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Business-Töchter

\"InDie Gleichberechtigung stolpert vor sich hin. Bis auf wenige Ausnahmen geben nach wie vor Männerzirkel die Marschrichtung vor. Dass Wirtschaft und Staaten damit auch Wachstum verschenken, kommt in Europas Eliten langsam an. Österreich gibt sich allerdings ein bisschen retro.

 

 

Die »Schlacht« um die Bundeshymne ist also geschlagen. Endlich, möchte man ausrufen. Die Flut von entbehrlichen Leserbriefen und Wortspenden war ohnehin nicht mehr auszuhalten. Dass die neue Töchter/Söhne-Wendung im Ohr weh tut, ist da auch schon egal. Ungefähr so egal wie das Ergebnis des letzten ÖFB-Länderspiels unter Didi Constantini. Zu leichtfertig abtun darf man die Änderung der Hymne freilich auch nicht. Die Schönheit oder auch Gestelztheit des Liedes liegt, wie ein Fußballspiel der heimischen Kicker-Titanen, ohnehin im Auge des Betrachters. Was mehr zählt, ist schon der Symbolgehalt – und dieser dürfte immer noch beträchtlich sein. Nur um ein parlamentarisches Statement der ÖVP-Frauen zu verhindern, verlegte sich der ÖVP-Männer-Klub vor der Sommerpause auf Dauerreden über Schweinezucht und Süßstoff. Eine Aktion, die selbst die Kronen Zeitung als »peinlichen und infantilen Nonsens« geißelte, obwohl das Blatt sonst nicht gerade als Zentralorgan des Feminismus gilt. Frauenpolitik ist nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern immer auch Wirtschaftspolitik. Konsequent waren dabei schon die Nazis nicht. Zuerst noch als Gebärmaschinen am heimischen Herd heroisiert, fanden sich die Mutterkreuzträgerinnen nur kurz später am Fließband wieder.
Erst nachdem genug Männer am Schlachtfeld verheizt waren, entdeckten auch die Nazi-Machos den Wirtschaftsfaktor Frau. Nach dem Krieg durften die Trümmerfrauen dann noch kurz den Schutt wegräumen – und wurden gleich wieder an den heimeligen Herd zurückgeschickt. Die Werbung der 50er- und 60er-Jahre spricht diesbezüglich Bände: Sie präsentiert devote Weibchen, die nichts anderes zu tun haben, als ihre Ernährer und Göttergatten zu umsorgen – natürlich mit industrieller Hilfe von Miele und Melitta. Die Gleichstellungspolitik der EU geht übrigens auch schon auf die 50er-Jahre zurück. »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« wurde bereits damals als Grundsatz in den EWG-Verträgen von Rom festgeschrieben. Breit angekommen ist die bahnbrechende Erkenntnis bis heute nicht. Nur wenige Länder haben sich dazu entschlossen, die Verhältnisse auf eher brachiale Art zu ändern. Mit Frauenquoten für Führungskräfte preschte etwa Norwegen 2003 vor. Auch Island, Frankreich, Holland, Belgien – und selbst das katholische Spanien – gehören mittlerweile zum exklusiven Staatenklub, der auf die umstrittene Quotenregelung setzt. Auf dem Papier können sich die Ergebnisse sehen lassen. Im Vorreiterland Norwegen etwa nähert sich der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten bereits der magischen 50-Prozent-Marke an.

Wirtschaftsteil statt Tier- und Astro-Ecke

Nachzügler Spanien startete von einem niedrigen Niveau, aber immerhin ist gut jeder zehnte Vorstand auf der Halbinsel bereits weiblich, womit sich der Anteil in kurzer Zeit mehr als verdoppelt hat. Wirklich glücklich ist mit der Brechstangenregelung aber scheinbar niemand. Harsch reagierte etwa Infineon-Chef Peter Bauer. »Politik darf nicht einfach Unternehmen eine Quote aufzwängen. Damit löst man gar nichts«, sagte der Top-Manager. In die Macho-Ecke kann man Bauer oder seinen Konzern deswegen nur schwerlich stellen. Nach Monika Kircher-Kohl, bereits seit 2007 Chefin von Infineon Österreich, rückte erst vor wenigen Tagen die Wissenschaftlerin Sabine Herlitschka in den heimischen Infineon-Vorstand auf, womit die Damen in Villach bereits die Mehrheit stellen. Gäbe es hierzulande eine gesetzliche Regelung, dann würde wohl unweigerlich auch Herlitschka das Stigma einer Quotenfrau anhaften. Obwohl ihr Lebenslauf von Postdocs, Fulbright, Hopkins oder Advanced International Studies derart wimmelt, dass die meisten heimischen Vorstände vor Ehrfurcht oder Neid erblassen dürften. Aber Frauen wie Herlitschka wachsen nicht auf den Bäumen. »Woher sollen all die Ingenieurinnen und Technikerinnen für eine Quote kommen?«, fragte sich auch ihr Konzernchef und nahm die Politik ordentlich in die Pflicht. »Bei der Ausbildung versagt der Staat von der Grundschule an«, so Bauers Diagnose.

Während hierzulande – tu felix Austria – herzhaft eine Textzeile der Bundeshymne erörtert wurde, tobt quer durch Europas Medien eine vergleichsweise breite Diskussion. Neu ist, dass das »Genderthema« nicht mehr nur in den einschlägigen Randrubriken abgehandelt wird, sondern prominent auch in »ernsthaften« Ressorts wie Politik und Wirtschaft angekommen ist. Schuld daran ist nicht nur das Reizwort Quote, in das vor allem der Boulevard verliebt ist. Es mehren sich die Indizien, dass Europas Frauen so etwas wie eine »Geheimwaffe« für Unternehmen und die ohnehin gebeutelten Volkswirtschaften sein könnten (siehe unten). Eine Goldman-Sachs-Studie aus 2007 hat etwa das Thema Frauen in Zahlen gegossen. Im Fokus der »Goldmänner« stand vor allem die niedrige Erwerbsquote, die in Europa mit etwa 54 Prozent weit hinter die der USA zurückfällt. Vor allem in Europas Süden – in Italien oder Spanien produzieren die Frauen statt Gütern oder Wissen vor allem Pizza und Tapas – könnten die Staaten einen regelrechten Tigersprung hinlegen und ihr BIP um rund ein Fünftel steigern. Quasi aus dem Nichts und zum Nulltarif, wenn man die Frauen bei der Erwerbsbeteiligung nicht wie bisher ausbremsen würde. »Der mögliche Wachstumsschub wäre riesig«, stellten die Ökonomen fast schon euphorisch fest.

Österreich im Rückwärtsgang

Flankiert wird die Goldman-Studie etwa durch McKinsey. Geht es nach dem Unternehmensberater, sollten nicht nur Staaten, sondern vor allem auch Aktionäre und Eigentümer schnell umdenken. Laut McKinsey fahren »gemischt« geführte Unternehmen um gut die Hälfte mehr Gewinn ein als reine »Männerveranstaltungen«. Mehr Frauen im Management hätten vielleicht sogar noch einen anderen nützlichen Nebenaspekt: Männer und Wirtschaftsverbrechen gehören zusammen wie Henne und Ei. Das legen mehrere Studien nahe. KPMG bezifferte erst jüngst das Verhältnis von gefallenen Managern und ihren weiblichen Pendants auf etwa neun zu eins. Dass Frauen die »besseren« Menschen sind oder mehr »Moral« haben, sollte man daraus nicht zwangsläufig ableiten. KPMG erhellt diesen Aspekt nicht weiter und nennt als einen der Gründe für das »männliche Versagen« den enorm gestiegenen Leistungsdruck in den Führungsetagen. Vielleicht würden die Damen genau so schummeln und tricksen. Freilich steht derzeit nur drei von 100 europäischen Aufsichtsräten eine Frau vor, was Möglichkeiten und kriminelle »Kreativität« schon rein statistisch stark einschränkt.


Ungeduldig wird schön langsam die EU-Kommissarin Viviane Reding. Im Frühjahr war sie, gemeinsam mit der Österreicherin Gertrude Tumpel-Guggerell übrigens, noch auf Goodwill-Tour, um Europas männliche Eliten vom Handlungsbedarf zu überzeugen. Mittlerweile klingt Reding leicht genervt. »Frauen meinen es ernst«, richtete sie den Herren der Schöpfung aus. In Österreich dürften die Männervereine freilich noch ein Freispiel haben. Zwar gehen die Gewerkschaftsfrauen, wahrscheinlich mit stiller Duldung von ein paar beherzten ÖVP-Damen, schön langsam wieder auf die Barrikaden. Dass die Bastionen schnell fallen, müssen Österreichs Männer freilich nicht befürchten. Laut der letzten Jugendmonitor-Studie tickt die Mehrzahl der Jungen ohnehin so, wie sich das vielleicht konservative Rechtsabweichler einer Jungschar-Gruppe in Hinterkreuzstetten erträumen. Wie im Zeitsprung weit ins letzte Jahrhundert nennen stolze 55 Prozent der befragten Mädchen etwa »gut versorgte Hausfrau« als Traumjob. Laut WKO-Chef Christoph Leitl sind die Frauen keine »armen Hascherln«, die auf »entwürdigende« Lohn­extrarunden angewiesen wären. Leitls Wortspende und Absicht in Ehren, aber vielleicht brauchen die heimischen Mädchen genau das mehr als eh und je – und unter dem Strich auch die heimische Wirtschaft. Sonst fällt die Beweglichkeit der heimischen Männervereine gar noch hinter die des Vatikans zurück. Im August forderte der Papst via Kathpress, dass Frauen personell und thematisch mehr in die Pressearbeit des Heiligen Stuhls eingebunden werden müssen. Dass ausgerechnet Joseph Ratzinger nur aus Versehen oder Schlampigkeit auf den Konjunktiv vergessen hat, darf ausgeschlossen werden.

 

>> Geheimwaffe für Unternehmen und Volkswirtschaften:

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« – es ist ein altes Lied, das die EWG schon seit dem Vertrag von Rom singt. Wirklich viel weiter gegangen ist auch ein halbes Jahrhundert später nicht. EU-Kommissarin Viviane Reding platzte der Kragen: »Frauen meinen es ernst!« Sie forderte fast schon ultimativ, dass endlich mehr Frauen in die Führungsetagen einziehen. Volkswirtschaftlich schaden würde das nicht. Laut einer älteren Goldman-Studie bremst die geringe Erwerbsbeteiligung der Frauen das BIP-Wachstum je nach EU-Land zwischen 9 bis 21 Prozent aus. Laut McKinsey sollten auch Eigentümer schnell umdenken. Der Unternehmensberater will herausgefunden haben, dass Betriebe unter rein männlicher Leitung durchschnittlich um mehr als die Hälfte weniger Gewinn einfahren als Betriebe mit einem »gemischten« Management.

Das könnte – geht es nach KPMG – als Nebeneffekt sogar Korruption und Wirtschaftskriminalität eindämmen. Laut dem Wirtschaftsprüfer kommt auf ganze neun Täter nur eine Täterin.

 

>> Frauen im Zahlen-Rap:

> 100:105 ist das Geburtenverhältnis zwischen Mädchen und Buben. Letztere leben kürzer, so dass der Frauenanteil an der Weltbevölkerung bei knapp über 50 % liegt. China oder Indien entwickeln sich hingegen zu explosiven »Männervereinen«. Rund 20 % der jungen Männer bleiben dort Junggesellen, weil akuter Frauenmangel herrscht.

> 11.542 Euro pro Jahr verdient eine durchschnittliche österreichische Arbeitnehmerin weniger als ihr männlicher Kollege. Damit hat sich seit Ende der 90er nichts verändert. Die Einkommensdifferenz liegt wie festgenagelt bei rund 40 %.

> 13 % ist der Frauenanteil bei Wirtschaftskriminalität, wie KPMG kürzlich in einer länderübergreifenden Studie ermittelt hat. Der typische Wirtschaftskriminelle ist fast immer männlich – und leitender Manager. Letzteres könnte den geringen Frauenanteil erklären.

> 5 Jahrzehnte lang betreibt die EU bereits Gleichstellungspolitik, dennoch kommt der Fortschritt nur in Trippelschritten. In England soll es etwa noch knapp 100 Jahre dauern, bis die Gehaltslücke geschlossen ist. In EU-Vorständen wird hingegen »schon« in 50 Jahren Geschlechterparität herrschen.

> 105 Beamte haben den seit März möglichen »Papa-Monat« in Anspruch genommen. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek verkauft die bescheidene Zahl als »Erfolgsmodell«.

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