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Venedig günstig genießen

\"EsGünstig und gut? In Venedig? Der Mythos der Touristenfalle hat in der Lagunenstadt längst ausgedient. In urigen Kneipen und authentischen Osterien tauchen wir in venezianische Glückseligkeit ein. Die Tipps für den Trip.

Von Werner Ringhofer

 

Die ewig gleiche Route Markusplatz, Dogenpalast, Caffè Florian und wieder retour haben wir bereits satt. „Viel zu teuer!“, stöhnen die Venedig-Traumatisierten. Stimmt schon, auf den Trampelpfaden von jährlich 20 Millionen Touristen leert sich die Brieftasche so schnell wie derzeit bei der Tankstelle. 50 Euro für zwei Bellinis und ein Stückchen Schokoladekuchen in Harry’s legendärer Bar sind ein Elchtest für die Gelassenheit.

Die Lösung ist schnell bei der Hand. Viel anregender und nicht einmal weit ist die Route im Verborgenen. Bloß ein, zwei Gassen abseits vom Markusplatz in das magische Labyrinth aus Brücken und Kanälen abzweigen und schon offenbart sich die Mystik des echten Venedig. „Immer öfter mischen sich zwar bei Koch und Kellner slawische Akzente mit dem italienischen Stakkato. Trotzdem ist Venedig noch immer großartig einzigartig“, meint Heinz Grötschnig, Alpe-Adria-Chefredakteur und intimer Venedig-Kenner.

Urige Gemütlichkeit

Der Ausflug muss nicht einmal teuer sein, die günstigen Beisln um die Ecke, Bacari genannt, sind Bastionen der köstlichen Gemütlichkeit. Die urigen Gaststätten ködern mit kleinen appetitanregenden Happen, Cicchetti, die Ihre Augen zum Lächeln bringen und die  Zunge schnalzen lassen. Die kleinen Köstlichkeiten erinnern an spanische Tapas, mit Liebe zubereitet und wunderbar  anzusehen: Kroketten mit Thunfisch und Stockfisch-Kräuter-Canapés, frittierte Reis- und Hackfleischbällchen, Sardellenrollen und eingelegte Tintenfische, gefüllte Oliven und gegrillte Auberginen, Castraure-Artischocken von der Gemüseinsel Sant´Erasmo und Brotscheiben mit Baccalà Mantecato, der sämigen Stockfisch-Creme. Und natürlich die venezianische Köstlichkeit Sarde in saòr, eingelegte Sardinen mit Zwiebeln, Rosinen und Pinienkernen. Die Auswahl ist endlos. Dazu ein Gläschen Wein, frische, leichte Tropfen, wie einen Pinot Bianco, Friulano, Chardonnay oder Merlot – die schwereren Weine bleiben im Schrank. Eine riesige Fülle an kleinen Köstlichkeiten zu sehr vernünftigen Preisen. In Horden sollten Touristen allerdings nicht die kleinen Kosmen venezianischer Lebensart überschwemmen, dann kann der Wirt plötzlich stur werden und die Bedienung verweigern. Am besten möglichst geschmeidig unter das einheimische Volk mischen.

Authentisch und gut

„In den Restaurants muss man etwas mehr auslegen, dafür isst man gut und sehr oft authentisch“, erklärt Gerd Wolfgang Sievers, Koch und Kochbuchautor, der über Jahrzehnte hinweg venezianischen Großmüttern, Fischern, Gemüsebauern und Köchen ihre Küchengeheimnisse entlockte. Eine Besonderheit ist, dass oft in einem Haus Restaurant und die (wesentlich billigere) Osteria nebeneinander liegen. Also aufpassen, dass man nicht im falschen Lokal landet. In der Küche Venedigs dominieren Fische und Meeresfrüchte und die kosten eben etwas, wie überall anders auch. Pasta hat in der Serenissima keine große Tradition, Reis bekommt den Vorzug, allerdings werden Risotto wie auch die Nudeln weicher gekocht als sonst üblich. „All’onda“ nennt man diese Art von Risotto, so saftig, dass er noch träge fließt, wenn man den Topf schräg hält. Auch das Fleisch wird sehr weich gekocht und die Fische für unseren Geschmack oft zu lange gegrillt – Venezianer lieben das so. Wir auch, Venedigs Vielfalt ist in seiner besonderen Art berauschend. Vor allem rund um den Rialto-Markt finden sich sehr viele gute Osterien. Gerd Wolfgang Sievers meint: „In Venedig isst man zurzeit so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“

 

>> Insider-Tipps:

von Gerd Wolfgang Sievers: Der Koch und Kochbuchautor bereist Venedig seit 35 Jahren. Seine Hitliste der feinsten Genüsse.

Gut essen
> Bistro de Venise. Ente mit Lebersauce, Castradina (Eintopf) und viele andere traditionelle Gerichte sind hier sensationell, das Vergnügen ist allerdings sehr teuer. San Marco 4685, Calle die Fabbri, (041) 523 6651
> Harry’s Bar. Wer keine 70 Euro für ein Risotto zahlen will, sollte sich auf Prosecco und Bellini beschränken – Drinks und Atmosphäre sind allerdings klasse. San Marco 1323
> Taverna La Fenice. Elegant, Atmosphäre wie im 18. Jahrhundert. Tipps: Seppie al nero, gegrillte Scampi. San  Marco 1939, (041) 522 38 56
> Hosteria da Poggi. Authentischer kann man venezianische Küche kaum genießen. Tipps: Mein Freund Stefano kocht sensationellen Bolitto misto (gekochtes, genischtes Fleisch) und traumhafte Zabaione. Cannareggio 2103, Rio della Maddalena, (041)72 11 99
> Osteria Sora al Ponte. Eine meiner liebsten Osterien in Venedig. Enrico zaubert wunderbare frittierte Baccalà, gebackene Sardinen und Sarde in saòr (Sardinen, Zwiebel, Rosinen, Pinienkerne). Ponte de le Becarie, San Polo 1588, (041) 718 208
> Osteria all’Arco. Kleine Osteria, die wirklich gute (warme) Pannini anbietet, tolle Wurstwaren hat und auch sonst überzeugt. San Polo 436, Calle de l’Ochialer, (041) 520 56 66
> Snack Bar Toletta. Moderne Bar mit ausgezeichneten und vielfältigen Tramezzini. Besonders gut die Füllung Equino affumicato (geräuchertes Pferdefleisch und Radicchio), aber auch die mit Porchetta (Wurst vom Spanferkel) ist fein. Dorsoduro 1191
> Bar Aperol. Fast unglaubliche Vielfalt an Tramezzini, in der Nähe der Rialtobrücke (beim Hotel Rialto). San Marco 5125
> Ai Frati. Herrliches Fischlokal direkt am Canal Grande von Murano. Tolle Granseola (Seespinne), wirklich frische Fische und zartcremige Risotti. Fondamente Venier 4, Murano, (041) 73 66 94
> Trattoria da Romano. Tolle Risotti, vor allem das seltene Risotto de gò, also mit Meeresgrundel (zur Sicherheit vorbestellen). Das Ambiente wirkt etwas kitschig, aber passt zur bunten Insel. Via S. Martino DX 221, Burano, (041) 73 00 30
> Locanda Cipriani. Ein Platz zum Verlieben und für Verliebte. Hierher kommt man nicht allein wegen des Essens. Es ist die Atmosphäre der verwunschenen Insel, die den Platz so einzigartig werden lässt. Piazza Santa Fosaca 29, Torcello, (041) 73 01 50

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