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Viele Säfte, ein Cocktail

Report: Mobiles Breitband wurde vor nicht allzu langer Zeit noch skeptisch beäugt. Breitband war bis vor kurzem eine Domäne des Festnetzes. Jetzt wandert die­se Kompetenz zunehmend in den Mobilfunk. Ein Paradigmenwechsel?
Peter Zehetner: Im vergangenen Jahr hat mobiles Breitband mit der Einführung von HSDPA und HSUPA so richtig abgehoben. Mit Downloadgeschwindigkeiten von 3,6 und 7,2 Megabit pro Sekunde und einem Upload bis 1,4 Mbit hat der Mobilfunk jetzt Kapazitäten erreicht, die den Usern eine echte Alternative oder zumindest Ergänzung zum Festnetz bieten. Wir wollen heute aber Breitband im Festnetz oder Mobilfunk gar nicht mehr unterscheiden. Ericsson sieht in seinen Analysen einen einzigen Breitbandmarkt - basierend auf Technologien wie DSL, Mobilfunk oder Kabel. Interessanterweise setzten hier vor allem die Heavy User auf eine Komplementärnutzung. Zum vorhandenen Flatrate-Anschluss im Festnetz wird oft noch eine Flatrate im mobilen Breitband hinzugenommen. Weiters gibt es in österreich einen relativ hohen Anteil an älteren Menschen und unregelmäßigen Usern, die sich ebenfalls für mobiles Breitband aufgrund der Einfachheit des Produkts entscheiden. Schließlich ist die Herstellung eines Festnetzbreitbandanschlusses ungleich zeitaufwendiger als der Kauf eines USB-Modems im Shop, das nur noch ans Endgerät geschlossen werden muss. Diese Einfachheit ist überzeugend: Im ersten Halbjahr gab es in der Breitbandlandschaft österreichs fast nur noch mobiles Breitband als Zuwachs. Dabei ist nicht die Breitbandgeschwindigkeit ausschlaggebend. Gut die Hälfte der User weiß nicht einmal, wie schnell ihr Anschluss wirklich ist. Für viele ist dies auch völlig unerheblich: Applikationen, die in der Verbindung zu einem Server vier, fünf oder mehr Megabit pro Sekunde benötigen, sind schließlich noch die Ausnahme. Ein Breitbandanschluss muss einfach schnell genug sein, um den User zufrieden zu stimmen. Das ist der Punkt.

Der ehemalige T-Mobile-Geschäftsführer Georg Pölzl hatte vor einem Jahr noch kämpferisch von der völligen Ablöse des Festnetzes durch den Mobilfunk gesprochen. Sie wiederum setzen auf Komplementarität. Befinden wir uns hier in einem Religionskrieg?
Ich sehe dies nicht als Religionskampf. Für beide Welten gibt es ja legitime Anwendungsbeispiele. In österreich werden in der Sprachtelefonie mittlerweile zwei Drittel der Minuten mobil und ein Drittel übers Festnetz abgewickelt. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Breitbandnutzung in diese Richtung geht - etwa in ein 50:50-Verhältnis zwischen Festnetz und Mobilfunk. Die Zuwachsraten alleine liegen heuer bei hunderttausend zusätzlichen Mobil-Breitbandkunden pro Quartal. Bereits drei Quartale hintereinander gegeben, das macht diesen massiven Zuwachs stabil.

Beim jüngsten Breitbandforum in Berlin wurde die Femto-Zelle als letzter Schrei für der Provider gepriesen. Femto - ein neuer Begriff, den man sich merken sollte?
Die Femto-Zelle versinnbildlicht den Trend zur Konvergenz in der IKT. Sie bringt die Technologien Mobilfunk und Festnetz zueinander, indem sie auf einen Festnetzbreitbandanschluss setzt, der dem Enduser das Gefühl gibt, im Mobilfunk unterwegs zu sein. Das ist der Nutzer auch, letztlich wird der Traffic dann aber wieder über die Festnetzleitung abgewickelt. Ein weiterer Begriff, »Fixed Wireless Terminals«, wiederum steht für eine Empfangseinheit, die sich fix im Mobilfunknetz einloggt und als Basis fürs ganz normale Festnetztelefon, Faxgerät oder den PC dient - samt WLAN-Anschluss fürs Heimnetzwerk. Terminals wie dieses bieten eine Funktionsbreite, die ich eigentlich von einem ADSL-Modem erwarte. Sie sehen, die neuen Ansätze konvergenter Lösungen gehen in alle Richtungen. Man spricht dabei eigentlich von mobilem Breitband, oft wird es aber innerhalb der eigenen vier Wände oder Büroräume verwendet. Dafür müssen wir nun optimale Lösungen finden.

Mobiles Breitband bedeutet also, zu Hause auf der Couch zu liegen und mobil dort Breitband nutzen zu können?
Wir sprechen nicht mehr von mobilem oder festem Breitband. Wir nennen es Full-Service-Broadband. Dabei geht es stets um die drei »Cs«: »Connectivity« bedeutet, dass die Nutzer stets und ohne Unterbrechung im Netz sind, und zwar mit jenem Gerät, das gerade am bequemsten scheint. Mit dieser »Convenience« kann der User mit all seinen Einstellungen am Büro-Laptop auch zu Hause nahtlos weiterarbeiten. Drittens geht es um die Kosten, die natürlich ebenfalls optimiert sein müssen. Sobald die Anforderungen Connectivity, Convenience und Costs erfüllt sind, wird der User das jeweils für ihn passende Angebot nutzen. Wenn wir von der Couch zu Hause sprechen wollen: Dem User ist es egal, ob er über WLAN und DSL im Netz ist, oder über einen 3G-Anschluss.

Die Festnetzbetreiber haben TV als Umsatzbringer entdeckt. Die Mobilfunkbetreiber wollen ebenfalls auf mobiles Fernsehen setzen. Wer sitzt am längeren Ast?
Beobachten Sie doch einmal, wie viele mobile TV-User es heute gibt - diese werden allesamt über die 3G-Netze generiert. Hutchison verfügt über rund 150.000 Mobil-TV-Kunden derzeit. Gut ein Drittel dieser User nutzt das TV-Angebot regelmäßig. Dies sind weit aus mehr, als irgendein DVB-H-Trial aufweisen kann. Weiters offerieren die 3G-Netze Unicast, also eine direkte 1:1-Verbindung zwischen Server und Endgerät. Ich denke, dass mit diesem Broadcastkonzept eine größere Userzahl bedient werden kann. Bei MSDM (Anm. d. Red. \"Marconi Digital Multipoint System\") wird eine TV-Sendung nur einmal pro Funkzelle gesendet. Auch wenn dann innerhalb einer Zelle sechs, sieben oder mehr Nutzer das EM-Finalspiel im Sommer sehen wollen, wird dies aufgrund der Architektur möglich sein. Die Nutzer greifen bei MSDM nur auf den einen vorhandenen Stream zu und überlasten dabei nicht die Basisstation. Bei DVB-H dagegen muss ein eigenes Netz komplett aufgebaut werden - was Zeit und auch später im Netzbetrieb noch viel Geld kosten wird. Weiters gibt es bei DVB-H ebenso wie schon im guten, alten Fernsehen keinen Rückkanal für Interaktivität. Heute sind aber die User vom Fernsehen im Internet her bereits ein gewisses Maß an Interaktivität gewohnt. Auch ein Couchpotato wird auf den Komfort von Video-on-Demand, Voting-Features oder das Weiterleitungen von Sendungen an Freunde nicht verzichten wollen. über 3G sind diese Features sehr wohl umsetzbar.
Man muss sich auch den Aufwand vorstellen: DVB-H wird das erste Netz sein, das nur für eine einzige Anwendung errichtet wird. Ein Vorteil der bereits bestehenden 3G-Netze ist dagegen die Multifunktionalität. Eine einzige Killerapplikation, wie man sie in den ersten Jahren noch gesucht hatte, gibt es ja nicht. Es ist vielmehr ein Killercocktail, der nun mal nicht aus nur einem Saft besteht. Man wird sehen, wie gut ein zusätzliches Netz finanziert werden kann. Letztlich wird davon abhängen, wie viel die User bereit sind zu bezahlen.

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