Sicher ist Sicher - Teil II
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Absolute Sicherheit ist eine Illusion. Mit Prävention kann Ganoven jedoch das Handwerk zumindest erschwert werden. Im geschulten und aufmerksamen Personal sowie in sinnvoll eingesetzter Sicherheitstechnik sehen Experten wirkungsvolle Schutzmaßnahmen für analoges und digitales Eigentum.
Von Karin Legat
Die Sicherheitsindustrie gehört weltweit zu den am stärksten boomenden Wirtschaftssektoren. Allein 2007 betrug das Umsatzvolumen der Branche Sicherheitsdienstleistungen 130 Milliarden US-Dollar. Laut der Studie »Sicherheitsindustrie« des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts besitzt der globale Markt für Sicherheitsdienstleistungen sogar das Potenzial, sich bis 2015 zu verdoppeln. Mit 44 % bildet der Personen- und Objektschutz das wichtigste Marktsegment, gefolgt von Alarmanlagen (28 %) und Sicherheitstransporten (9 %). In Österreich hat die Sicherheitsindustrie seit Jahren eine Poleposition inne. Unser Land zählt weltweit zu den sichersten Staaten. Dennoch gibt es Vorbildländer: In Großbritannien liegen die Security-Ausgaben pro Einwohner etwa um das 15-Fache höher. Dennoch ist absolute Sicherheit illusorisch, Bevölkerung und Unternehmen können Kriminellen ihr Verbrecherleben aber erschweren. Vielfach bildet bereits gute Prävention ausreichende Abschreckung.
Täter setzen immer am schwächsten Glied der Sicherungsmaßnahmen an. Es gilt daher, die baulichen Maßnahmen so zu adaptieren, dass sie zuverlässig ungewünschten Eintrittsversuchen Widerstand leisten. »Wir reagieren auf die Bedürfnisse von Privaten und Unternehmen mit einem umfassenden Leistungspaket. Beratungstätigkeiten werden dabei ebenso angeboten wie die Umsetzung von Sicherheitskonzepten und regelmäßige Dienstleistungen wie die Wartung oder der Aufbau einer Sicherheitszentrale«, fasst Thomas Ollinger, Geschäftsführer von SECURITY LAND, das Tätigkeitsfeld seiner Branche zusammen.
Im Zusammenhang mit Sicherheitstüren weist Alexandra Nagy, Unternehmenssprecherin von EVVA, auf die hohe Bedeutung der sogenannten Widerstandsklassen hin. »Einfache Wohnungstüren sind für routinierte Langfinger oft ein Kinderspiel. Wenn jemand weiß, wo er ansetzen muss, ist das Knacken einer Standardtür eine Angelegenheit weniger Minuten, manchmal weniger Sekunden, ein paar Handgriffe genügen.«
Sicherheitstüren machen Einbruchsversuche oft zunichte. »Je nach Widerstandsklasse üben sie fünf bis 20 Minuten Widerstand gegen das Hebelgesetz aus. Das reicht meistens, Eindringlinge zum Aufgeben zu bewegen«, berichtet Nagy aus ihrer täglichen Arbeit. »Ein Großteil der Einbrecher resigniert, wenn sie es nicht innerhalb von zwei Minuten in die Wohnung oder in das Büro schaffen.«
Das Bewusstsein wächst
Neben der Sicherheitstechnologie nimmt auch die Sicherheitslehre einen bedeutenden Platz in der Unternehmenspolitik ein. Nicht jeder Firmeninhaber kann sich eigene Sicherheitsmanager leisten. Speziell kleinere Unternehmen betreiben daher individuell Prävention im analogen und digitalen Bereich und sensibilisieren ihre Mitarbeiter. »Bis vor kurzem war die Gewährleistung von Sicherheit in Unternehmen eine Zusatzaufgabe für die Mitarbeiter. Inzwischen investieren Firmen viel Geld in ihre Sicherheit und erwarten möglichst strukturierte und koordinierte Sicherheitskonzepte«, beschreibt Nathalie Waldau, Studiengangsleiterin des Universitätslehrgangs für »Security and Safety Management« an der Donau-Universität Krems.
»Sicherheit hat zwar einen sehr hohen Stellenwert, trotzdem ist es schwer, von einem boomenden Markt zu sprechen«, relativiert Alexandra Nagy die bisher positiven Meldungen zur Sicherheitsindustrie in Österreich. »Die Produkte sind langlebig und keine Verbrauchs-, sondern Investitionsgüter. Ein guter Schließzylinder kann Jahrzehnte funktionieren, ohne dass jemals Schwierigkeiten auftreten. Dabei besteht er oftmals aus über 100 Einzelteilen, die nur durch ein perfektes mechanisches Zusammenspiel funktionieren.«
Positive Auswirkung der Krise
Auch bei Alarmanlagen geht man von einem gewissen Sättigungsgrad aus, sodass der Markt nicht ständig mit der gleichen Geschwindigkeit weiter wachsen kann. Einen positiven Einfluss auf die Sicherheitsbranche hat laut EVVA die weltweite Wirtschaftskrise. Eine Untersuchung der Karmasin-Marktforschung ergab, dass mit schwierigen Zeiten ein deutlicher Anstieg der Investitionen im Bereich der Sicherheit einhergeht. Die Auswahl der Produkte ist jedoch sehr divergent. Während bei Privatpersonen in den vergangenen Jahren generell ein Trend zu höherwertigen Schließsystemen erkennbar war, steht in Krisenzeiten eher die Rundum-Sicherheit mit Alarmanlagen und z.B. Fensterabsicherungen im Vordergrund. Im Firmenbereich wird die Preissituation zwar ebenfalls sensibler gesehen, vorhandene Sicherheitslücken des Betriebs werden dennoch ausgemerzt und ein Perimeterschutz, wie verstärkte Außenhautabsicherungen, Videoüberwachung etc. angedacht. EVVA reagiert mit einem eigenen Alarmanlagenportfolio auf diese Entwicklung.
Bei der Wahl des Sicherheitssystems ist für Thilo Deutsch, Geschäftsführer der Kaba GmbH Österreich, die Struktur und Organisation des zu schützenden Objekts entscheidend. »Bürogebäude sind in der Regel durch allgemeine Zonen, Kunden- und Mitarbeiterbereiche sowie sensible Räume gekennzeichnet. Das muss man berücksichtigen.« Ausschlaggebendes Kriterium für Schutzmaßnahmen ist deren Sicherheitsaspekt. »Hochwertige mechanische Schließanlagen bilden in Verbindung mit Sicherheitsbeschlägen und Sicherheitstüren/-fenstern die wichtigste Maßnahme gegen Einbrüche«, betont er.
Die meisten Einbrüche werden mit Brech- oder Hebelwerkzeugen, oft aber auch nur mit einfachen Schraubenziehern ausgeführt. Die Motivation für diese Vorgehensweise liegt in der beinahe lautlosen Durchführbarkeit. Der ideale Schutz liegt hier in einer Alarmabsicherung mit einem Außenhautschutz sowie mechanischen Verriegelungen auf den einbruchsgefährdeten Öffnungen.
Jedem nach seinen Bedürfnissen
Für Sicherheitsexperten gelten gebäudeexterne Außenhautabsicherungen, die mittels einer Schrank- oder Zaunanlage und einem Zutrittskontrollsystem versehen sind, als sinnvolle Investition. In vielen Unternehmen sind Zutrittskontrollsysteme bereits im Einsatz. Diese arbeiten meist an den Haupteingangsbereichen mit elektronischen Komponenten und übernehmen gleichzeitig die Zeiterfassung. Vor allem in großen Objekten werden sie von Videoüberwachungssystemen und Alarmanlagen unterstützt. Die optische Überwachung wird auch im Einzelhandelsbereich verstärkt eingesetzt. Hier bewegen sich die durch Kriminalität verursachten Verluste kontinuierlich auf hohem Niveau. Diebstähle werden sowohl vom Kunden als auch vom Personal begangen. Videoüberwachungslösungen sind daher in den meisten Fällen zu einem fixen Bestandteil einer professionellen Geschäftsabsicherung geworden.
»Jedes Unternehmen hat seine spezifischen Anforderungen, jede sicherheitstechnische Lösung muss genau auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sein. Schulen brauchen etwa eine andere Lösung als ein Bürogebäude, Krankenhäuser wiederum andere als Flughäfen«, zeigt Alexandra Nagy von EVVA auf. »Das Dreieck mit den Spannungsfeldern Komfort – Organisation – Sicherheit muss genau aufeinander abgestimmt sein.«
Schwachpunkt Benutzer
»Wenn eine Firma eine Hochsicherheitslösung im Eingangsbereich hat, um 8 Uhr früh bei Betriebsbeginn ein Großteil der Belegschaft die Schranke passiert und die Tür, um keinen Stau zu erzeugen, einfach offen gelassen wird, dann liegt der Sicherheitsaspekt bei null«, stellt Nagy fest. »Diese Sicherheitsvorkehrung hat versagt. Ich brauche als Unternehmen z.B. ein Schließsystem, das selbst nach Jahren Adaptionen und Erweiterungen zulässt und alle Hierarchiestufen abdeckt.« Von großer Wichtigkeit ist für die Experten ferner eine Gebäudeabsicherung durch Alarmanlagen, automatische Sicherheitstüren und Fluchtwege mit Alarmintegration in das Zutrittskontrollsystem. Innerhalb des Gebäudes kann durch die Ausgabe von Besucherdatenträgern und deren Aktivierung in Sensorschleusen ein Überblick über den aktuellen Personenstand im Gebäude erreicht werden. Angenehmer Nebeneffekt der Zutrittskontrollsysteme: Der Zutritt der Mitarbeiter zum eigenen Arbeitsplatz kann zeitlich beschränkt werden. »Alle zur Verfügung stehenden sicherheitstechnischen Lösungen beugen dem Zutritt von Unbefugten vor. Es muss aber in jedem Fall individuell entschieden werden, es gibt keine Standardlösungen«, zeigt Ollinger auf und ergänzt: »Mechanik verhindert einen Einbruch real, Elektronik schreckt ab. Am effektivsten ist daher die Kombination aus diesen zwei Strategien.« Im Einzelhandel denkt er etwa an Sicherheitsfolien als Prävention gegen das Einschlagen der Fenster in Verbindung mit einer Alarm- oder Videoanlage zur Abschreckung und Aufzeichnung. »Experten sprechen bei Ladendieben von einem Verhältnis 50:50 Kunden:Mitarbeiter. Ich sehe daher gerade für den Handel, aber auch für Büros, z.B. Kanzleien, die Kombination aus Basisalarmanlage mit Video als Standardinventar.«
Priorität Datenschutz
Verstand man unter »Sicherheitsbranche« früher ausschließlich klassischen Gebäude- und Personenschutz, so wird der Bereich heute durch Entwicklungen in IT- und Kommunikationstechnologie, Mikroelektronik oder Robotik erweitert. Sicherheitsfirmen sind heute nicht nur mit dem analogen Schutz von Geschäftseigentum befasst, die digitale Security wird immer mehr zum Tagesgeschäft. Datenverlust ist ein häufig auftretendes Problem, verbunden mit erheblichem betriebs- und volkswirtschaftlichen Schaden. Nicht selten stehen Betriebe wegen eines Datenverlusts vor dem Ruin. Effektiver Datenschutz hat daher oberste Priorität. Verantwortungsvolle Datensicherung bedeutet Schutz gegen Diebstahl von Unternehmensdaten wie Buchhaltungsunterlagen, Dokumenten, Konstruktionsplänen, Steuerungsdaten von Maschinen usw. durch Passwörter und Firewall sowie Sicherung vor Vernichtung etwa durch Feuer. »Die Datenarchivierung wird auf verschiedenen Medien und Betriebssystemen durchgeführt«, informiert Markus Joham, Inhaber der Eticon Datenrettung & Forensik GmbH.
Die Hauptkategorien sind magnetische Datenträger (Festplatten, Floppys, Bandmedien), elektronische und optische Datenträger (CDs, DVDs). Die traditionelle Datensicherung auf Bandlaufwerken, wie sie nach wie vor in vielen Unternehmen durchgeführt wird, ist laut Joham nicht mehr zeitgemäß. »Die Tapes sind sehr kostenintensiv und auch fehleranfällig. Nicht selten kommt es vor, dass auf Tapes gesicherte Daten nicht mehr zurückgespielt werden können, weil das Tape defekt ist oder die Sicherung nicht funktioniert hat. Da die Preise für Festplatten und Storagesysteme immer niedriger geworden sind und diese Systeme zuverlässiger als Tapes und Tapestationen sind, ist die Backup-to-Disk-Lösung der Backup-to-Tape-Lösung eindeutig vorzuziehen.« Die Sicherung der Daten sollte nach dem »Großvater/Vater/Sohn-Prinzip« erfolgen. »Das bedeutet eine tägliche, wöchentliche und monatliche Sicherung. Dadurch hat man mehrere Versionen der Backups und kann auch weiter zurückliegende Daten im Ernstfall wieder herstellen. Die Lagerung des gesicherten Materials erfolgt extern. In besonders kritischen Umgebungen kann auch eine ›continuos data protection‹ zum Einsatz kommen, bei der jede Änderung ein Backup der Daten auslöst«, erläutert Joham.
Verantwortungsvoller Umgang
Auch die Nutzung eines potenten Antivirenprogramms reduziert die Gefahr von Datenverlust. »Bei Verlust von Dateien bietet sich eine Wiederherstellung über verschiedene Softwareprogramme an, z.B. durch das Programm File Recover. Dieses Programm identifiziert wiederherstellbare Dateien auf der Festplatte und ermöglicht deren Wiederherstellung«, weiß der Software-Experte Dr. Alexander Hanzlik. Eine wirkungsvolle und zuverlässige digitale Sicherung sieht Hanzlik auch im Hardware-RAID. Der Betrieb eines RAID-Systems setzt mindestens zwei Festplatten voraus. Die Festplatten sind gespiegelt, d.h. Daten werden beim Schreiben immer auf beide Platten gleichzeitig gespeichert. Beim Lesen werden Daten von beiden Platten parallel abgerufen. Damit wird eine höhere Ausfallsicherheit erreicht, die Transferraten beim Lesen werden gesteigert und der Austausch von Festplatten und eine Erhöhung der Speicherkapazität ist während des Systembetriebes durchführbar.
Der beste Datenschutz besteht aber nach wie vor im verantwortungsvollen Umgang der Mitarbeiter mit den digitalen Daten. Jeder Einzelne trägt zur Sicherheit in seinem Unternehmen bei, sowohl digital als auch analog – mit der vorsichtigen Nutzung fremder Websites, mit dem Schutz sensibler Daten, aber auch mit dem gewissenhaften Umgang mit mechanischen und elektronischen Schließsystemen, Alarmanlagen und Videoüberwachungen.
Widerstandsklassen:
> Widerstandsklasse 0: Dazu zählen jene Türen, die als Standard-Wohnungseingangstüren verbaut wurden. Diese Türen können durch einfaches Gegentreten innerhalb von Sekunden geöffnet werden.
> Widerstandsklasse 1: Gilt für Wohnobjekte mit geringem Sicherheitsrisiko durch hohe Wohndichte, sichere Standorte und Bauweisen. Die Türen dieser Widerstandsklasse halten den Gelegenheitstäter vom Eindringen ab. Die dabei am häufigsten beobachteten Einbruchsmethoden sind Gegentreten, Gegenspringen, Schulterwurf und sonstige körperliche Gewalt, ohne die Verwendung von größeren Hebelwerkzeugen.
> Widerstandsklasse 2: Diese Widerstandsklasse gilt für Wohnobjekte mit durchschnittlichem Sicherheitsrisiko sowie für Gewerbeobjekte und öffentliche Gebäude mit geringem Sicherheitsrisiko. Dies sind alle Objekte an den typischen Einbruchsrouten und in grenznahen Bundesländern. Der Täter ist in diesem Fall bereits regelmäßig auf Beutezug und versucht, gezielt die Türe aufzubrechen.
> Widerstandsklasse 3: Gilt für Wohnobjekte mit höherem Sicherheitsrisiko und für Gewerbeobjekte und öffentliche Gebäude mit durchschnittlichem Sicherheitsrisiko, z.B. Gebäude, die aufgrund ihrer Bauart und regionalen Lage sowie Ausstattung einen Einbruch begünstigen.
> Widerstandsklasse 4: Diese Widerstandsklasse gilt für Wohnobjekte mit sehr hohem Sicherheitsrisiko, für Gewerbeobjekte und öffentliche Gebäude mit höherem Sicherheitsrisiko. Der professionelle Täter hat das Objekt bereits observiert und den Tatort aufgrund der Ausstattung oder der Wertgegenstände gezielt ausgewählt.
> Widerstandsklasse 5: Gilt für Gewerbeobjekte und öffentliche Gebäude mit sehr hohem Sicherheitsrisiko. Hier sind bereits professionell organisierte und ausgestattete Verbrecherbanden am Werk. Die Auswahl des meist gewerblichen Tatortes erfolgt aufgrund genauer Angaben über Nutzer- und Vermögensstand sowie der erwarteten Beute.
> Widerstandsklasse 6: Diese Widerstandsklasse gilt ausschließlich für Gewerbeobjekte und öffentliche Gebäude mit extrem hohen Sicherheitsrisiko. Dazu zählen z.B. Staatsbanken oder Tresorräume internationaler Konzerne. Die Täter wissen von einer derart lohnenden Beute, dass die Werkzeuge mit ungeheuer intensiver und gezielter Technik zum Einsatz kommen und das Risiko, ertappt zu werden, weit in den Hintergrund rückt.
Vorschau Serie Teil III: Die Sicherheits-Dienstleister. Rund um Gebäude- und Unternehmenssicherheit hat sich eine Industrie von Consultern, Wachdiensten und Kriminalpsychologen gebildet. Wer schützt Ihr Büro am effektivsten? Und wie reagieren die Versicherungen auf das wachsende Sicherheitsrisiko und das stärker werdende Sicherheitsbedürfnis von Unternehmen?