branche ist sehr investitionsintensiv - denken Sie nur an Aufbau und Betrieb einer flächendeckenden Infrastruktur - so, wie wir das tun. Außerdem ist die Telekom-Branche in ihrem Lebenszyklus sehr weit fortgeschritten. In reifen Branchen, in denen ein Service oder Produkt zumeist nur mehr über Preisdifferenzierung verkauft wird, ist die Konsolidierung auf Anbieterseite durch übernahmen oder Zusammenschlüsse eine Selbstverständlichkeit. Warum sollte das in unserer Branche anders sein?

In Bezug auf die VAT-Behauptungen muss man, so glaube ich, zumindest in zweierlei Hinsicht differenzieren. Erstens: Wenn ein Anbieter bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen, um in eigene Infrastruktur zu investieren ist das etwas ganz Anderes als wenn man als reiner Reseller mit großem Marketing-Trara auftritt und einzig und allein die überkapazitäten anderer Provider verkauft. Welchen volkswirtschaftlich nachhaltigen Nutzen sollen diese Firmen bringen - noch dazu auf einem preislich vollkommen ausgereizten Markt wie österreich?

Zweitens vermisse ich bei manchen Leuten den Blick über den Tellerrand. In Wirklichkeit haben die reinen Festnetz-Anbieter kein Problem mit der neuen Festnetz- Akquisition,sondern mit der Fixed-Mobile Substitution: Wenn zwei von drei Telefonaten über Handys geführt werden und ich ein reiner Anbieter von Festnetz-Telefonie bin, also ohne eine zusätzliche mobile Schiene, dann habe ich ein echtes strategisches Problem. Betrachtet man also den gesamten Kommunikationsmarkt, entpuppt sich das Argument des VAT als reichlich konstruiert.

Das in österreich herrschende Problem der extremen Migration des Sprachtelefonieverkehrs vom Festnetz in die Mobilfunknetze scheint aufgrund der Regulierungssituation teils hausgemacht. Als Vorstandsvorsitzender der Telekom Austria Group und als CEO mobilkom austria sehen Sie diese Entwicklung wohl mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Welche Hoffnung hat das Festnetz heute? Wie werden sich künftige Investitionen ins Festnetz finanzieren lassen?
Die österreichischen Marktverhältnisse sind ziemlich verrückt, ich glaube da sind sich ausnahmsweise wirklich alle Anbieter einig. Die Fixed-Mobile Substitution kommt natürlich zu einem gewissen Grad der mobilkom austria zu Gute. Am Ende des Tages müssen aber beide Geschäftsfelder, Festnetz und Mobilkommunikation, ihren Beitrag zum Gesamtergebnis der Telekom Austria Group leisten.

Die Festnetzgesellschaft ist bei den Themen Breitband, Multimedia im Privatkundenbereich und bei Outsourcing, IT-Servces sowie im Wholesale gut unterwegs. Auch die Security Services entwickeln sich unseren Erwartungen entsprechend. Unsere Ziele und Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Erosion der Sprachtelefonie auf mehreren Ebenen, sprich mit den zuvor angesprochenen Services, abzufangen. Wir investieren nach wie vor in den Breitbandausbau, reduzieren die weißen Flecken und damit die digitale Kluft. Mit darauf aufbauenden Services wie aonDigital TV treiben wir wiederum die Entwicklung von neuen Applikationen voran. Ich glaube, dass gerade unsere Aktivitäten bei Breitband und digitalen Medien unsere Investitionsbereitschaft gut demonstrieren.

Was die Regulierung betrifft, sollte sich die Behörde aus unserer Sichtweise darauf konzentrieren, investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen - denn nur mit Investitionen in eine leistungsfähige IKT-Infrastruktur und mit neuen Technologien kann österreich als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb punkten. Die künstlich geschaffene Benachteiligung von mobilkom austria gegenüber der T-Mobile durch asymmetrische Interconnection-Kosten, um nur ein Beispiel zu nennen, hat ja nichts mit der ursprünglichen Intention der Wettbewerbsbelebung zu tun.

Zur viel beschworenen Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk: Wie sieht die Roadmap bei der Telekom Austria Group zu echten netzübergreifenden Angeboten und Services aus? Wird es eines Tages eine einzige Rechnung für - sagen wir - ein Breitbandangebot, fest- und mobilbasierend, geben? Was haben Sie dazu in der Schublade?
(lacht) Sie wissen sehr gut, dass das Billing eine der größten technischen Herausforderungen in der gesamten Telekommunikationsbranche ist. Konvergenz bezieht sich ja nicht ausschließlich auf Endgeräte, sie kann auch in den Systemen im Hintergrund ablaufen. Das ist übrigens ein betriebswirtschaftlicher Ansatz, den wir im Bereich der mobilkom austria-Töchter schon lange verfolgen.

Als Beispiel offensichtlicher Konvergenz würde ich unsere in der Business Community etablierten Blackberrys samt Push-Mail-Funktionalität bezeichnen. Wenn ich an unseren Capital Market Day zurückdenke, hatten wir unter den Teilnehmern eine Blackberry-Dichte von gut 90 Prozent. Wie auch beim Siegeszug des Handys selbst, werden derlei innovative Dienste im ersten Schritt vor allem von Geschäftsleuten genutzt.

Ein Massengeschäft daraus zu machen, wäre sicher interessant - es würde aber andere regulatorische Rahmenbedingungen erfordern, um dieses zweifellos vorhandene Marktpotenzial in österreich ausschöpfen zu können.

Aus meiner Sicht bieten sich vor allem Produktbündel an, sofern man uns auf regulatorischer Seite nicht zu sehr einengt. Und auch hier gilt: Das richtige und marktkonforme Setting durch die Behörde ist ein absolutes Muss! Wenn das passt können wir Produktbündel schnüren, auch wenn es weiterhin getrennte Rechnungen geben wird.

Welche Entwicklung bzw. welche Technologie ist für Sie derzeit am spannendsten zu beobachten. Von welcher Technologie wird man demnächst noch mehr hören?
Aus Kundensicht sind sinnvolle Services das wirklich Interessante und nicht unbedingt die dahinter stehenden Technologien, die für mich als Techniker natürlich immer eine große Rolle spielen. Auf der Privatkundenseite sehe ich user generated content immer mehr auf die mobile Welt überschwappen. Wir bieten hier bereits Services an, um diesen Trend in österreich auf das Handy zu bekommen. Neben diesen Entertainment-Services werden immer mehr Handy-basierte Dienstleistungen entwickelt, um das Leben der User zu vereinfachen oder ihnen ganz einfach mehr persönliche Freiheit zu ermöglichen. Ich denke hier an Services, die auf mobilem TV basieren, ich denke an Near Field Communication, wenn es um die Convenience beim Bezahlen geht, oder an E-Mail am Handy für mehr Flexibilität.Die Medienlandschaft wird durch die Digitalisierung weitere Innovationsschübe bekommen, wir werden hier sicher noch viele tolle Dinge erleben. Mit IMS (IP Multimedia Subsystem, Anmerkung) stehen uns mächtige und kosteneffiziente Werkzeuge zur Verfügung, die wir für eine endgerätespezifische Aufarbeitung von digitalen Inhalten benötigen. Sei es VoIP oder DVB-H, sei es eine Streaming-Lösung oder auch aonDigital TV.

Im Businessbereich glaube ich, dass wir im IKT-Lösungsgeschäft sehr gut aufgestellt sind und unsere Position durch stärkere Verknüpfung von Festnetz, IT-Services und mobilen Applikationen weiter festigen können. Egal ob im Büro, in der Lagerhalle oder auf der Straße: Die Effizienzsteigerung durch professionelle IKT-Services ist ein wichtiges Thema - und zwar nicht nur bei einer rein betriebswirtschaftlichen, sondern bei einer ökologischen Betrachtung.

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