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Wertvernichter

\"MitSpektakuläre Flops sind nicht neu.

Neu ist die rasende Geschwindigkeit, mit der Manager selbst Weltkonzerne ins Wanken bringen. Im Handstreich hinterlassen sie verzweifelte Aktionäre, ratlose Kunden und demoralisierte Belegschaften. Was ist da bloß los? Und wie schmal ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn?

Speed kills! Vielleicht ist das immer noch richtig, manchmal zumindest. Aber heute klingt das eher wie ein leicht entzauberter Schlachtruf der 90er-Jahre. Die »New Economy« schickte sich damals gerade an, eine neue »wertschöpfende« Variable in die Ökonomie einzuführen: die Cash-Burn-Rate. Das Verbrennen von Geld war nicht nur salonfähig, sondern wurde von Ökonomen und Börsianern ultimativ gefordert und gefeiert. Alle waren  infiziert, als würde der gesunde Menschenverstand kollektiv aussetzen. Die Wall Street-Boys ohnehin, aber auch Sozialdemokraten wie Tony Blair und Gerd Schröder oder dessen konservativer Vorgänger Helmut Kohl. Letzterer erwies etwa dem »Wunderkind« Lars Windhorst nicht nur seine Referenz, sondern schleppte den damals minderjährigen Knaben auch auf Polittouren nach Ostasien mit, was diesem Tür und Tor zum eigenen IT-Imperium öffnete. Was für ein mediales Spektakel, nicht nur Reichtum und Jugend zum Quadrat, fast schon ein KHG hoch vier! Aber Windhorst war kaum 20, als er zum ersten Mal verglühte. Er war aber nicht nur pleite – fast ein Jahrzehnt lang wurde gegen ihn wegen Untreue, Betrug oder sonst was ermittelt. Das heißt auch in Deutschland »Unschuldsvermutung« und klingt vertraut. Immerhin konnte sich die deutsche Justiz zu einer Bewährungsstrafe aufraffen.

Aber der juvenile Windhorst verkörperte nicht nur den Prototyp der New Economy. Mit dem fast schon unheimlichen Gespür eines Trendsetters wechselte er die Branche – und mischt seit den Nuller-Jahren statt der IT jetzt ausgerechnet die Londoner Investmentbanker-Szene auf. Heute etwas älter, aber immer noch mit alten Mitteln. Um das Millennium herum dürften auch in den Medien die Dämme gebrochen sein. Der ehrbare Kaufmann war out wie die alte Lockenfrisur von Schneckerl Prohaska. Stattdessen wurden die Blender und Nehmer abgefeiert, als ob es kein Morgen mehr gäbe.

Selbst der ehrwürdige trend legte eine fast schon unheimliche Serie hin. Am Cover zum »trend-Mann des Jahres« gekürt zu werden, war beinahe die Garantie, kurz später vor dem Insolvenzrichter oder Staatsanwalt zu stehen. Chefredakteur Christian Rainer kommentierte die Pannenserie mit einem Anflug von Galgenhumor: »Wir definieren die Kategorie halt neu«, sagte Rainer damals. Solide Bilanzen, echte Leistung oder Verantwortung? Zugkräftige Headlines oder Homestorys bekommt man damit selten. Dafür hat man das Gefühl, dass die Gazetten von Schaumschlägern oder Maulhelden nur so bevölkert sind.

Fluch der Beschleunigung

Auch der Report(+)PLUS – obwohl ernsthaft um Seriosität bemüht – war nicht immer treffsicher. Der mutmaßliche Finanzjongleur Karl Petrikovics fand hier etwa noch eine Plattform, als die Causa Immofinanz zwar noch nicht ausgebrochen war, aber schon merkwürdig roch. Dass Manager und Entscheidungsträger und Strategen der »alten Schule« medial ins Hintertreffen geraten, ist auch der Befund von Peter Filzmaier. »Medien, Wirtschaft und Politik stehen unter einem extremen Beschleunigungsdruck«, sagt der Politikwissenschaftler. Entschleunigung sei gefragt, da niemand mehr Strategien habe, die auch übermorgen noch gültig sind. Bemerkenswert: Filzmaier geht auch mit der eigenen Branche hart ins Gericht. Auch Wissenschaftler und Ökonomen müssten dringend entschleunigen, auch »wenn das schwer fällt«.

Die Management- und Politeliten scheinen solche Rufe noch nicht wahrzunehmen. Dabei dreht sich das Hamsterrad zwischen Euphorie und Kater immer schneller. Und zugleich wirken die Protagonisten – wenn nicht ohnehin korrupt bis in die Knochen – auch immer hilfloser. Der allgemeine Schaden ist enorm. Bei all den Millionen, Billionen und Trillionen verliert auch der ORF schon einmal den Faden. Nicht nur einmal hat sich die Rundfunkanstalt gleich um ein paar Zehnerpotenzen geirrt.

Aber das scheint lässlich und ohnehin egal zu sein. Wer hat bei aktuellen Summen noch den Überblick? Zahlenmäßig fassbar sind vielleicht noch die Boni, die sich Teile der Managereliten und Politiker im Ausgedinge selber gönnen. Aber selbst hier stößt man an mentale Grenzen, die nicht nur der viel gescholtene Krone-Leser hat.

Aber neben den Boni explodiert auch die Cash-Burn-Rate scheinbar wieder einmal ins Uferlose. Das ist zumindest der Eindruck, den manche Wirtschaftslenker gerade hinterlassen. Was etwa Leo Apotheker zur maximal radikalen Kehrtwende beim neuen Brötchengeber Hewlett-Packard veranlasst hat, ist Gegenstand intensiver Debatten. Schon warum sich HP ausgerechnet den Ex-SAP-Vorstand als CEO geangelt hat, bleibt im Dunklen. Bereits sein Abgang in Walldorf war eher von Dissonanzen als Harmonien geprägt. Als Business-Held wurde Apotheker nicht einmal in der einschlägigen Wirtschaftspresse gefeiert. Dafür gibt Apotheker jetzt den Performer der Sonderklasse. Sein überraschendes Statement, HP aus dem PC-Hardware-Spiel zu nehmen und die eigene Mobilfunk-Software einzustampfen, prügelte den Aktienkurs innerhalb eines Börsentages um mehr als 20 % hinunter.

Kampf mit Untoten

Das hauseigene Mobil-Betriebssystem webOS etwa, teuer zugekauft und liebevoll weiter entwickelt, wurde nach ganzen 49 Tagen am Markt wieder eingestampft. Seit HP sein cooles Touchpad mit webOS zu konkurrenzfähigen Preisen abver­kauft, kämpft das Unternehmen mit einem Untoten. Weltweit gingen dank enormer Nachfrage nicht nur die hauseigenen Server völlig in die Knie, sondern auch die der potentesten Online-Händler. Jetzt will – oder muss – HP den abgekündigten Zombie sogar nachproduzieren. Aber auch die PC-Strategie hinterlässt mehr Fragen als Antworten. Klüger macht vielleicht ein Blick auf die Geschichte. Seit einem Jahrzehnt halten sich »echte« und »Interimschefs« die Waage. Den HP-Way hat schon Carly Fiorina verlassen Die medial auffällige Dame peitschte nicht nur die Compaq-Übernahme durch, sondern löste auch ein Blutbad aus. Personell wie mental. Was HP-Aficionados in Blogs oder Foren damals schrieben, ist kaum zitabel. Aber selbst die Business-Presse taufte sie wenig schmeichelhaft als »Kettensägen-Carly« oder »ihre königliche Schrecklichkeit«. Beim Abgang knallten in der Zentrale angeblich die Sektkorken, aber Fiorina dürfte das ziemlich egal sein. Ihr Clan hat mit der Abfertigung für die nächsten paar hundert Jahre ausgesorgt. Fiorina-Nachfolger Mark Hurd machte vieles gut, stolperte aber über seine Hormone.

Jetzt dreht Leo Apotheker wieder alles um. Die Company soll jetzt ein Software-Unternehmen werden. Pech im Unglück: Selbst die 7,2 Milliarden Euro schwere Übernahme des britischen Softwarehauses Autonomy spießt sich gerade. Analysten wie Aktionäre fragen sich ohnehin, wie der Newcomer HP ausgerechnet gegenüber alten Software-Hasen wie IBM, Microsoft oder Oracle bestehen kann. Das Drama setzt sich auch auf sozialer Ebene fort. Pensionsfonds, die damals der einfachen, wie meist goldenen Börsenregel »Buy and hold« gefolgt sind, sitzen heute auf Anteilen, die nicht mehr wert sind als Mitte der 90er. Vielleicht ist Apothekers Strategie aber auch der Schlüssel für mehr Shareholder-Value. Dabei muss man allerdings vorsichtig sein. Selbst Siemens, eine Bank mit angeschlossener Industrie, griff da fast schon einmal daneben. Die Medizinsparte  war einmal knapp davor, verscherbelt zu werden – heute legt sie goldene Eier in die Siemens-Bilanz.

Good Guys, Bad Guys

Aber selbst Götter sind fehlbar. Apples »iGod« Steve Jobs trägt seinen »Titel« nicht ganz zu unrecht. Gepatzt hat er trotzdem. Jobs leistete sich gleich einen Korb voll Fehlentscheidungen. Die Bus-Schnittstellen der Uralt-Apples sollten etwa reduziert werden. Ein kapitaler Bock, den nur seine Techniker verhinderten. Das Slot-Konzept war nicht nur in den 90ern der Erfolgsgarant schlechthin. Wie sich Apples jüngste Klagewelle auf die Stimmung der Konsumenten auswirkt, wird sich noch weisen. Beobachter von Blogs oder Foren merken einen Stimmungswandel vom Good Guy zum Bad Guy.

Das Image als böse Buben pflegten auch Bill Gates und Steve Ballmer lange. Aber bei den Redmondern hat sich die Lage ent­spannt. Nicht einmal in Linux-Foren gehen beide noch als unfähig oder aggressiv durch. Man zollt den Leistungen der letzten Jahre Respekt.
Für den Ex-MS-Manager und Nokia-CEO Stephen Elop gilt das nicht. Auch Elop prügelt den Börsenkurs hinunter, als ob sein Leben davon abhinge. Vielleicht tut auch Elop das einzig Richtige, obwohl Aktionäre, Kunden und Entwickler vergrätzt sind.

Wilde Raserei

Was Manager zu fragwürdigen Entscheidungen treiben kann, erklärt etwa Othmar Hill. »Die allgemeine Raserei wird immer wilder, der Egoismus wird auf die Spitze getrieben«, so der Personalberater. Seine These: Lockere und entspannte Manager machen so etwas nicht. Sie verdienten ohnehin genug und würden Glück nicht mit schnö­dem Mammon verwechseln.
Laut einer Rewe-Studie finden mehr als 77 Prozent der Befragten, dass das Vertrauen in Manager verloren gegangen sei (siehe Kasten). Der Aufschrei der so viel gepriesenen Leistungsträger war überschaubar. Das ist schade, denn echte Leistungsträger sind das Rückgrat der Gesellschaft. Gerade einmal der Erste-Boss raffte sich auf. »Ich glaube nicht, dass Manager heute die größeren Schweine sind als vor 20 oder 30 Jahren«, so Andreas Treichl beim Forum Alpbach.

Übrigens müssen nicht alle knochenharten Manager auffällig werden. Hans-Jörg Tengg steuerte den Konsum durch die Abwicklung und den Mobilfunker Max in den Aufwind. Wirklich beliebt war Tengg so gut wie nirgendwo. Aber eine schlechte Nachrede oder jahrelange Prozesse nach dem Abgang? Fehlanzeige.

Selbst prominente Managerkarrieren können offensichtlich auch ohne solche »Begleiterscheinungen« stattfinden.

 

>> Vertrauen geht Richtung Nullpunkt:

Das Vertrauen in Problemlösungskompetenz der Eliten schwindet schneller als die Alpengletscher. Das betrifft gleichermaßen Politik- wie Wirtschaftslenker. Der Trend manifestiert sich quer durch Europa. Brüssels »Griechenlandpolitik« bezeichnete etwa der Ökonom Stephan Schulmeister etwa nur mehr als »geistesgestört«. Die Kurzformel des Unmuts: Politiker sehen dem Wahnsinn wie gelähmt zu. Und Teile des Geldadels cashen ab, dass es einem nur mehr die Sprache verschlägt. Austriakisches Stichwort: »Wo war mei Leistung?« Auch die heimische Justiz patzt sich an, als ob sie fürs Wegschauen auch schon einen »Bonus« bekäme. Nach Politik und Justiz rasselt jetzt auch das ohnehin schon angeschlagene Ansehen der Manager noch weiter in den Keller. Rewe stellte kürzlich beim Forum Alpbach eine bezeichnende Studie vor: Über 77 % der Bevölkerung befanden, dass das Vertrauen in Großunternehmen und Konzerne verloren gegangen sei. Der mediale Aufschrei der echten heimischen Leistungsträger blieb überschaubar. Aber vielleicht ist auch das nur mehr ein Indiz für den tiefen Frust, der bald alle Gesellschaftsschichten durchdringt.

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