Dezibel des Lebens
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Von Karin Legat
Vor 40 Jahren bin ich als junger Techniker in ein Wohnhaus gerufen worden, in dem am Nachmittag stets seltsame Klopfgeräusche zu hören waren. Die Ursache: Eine Dame hat sich ein Zubrot verdient und Briefkuverts mit ihrer Hebelschreibmaschine beschrieben. Das Gerät stand auf einem kleinen Tisch nahe der Wand. Bei jedem Tastenschlag ist es dagegen geschlagen. Durch den Körperschall, also die direkte Übertragung der winzigen Stöße auf die Wand, hat die ganze Hausgemeinschaft mit ihr mitgetippt«, erinnert sich Baumeister Peter Rosenberger. Mit kleinen Filzplättchen zwischen Tisch und Wand war das Problem rasch beseitigt. »Akustisches Störpotential liegt im individuellen Empfinden.« 30 % der Menschen sind sehr geräuschsensibel. »Das kann man in der Generalplanung nicht abdecken. Diese Fälle müssen individuell betreut werden«, so Rosenberger. »Ich bin oft wie ein Arzt mit einem Stethoskop in Häusern unterwegs auf der Suche nach Fehlern im Schallschutz und nach Schallübertragungswegen.«
Jedes Dezibel zählt
Die Anforderungen an Körper- und Luftschallschutz sind in Normen und Gesetzen erfasst, darunter in den Bauordnungen der Länder, in den ÖAL-Richtlinien, der OIB-Richtlinie 5 und in der ÖNORM B 8115. »In Wien muss eine Wohnungstrennwand eine Dämmung von 55 dB aufweisen. Das ist nicht nur für meinen Geschmack zu wenig«, urteilt Kazimir Jureša, Geschäftsführer von Franner Lärmschutz. Denn schon ein Gespräch erzeugt 60 bis 65 dB. »Wenn ich Freunde einlade und es wird etwas lauter, steigert sich der Pegel rasch auf 75 dB.« Durch den Schallschutz einer Wohnungstrennwand werden zwar nur 20 dB nach außen weitergeleitet, aber das kann schon als Störfaktor wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund weist Jureša dem Lärmschutz im großvolumigen Wohnbau große Bedeutung bei. »In einem Einfamilienhaus kann ich meine Kinder oder Mitbewohner bitten, leise zu sein und weniger herumzuhüpfen. Wenn im Mehrgeschoßbau der Nachbar im oberen Stockwerk trampelt, bin ich chancenlos.« Wie die 55 Dezibel wirken, ist durch die Normen nicht festgelegt. »Hohe und tiefe Frequenzen hören sich bei demselben dB-Wert unterschiedlich an. Bei höheren Frequenzen wirkt Dämmung besser.«
Oft bilden schalltechnische und akustische Nachbesserungen für Bewohner und Gebäudeinhaber den einzigen Weg zu Harmonie im Wohn-, aber auch Arbeitsbereich. Die meisten Kunden buchen eine Messung inklusive Vorschlägen zur Optimierung der Geräuschkulisse. Messungen alleine kommen selten vor. Am ehesten werden sie bei Neubauten angefordert, wenn Zweifel an der korrekten schallschutztechnischen Ausführung des Gebäudes bestehen. »Die klassische bauakustische Messung deckt den Bereich zwischen 125 und 3.150 Hertz. Es gibt aber auch sensible Fälle, wo eine Störung im tieffrequenten Bereich empfunden wird. Die Frequenzen zwischen 6 Hertz und 50 Hertz sind körpereigene Frequenzen, wobei es zu Resonanzerscheinungen kommen kann, die von sensiblen Menschen als besonders störend wahrgenommen werden. Besonders wichtig ist es, nicht nur den Schalldruckpegel zu messen, sondern auch die Frequenzcharakteristik zu bestimmen«, berichtet der Physiker Manfred Bayerl von bayerl-consult.
Der Einbau zählt
»Stärke und Eigenschaften der Dämmprodukte sind wichtig, entscheidend ist aber der fachgerechte Einbau in die Bauwerke«, formuliert Lärmexperte Jureša. »Körperschallbrücken sind unbedingt zu verhindern. In einem Raum verliert die vorhandene Trittschalldämmung bereits bei fünf bis sieben Schallbrücken ihre Wirkung. Die Estriche befindet sich wieder auf dem Niveau der Rohbetonplatte.« Das berücksichtigen viele Verarbeiter zu wenig. »Generell bin ich der Meinung, dass viele Baufachleute die Normen noch nicht gelesen haben. Bei schwimmendem Estrich muss die Trittschalldämmung vollflächig und in gleicher Stärke aufgebracht werden. Auch über Verrohrungen und Verkabelungen darf die Dicke der Dämmung nicht verringert werden. Teilweise werden die Rohre aber nur mit einer dünnen Dämmschicht überzogen. Leidtragende sind später die Bewohner. Die Baufolie wiederum muss vollflächig und überlappend über die Dämmstoffe gezogen werden. Bei Ungenauigkeiten fließt der Beton in die Dämmschicht, härtet aus und die nächste Körperschallbrücke ist geboren.« Baufolie und Randstreifen sollten zudem erst abgeschnitten werden, wenn der gesamte Oberbelag, also Fliesen und Parkett, verlegt ist. »Schon alleine der Parkettkleber verursacht eine Körperschalbrücke. Leider handeln die meisten Bodenleger vorschnell.« Luftschall entsteht vielfach durch zu dünne Konstruktionen. »Grundsätzlich dämmen schwere Bauteile wie Beton oder Ziegel mit wenig Hohlräumen besser«, betont Johann Jandl, Leiter Produktmanagement, Forschung & Entwicklung bei Austrotherm. Ergänzenden Luftschallschutz bieten schalltechnisch entkoppelte Vorsatzschalen.
Dämmung bringt’s
Die Welt um uns wird immer lauter. Der Verkehr hat sich vervierfacht. Auch in den eigenen vier Wänden ist der Lärmpegel gestiegen. Waschmaschinen rumpeln, Geschirrspüler laufen unrund, etc. Wenn Dämmmaterialien richtig eingebaut sind, werden Geräuschquellen nahezu beseitigt. Jureša empfiehlt, weiche Materialien wie Schaumstoffe und Mineralfasern als Dämmstoff hinter einer Vorsatzschale einzusetzen. »Wirkungsvolle Trittschallplatten aus Mineralfaser sind z.B. mit dem Wert 35/30 gekennzeichnet. Das bedeutet eine Plattenstärke von 35 mm, die in eingebautem Zustand auf 30 mm einfedern soll. »Gummigranulat- und PU Matten federn 2 bis 3 mm ein, sind dünner und sparen an Bauhöhe. Damit erreiche ich eine wirkungsvolle entkoppelte Körper- bzw. Trittschalldämmung.« Eine negative Empfehlung gibt er für Hartschäume ab. »Damit sinkt die Durchgangsschalldämmung um bis zu 8 dB.« Styropor hat sich laut Austrotherm als Trittschalldämmmaterial etabliert, da es laut Produktmanager Jandl mit speziellen Maschinen elastifiziert, d.h. weicher gemacht, wird. »Dadurch wird ein hervorragender Luftschallschutz von bis zu 30 Dezibel erreicht.« Ergänzend raten Schallexperten zu Lärmschutzfenstern, 45 dB sind heute Standard. »Eine Verbesserung um 10 Dezibel bedeutet bereits die Halbierung des Lärms«, so Jandl.
Kostenplus 5 %
Wird die Akustikdämmung bereits in der Planung berücksichtigt, ist der Mehraufwand minimal. Laut der Wiener Magistratsabteilung MA22, zuständig u.a. für Lärm und Luftverschmutzung, belaufen sich die Kosten auf 5 % des Gesamtbudgets. Lärmdämmung ist natürlich auch im Nachhinein möglich – sowohl selfmade als auch professionell. Trittschall kann etwa mit einem weichen Belag wie einem Teppich entgegengewirkt werden. Rohre, Metallringe und andere Befestigungsmaterialien lassen sich mit einer schalldämmenden Einlage aus Gummi oder elastischem Kunststoff ummanteln. Bei lauten Badewannen, Geschirrspülern oder Waschmaschinen hilft eine weiche Matte als Kompensator der Vibrationen. Filzplatten lindern Quietsch- und Klopfgeräusche. Für umfangreichere akustische Dämmmaßnahmen bieten Bauprofis wie Ziegler Schallschutz, Franner-Lärmschutz, STO, Knauf oder Austrotherm effektive Lösungen. Im Portfolio von Ziegler Schallschutz finden sich u.a. gedämmte Treppenlager, Dämmschaum, Schallabsorber-Systeme, Akustikpaneele und Schallschutztüren. Franner hat schalldämmverbessernde Vorsatzschalen für den Boden-, Wand- und Deckenbereich, die für die verschiedensten Frequenzen geeignet sind, im Angebot. Akustik-Spritzputze, schallabsorbierende Betonsteine und hochwertige Estrichdämmungen ergänzen das Programm. Wer auf der Suche nach Trittschalldämmplatten, Akustiksegeln und anderen Faserdämmschichten ist, wird auch bei Austrotherm, Knauf, Steinbacher und STO fündig. Zur seitlichen Dämmung hat Kazimir Jureša noch einen hilfreichen Tipp. »Mineralwolle bildet die Schicht zwischen den Vorsatzschalen. Sie sollte nicht leichter als 40 kg/m3 sein, da sie sonst zusammensackt und Hohlräume bzw. Resonanzräume bildet.« Schutzmaßnahmen an der der Lärmquelle zugewandten Seite erhöhen zudem die Dämmwirkung um 30 %. »Auf jeden Fall muss zwischen Wand und Dämmung ein Abstand von 10 bis 15 cm bestehen, die Konstruktion darf nicht an die Wand geschraubt werden, sonst entsteht wieder ein Schall-übertragungsweg.«
>Persönliches Empfinden<:
»Blauer Engel« für Rockfon Akustikdecken
Verlegt in Rasterdecken oder als frei hängende Akustikelemente in Form von Deckensegeln und Baffeln sollen Rockfon-Produkte das Innenraumklima und die Raumakustik verbessern – in Büroräumen, Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen ebenso wie in Gewerbeimmobilien und Tiefgaragen. Mit ihren schallabsorbierenden und wärmedämmenden Eigenschaften sollen sie die Lebensqualität der Menschen erhöhen. Sie werden über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus schadstoffarm hergestellt und sind als nachgewiesen wohngesunde Baustoffe aus ökologischer und baubiologischer Sicht unbedenklich. Dafür wurde Rockwool jetzt mit dem »Blauen Engel«, dem ersten und bekanntesten Umweltzeichen der Welt, ausgezeichnet