Nicht zu komplex, nicht zu simpel
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
»Life Cycle Assessment« ist heute auch unter den Begriffen Ökobilanz und Lebenszyklus von Produkten vielen Unternehmern geläufíg. Auf einer Konferenz im französischen Lille wurde die Notwendigkeit von Standards diskutiert.
Von Karin Legat aus LilleDer Veranstalter cd2e war sichtlich überrascht: Statt der erwarteten 160 Teilnehmer nahmen rund 270 Interessierte aus 20 Ländern an der internationalen Konferenz zu Life Cycle Assessment (LCA) im französischen Lille teil, der Vortragssaal war schnell gefüllt. »Erste Schritte im Life Cycle Assessment wurden 1969 von Coca-Cola gesetzt. Inzwischen hat sich Life Cycle Thinking zu einem anerkannten Slogan entwickelt. Universitäten haben diese Thematik in ihre Lehrpläne aufgenommen und betreiben Forschungsarbeit«, berichtet Christian Traisnel, Direktor von cd2e.
Einige der Projekte stellt die Organisation, die aus einem Team aus Umwelt- und Wirtschaftsexperten gebildet wird, im Rahmen der Konferenz auf Posterwänden vor. Darunter finden sich Nachhaltigkeitsaspekte von Kunststoff-Rohrleitungssystemen für das Bauwesen, LCA als Ansatz für industrielle Bereiche, LCA von Kühlschränken, ECO-Design in der Textilindustrie, Auswirkungen von electronic waste auf die Umwelt, vergleichende LCA zwischen traditionellen und nachhaltigen Straßenlaternen sowie Life Cycle Assessment von Photovoltaik.
Zum Thema Photovoltaik lud cd2e auf das Gelände von LumiWatt. Diese Plattform ist ausgelegt für Tests und Schulungen zu Solarenergie in Regionen mit mäßiger Sonneneinstrahlung unter realen Bedingungen. Gearbeitet wird mit den drei Photovoltaik-Varianten hybrid, cristalline und der CdTE-Dünnschicht-Solartechnik sowie mit zehn Photovoltaik-Technologien. Das 1-Million-Euro-Projekt, das unter Beteiligung von Forschung, Industrie, Beratern, lokalen Behörden und Anwendern läuft, ist laut cd2e einzigartig auf der Welt.
Nicht nur im PV-Bereich setzt cd2e auf die Kooperation mit regionalen Entwicklungsorganisationen, Wirtschaftsstrukturen, Industriepartnern und internationalen Kollegen. »Heute haben wir diese Konferenz zu Life Cycle Assessment mit 50 internationalen Referenten u.a. der EU-Kommission sowie der französischen Regierung für Teilnehmer aus Frankreich, Kanada, Australien, den USA, Norwegen, Großbritannien, Israel, Slowenien, Nepal und vielen anderen Ländern realisiert. Sie findet erstmals zu diesem Thema in Frankreich statt«, berichtet Christian Traisnel und verspricht eine Wiederholung der Veranstaltung im nächsten Jahr, am 8. und 9. November 2012.
Wirtschaftsfaktor Umwelt
Effiziente Ressourcennutzung und Umweltschutz wirken heute als wichtige Impulse des Wirtschaftswachstums. In den letzten Jahren verzeichnete dieser Sektor ein Wachstum von jährlich fast 8 %. Der Jahresumsatz betrug 319 Milliarden Euro und entspricht damit etwa 2,5 % des europäischen BIP. Fachleute rechnen damit, dass sich der internationale Markt für Umweltindustrien mit einem gegenwärtigen Volumen von jährlich rund einer Billion Euro bis 2030 verdreifachen wird. Ein Großteil des Wachstums entfiel bisher auf Ressourcenmanagement im Zusammenhang mit neuen Technologien wie Solar- und Windenergie. Life Cycle Assessment ist dabei für kleine Unternehmen einfacher umzusetzen. »Sie können die LCA-Richtlinien leichter in ihr Firmenkonzept einbauen. In großen Unternehmen werden Eco-Projekte parallel aufgebaut, die spätere Integration fällt damit schwer«, erzählt Philippe Osset, CEO des Umwelt- und Nachhaltigkeitsexperten Solinnen. »Kleine Unternehmen benötigen jedoch Starthilfe.« Hier gibt es laut Osset bereits ein Programm der französischen Regierung, das 50 Prozent der Kosten für Eco-Design-Projekte übernimmt (maximal 15.000 Euro). Unterstützung wird unter anderem auch über das Trainingskit von Estis geboten. Neben einer Einführung in LCA werden die wichtigsten Themen ausführlich sowie spezielle Module vorgestellt (siehe www.estis.net).
Life Cycle wächst
Öko-Innovationen werden heute meist unter dem Begriff Eco-Design zusammengefasst. Philippe Osset erwartet hier eine Anpassung. »Heute sprechen wir nicht mehr von Qualitätsdesign, das Schlagwort heißt Design. Auch mit dem Begriff Öko wird es ähnlich ablaufen. Öko entwickelt sich zum allgemeinen Standard. Als Endziel gilt die Verringerung der Umweltbelastung.« Für Rejean Samson vom interuniversitären Forschungszentrum CIRAIG mit Sitz in Quebec sind dazu jedoch noch wesentliche Schritte der Weiterentwicklung notwendig. »Der Begriff Lebenszyklus lässt sich rasch erklären. Ihn zu analysieren, zu berechnen und zu bewerten erfordert allerdings umfangreiche Forschungsarbeiten. LCA bietet nur mit sicheren, umfassenden und langfristig gültigen Daten Unternehmen und Regionen die Möglichkeit, Risiken und Kosten mit dem Lebenszyklus von Produkten und Aktivitäten zu verbinden, die Qualität von Produkten und Aktivitäten zu verbessern, nachhaltige Produktion sowie Konsum zu sichern und damit die Erwartungen des Marktes auf der Umweltebene zu erfüllen. Life Cycle Assessment ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir befinden uns erst in der Startphase und arbeiten an einer soliden, rasch einsetzbaren Methode.«
Nicht zu komplex, nicht zu simpel
»Vieles hat sich im Bereich Lebenszyklus seit 1989 geändert«, erinnert sich Achim Steiner, Geschäftsführer des United Nations Environment Programme (UNEP). »Mittlerweile haben hunderte Organisationen Ökobilanzen von Produktsystemen abgeschlossen. Life Cycle Assessment ist zu einem wichtigen Tool in Unternehmen und Regierungen geworden. Unter der Führung von SETAC, UNEP und ISO wird den Zivilgesellschaften das Verständnis und die Verwendung von Lebenszyklus-Ansätzen näher gebracht. Wir sind noch lange nicht am Ziel, es gibt noch viel zu tun.« Diese Meinung vertritt die gesamte LCA-Konferenz. Life Cycle Assessment müsse für Unternehmen leichter zugänglich und für Konsumenten verständlicher werden. Es gelte, einheitliche Kriterien für Lebenszyklusanalysen zu finden. »Oft gibt es nicht einmal innerhalb eines Land eine einheitliche Regel«, meint Michele Galatola von der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission. International gelten ohnedies unterschiedliche Richtlinien. Derzeit findet auf EU-Ebene der Versuch zur Harmonisierung der Kriterien statt. Als Referenzstaaten arbeiten Italien, Polen und Schweden. Bis 2012 soll das Projekt abgeschlossen sein. Eine Vereinheitlichung wird es in der Zukunft geben, ist sich cd2e sicher. »Wie diese Konferenz gezeigt hat, streben alle in dieselbe Richtung. Weltweit gab und gibt es Besprechungen und Arbeitstreffen, daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis die angestrebte Standardisierung erfolgt«, vermerkt Christian Traisnel zuversichtlich.
>> Life Cycle Assessment (LCA):
Ein Life Cycle Assessment (LCA), umgangssprachlich auch bekannt als Ökobilanz, ist eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebensweges (»from cradle to grave« = »von der Wiege bis zur Bahre«) oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Verarbeitung (»from cradle to factory gate« = »von der Wiege bis zum Fabriktor«). Zur Analyse gehören sämtliche Umweltwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung des Produktes, sowie die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse.
Quelle: Wikipedia
>Life Cycle AsSessment Hauptanwendungen<