Wachsende Herausforderung
- Written by Redaktion
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Vom Bürgerkraftwerk bis zur integrierten Gebäudetechnik. Wo erste Ausläufer der Smart City der Zukunft in Österreich gefunden werden.
Im Jahr 2007 hat die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten gelebt. Drei Jahre später waren es bereits ein halber Prozentpunkt mehr: 50,5 %. Prognosen von Demografen der Vereinten Nationen zufolge werden wir 2045 bereits zwei Drittel der Weltbevölkerung als Städter bezeichnen können. Da auch in Österreich der Urbanisierungsgrad bereits bei 68 % liegt, werden zwischen Feldkirch und Hainburg ebenfalls Urbanitätskonzepte der Zukunft diskutiert. Denn: Großstädte bedecken 2 % unserer Erde, verbrauchen aber 75 % der Gesamtenergie weltweit. Auch der Energiehunger der heimischen Stadtgemeinden wächst. »Smart Cities« sollen als Modell der Zukunft urbanes Leben lebenswert machen und setzen auf einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen.
Brigitte Bach ist Spartenleiterin Energie am Austrian Institute of Technology (AIT) und koordiniert aktuell ein EU-weites Forschungsprogramm rund um die Fragestellung, auf welche Weisen eine nachhaltige Energieversorgung Europas sichergestellt werden kann. »Smart Cities werden einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten. Das Konzept berücksichtigt ungenutzte Energieeffizienzpotenziale und regionale Energiesynergien, die Verwendung erneuerbarer Energiequellen und voll integrierte Ansätze wie beispielsweise Flächennutzung und Städtebau, Mobilität, Ressourcen, Energienetze und Gebäude«, erklärt sie.
Die Liste der Disziplinen, die zusammen eine komplexe Antwort für eine nachhaltige Stadtentwicklung liefert, ist lang. Damit die Smart City funktioniert, müssen die Energienetze mit Intelligenz versehen und die Komponenten Verkehr, Gebäude, Haushalte und Industrie aufeinander abgestimmt werden. Ein weiteres Forschungsfeld wird von Technologien für das Gebäude der Zukunft gebildet, das nicht mehr nur Energieverbraucher sein wird, sondern mehr Energie erzeugt als es selbst benötigt. Die überschüssige Energie wird dann aktiv ins Netz eingespeist – in sogenannten Building-to-Grid-Szenarien. Auch ist die intelligente Steuerung der Stromnachfrage bei Abnehmern in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten Thema im urbanen Energiemanagement.
>> Projekte in Österreich <<
Ohne den Einsatz moderner Technologien werden die wachsenden Ballungszentren mehr Staus, mehr Luftverschmutzung und noch mehr Energieverbrauch produzieren. »Wir müssen mit knapper werdenden Ressourcen sorgsamer umgehen: Das sind wir unseren Kindern und unserer Umwelt schuldig«, bekennt auch Technologieministerin Doris Bures, BMVIT. Die Stadt der Zukunft setzt auf Gebäude, die keine oder wenig Energie von außen brauchen, auf umweltfreundliche Mobilität und ausreichend grüne, naturnahe Erholungsräume. Auch das BMVIT investiert in die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien, die für die Etablierung intelligenter Städte maßgeblich sind. 70 Millionen fließen jährlich aus dem BMVIT-Budget in die Energieforschung – 2011 davon allein 43 Millionen über den Klima- und Energiefonds. Über die jährlichen Smart-City-Calls, die der Klima- und Energiefonds im Auftrag des BMVIT ausschreibt, sollen möglichst viele österreichische Städte oder Regionen auf den richtigen Weg zur intelligenten Urbanität gebracht werden. Einige Projekte aus diesem Bereich werden nun mit insgesamt 10,6 Millionen Euro gefördert (siehe unten).
>> Rosa Zukunft <<
In der Rosa-Hofmann-Straße, im Salzburger Stadtteil Taxham, entsteht derzeit eine Wohnanlage, in der das intelligente Stromnetz der Zukunft Realität sein wird. Rund 130 Wohneinheiten werden ab 2013 in den Genuss von intelligenten Stromzählern, erneuerbarer Energie sowie Elektromobilität kommen. Herzstück der Anlage ist ein Energiemanagementsystem, das Erzeugung und Verbrauch optimiert und Speicher nutzt. Energie wird umweltfreundlich mittels Photovoltaik, Blockheizkraftwerk und Wärmepumpen gewonnen, zusätzlich gibt es auch einen Fernwärmeanschluss. Die Bewohner der Anlage werden über einen Energiemonitor am Computer oder Handy über ihren Energieverbrauch informiert und können diesen gezielt steuern. Auch ein Carsharing-Modell mit vier Elektroautos ist geplant. Siemens liefert die Steuer- und Regelungstechnik für die Wohnanlage und ist auch im Bereich des Lastenmanagements involviert, der möglichst optimalen Anpassung des Energieverbrauches an die Energie, die zum jeweiligen Zeitpunkt – insbesondere aus erneuerbaren Quellen – erzeugt wird. »Die Salzburg AG stellt sich diesem Totalumbau des Energiesystems proaktiv. Wir wollen unsere Kunden auf diese Reise mitnehmen«, erklärt Michael Strebl, Geschäftsführer Salzburg AG Netze. In einem Feldtest mit rund 300 Haushalten testen die Salzburg zudem, welche Feedbacksysteme Konsumenten am ehesten dazu bewegen, Energie vernünftig zu verwenden.
>> Bürgerbeteiligung <<
Beim Energiewandel die Bürger einzubinden, das verstehen die heimischen Energieversorgungsunternehmen zunehmend gut. So startete Ende Februar Wien Energie mit einer ersten Solaranlage, an der sich die Wienerinnen und Wiener finanziell beteiligen können. Am Freigelände des Kraftwerks Donaustadt speisen 2.100 Photovoltaikmodule Ökostrom ins Netz ein. Die Anlage ist die erste von vier, die noch heuer gebaut werden, und Start einer breiten Photovoltaikinitiative, die den gemeinsamen Gang in eine nachhaltige städtische Energiewirtschaft ebnen soll. Das erste Projekt erzeugt pro Jahr bis zu 500.000 kWh Strom. Der Run auf das »BürgerInnen-Solarkraftwerk« war enorm, innerhalb von 26 Stunden waren die ersten 2.100 Paneele verkauft. Darüber hinaus weiß die Stadtregierung gleich einen ganzen Stadtteil, die künftige Seestadt Aspern, für die Planspiele einer künftigen intelligenten Stadt zu nutzen. Vizebürgermeisterin Renate Brauner freut sich, in den nächsten Jahren »die Smart City im Echtbetrieb« erforschen zu können.
Wien hat es auch dringend nötig, ist doch nach längjähriger Stagnation die Bevölkerungszahl innerhalb der letzten zehn Jahre von 1,56 Mio. auf 1,73 Mio. gestiegen – eine wachsende Herausforderung für die Stadtplaner.
>> Intelligenz für die Stadt:
Gerade das Lastenmanagement in den Stromnetzen der Zukunft in Verbindung mit erneuerbaren Energien und effizienten Verbrauchsstellen birgt eine der größten Herausforderungen für die Smart City. Mithilfe eines sogenannten Energiemanagementsystems können künftig intelligent vernetzte Gebäude sowie unterschiedliche dezentrale Erzeugungsanlagen zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen werden und als eine Einheit fungieren. Je nach Tarif und Bedarf können so etwa Kühlgeräte oder Wärmepumpen geschaltet, Elektroautos aufgeladen oder Klimaanlagen automatisch reguliert werden. Das entlastet die Netze und sorgt für eine gleichmäßigere Auslastung der Betriebsmittel als im derzeitigen System. Intelligente Gebäude sind bereits heute komplett durch im Handel verfügbare Lösungen realisierbar. Bürokomplexe und andere gewerbliche Gebäude zählen zu den weltweit größten Energieverbrauchern. Gebäudeautomatisierungssysteme wie beispielsweise von ABB sind in der Lage, diesen Energieverbrauch von Beleuchtungs-, Heizungs- und Klimaanlagen je nach Gebäudeart um 30 bis 60 % zu reduzieren.
Quelle: ABB
>> Leuchttürme für Smart Cities:
Diese Forschungs- und Entwicklungsprojekte wurden jüngst zur Förderung durch den Klima- und Energiefonds genehmigt:
Leitprojekt
> Steiermark: Smart City Project Graz Mitte (Förderung: 4,19 Mio. Euro)
Kooperative Projekte
> Kärnten: Realising Villach´s Smart City Vision – Step I (2,15 Mio. Euro)
> Steiermark: iENERGY Weiz-Gleisdorf 2.0 – the power of a vision (1,74 Mio. Euro)
> Steiermark: Città Slow Hartberg demonstrates Smart City (0,54 Mio. Euro)
> Salzburg: Smart District Gnigl (0,22 Mio. Euro)
> Vorarlberg: Smart City Rheintal (1,49 Mio. Euro)
Detailporträts unter www.klimafonds.gv.at