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Die Möglichkeit der Schlampigkeit

Francis Crick hat zusammen mit seinen beiden Kollegen Maurice Wilkins und James Watson entdeckt, dass die DNS die Struktur einer Doppelhelix hat, also wie eine Wendeltreppe aufgebaut ist. Dafür bekamen Crick und Watson 1957 den Nobelpreis. Das ist soweit unspektakulär, denn Nobelpreise werden jährlich eine ganze Menge vergeben. Wenn man jedoch Cricks Buch »Die Doppelhelix - ein irres Unternehmen« liest, stößt man auf eine Passage, die einen aufs Erste mal verwirrt: »Wer Großes entdecken will, muss schlampig denken können«, sinniert er über seinen Werdegang. Was kann er damit meinen? Es kann doch nicht sein, dass man den genetischen Code mit schlampigen, ungefähren Betrachtungen knacken kann. Und kann man die Idee des schlampigen Denkens gar auf das Management übertragen? Könnte es also sein, dass eine mittelmäßig erfolgreiche Führungspersönlichkeit einfach ein »Schlampigkeitsseminar« (gibt’s eh noch nicht) besucht und schon wird er erfolgreich? Studiert man die gängige Managementliteratur, dann hat man diesen Eindruck eher nicht, Leichtigkeit scheint etwas Unerträgliches zu sein. Einer der am meisten abgefeierten Manager aller Zeiten, der legendäre Jack Welch zum Beispiel, übte erheblichen Druck auf sein mittleres Management aus. Denn jährlich wurde automatisch einer von zehn Managern gefeuert. Jener nämlich, der die wenigsten Punkte sammelte. Es gibt aber ganz andere Modelle, wie etwa jenes des brasilianischen Konzerns Semco, der völlig ohne Hierarchie auskommt und trotzdem funktioniert. Was Welch wiederum gut erkannt hatte, ist das formelle Beenden von Projekten. Da gab es dann immer die legendären Pizzapartys, auch wenn ein Projekt gescheitert war. Was also hat Francis Crick mit seinem »schlampigen Denken« wohl gemeint? Bestimmt nicht schlampiges Arbeiten im Labor. Ganz im Gegenteil. Die Versuchsanordnungen wurden äußerst sorgfältig abgehandelt. Crick hatte den großen Vorteil der fehlenden »Expertenblindheit«, denn er hatte nicht Biologie oder Medizin, sondern ursprünglich Physik studiert. Mit kindlicher Neugier hat er sich dann in sein neues Aufgabengebiet gestürzt.
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