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Investieren statt sozialisieren


Der September 2008 hat Österreich eine Sozialisierungswelle beschert, die wir uns nach der Wirtschaftskrise nicht leisten können. Statt in die Infrastruktur zu investieren und den Standort Österreich nachhaltig zu stärken, fließt immer mehr Geld in Sozialausgaben.

Das Bundesbudget steht trotz der moderaten, auf alle Bevölkerungsgruppen verteilten Belastungen im Kreuzfeuer der Kritik. Der vorgezeichnete Weg zum Defizit­abbau von derzeit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 2,3 Prozent ist durch angekündigte Verfassungsklagen bedroht. Zudem nähert sich der Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden der 200-Milliarden-Euro-Marke und damit einem Wert von 70 Prozent unserer volkswirtschaftlichen Leistung. Diese Entwicklung könnte fatale Konsequenzen haben. Sie engt den Investitionsspielraum der Gebietskörperschaften so stark ein, dass mittelfristig die Standortqualität Österreichs leidet. Direkt betroffen davon wäre natürlich auch unsere Baustoffindustrie, die in hohem Maße am Ausbau der Verkehrswege beteiligt ist.

Was sind die Ursachen dafür?
In Österreich ist das Bruttoinlandsprodukt 2009 um 3,9 Prozent gefallen, die sozialen Ausgaben sind hingegen um 5,8 Prozent gestiegen (+5,2 Prozent im Jahr 2008). 2010 wird das BIP um zwei Prozent steigen, damit holen wir zwar rund die Hälfte des Verlustes aus dem Jahr 2009 wieder auf. Bei einem Rückgang von knapp neun Milliarden Euro bedeutet dieser Zuwachs von nur fünf Milliarden Euro heuer, dass immer noch vier Milliarden Euro Wirtschaftsleistung in der Rechnung fehlen. Dieser Umstand hält aber wild gewordene Interessengruppen nicht davon ab, bei der Republik Österreich beide Hände aufzuhalten und immer mehr soziale Leistungen zu begehren. Es wird Geld ohne Gegenleistung verlangt und dabei übersehen, dass sich Österreich sowie fast alle anderen EU-Länder in einer veritablen Staatsschuldenkrise befinden. Dabei liegt Österreich mit seinen Sozialausgaben gemessen am Volkseinkommen an der vierten Stelle der EU. Sie dürften 2009 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschritten haben! Mit weniger als vier Millionen Beschäftigten befindet sich nicht einmal die Hälfte aller Österreicher im Arbeitsprozess. Wer glaubt, dass alle diese Leute Steuer zahlen, irrt, weil die Zahl der von der Lohn- und Einkommensteuer befreiten Österreicher auf 2,7 Millionen Personen gestiegen ist. Getragen wird das System, das auch die Sozialausgaben zum erheblichen Teil mitfinanziert, daher von etwa 1,3 Millionen Österreichern, die bis zu 50 Prozent ihres Einkommens (ab 60.000 Euro jährlich) Lohn- und Einkommensteuer zahlen.
Umso unverständlicher ist es daher, dass gewisse gesellschaftliche Gruppen und auch politische Parteien eine weitere Strapazierung des Systems durch den Ausbau der eben erst eingeführten Mindestsicherung, durch Pensionen für alle, durch Beibehaltung der Hacklerregelung usw. verlangen. Diese Leute entfernen sich mit ihrem Populismus immer mehr von der wirtschaftspolitischen Realität.
Wir müssen demgegenüber in Österreich auf starkes Wachstum setzen. Dazu braucht es Infrastruktur-Investitionen. Österreich tut nämlich derzeit nicht genug, um aus seiner zentralen Lage in Europa das Beste zu machen. Verbesserungen bei den Verkehrswegen, der Energieversorgung und der Telekommunikation sorgen für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch größere Mobilität, höheres Wachstum und eine günstigere Kostenstruktur.
Für die Investitionen in die Infrastruktur bedarf es hoher finanzieller Mittel. Für Schiene und Straße sind bis 2016 rund 18 Milliarden Euro vorgesehen. Dieses Volumen wurde erst jüngst um 4,3 Milliarden Euro zurückgefahren. Ein reduzierter Infrastrukturausbau leistet damit den größten Beitrag zur Budgetkonsolidierung. Dagegen nehmen sich die Einschränkungen beim überbordenden Sozialaufwand wie Peanuts aus. Wenn aber insgesamt gesehen zu wenig Geld da sein sollte, muss rechtzeitig einem drohenden Investitionsstau vorgebeugt werden. Dies kann vor allem durch eine Ausweitung der Verkehrswegefinanzierung und durch eine verstärkte Mobilisierung privaten Kapitals geschehen. Schlechte Erfahrungen bei dem einen oder anderen Projekt sollten nicht der Anlass sein, Public-Private-Partnership-Modelle zu verteufeln. Dies alles sollte angesichts der Prognosen eines weiter steigenden Personen- und vor allem Güterverkehrs bedacht werden.
Trotz der Budgetrestriktionen wird es Österreich nur schwer gelingen, sein Problem mit den Staatsschulden in den Griff zu kriegen. 2010 zahlten wir 8,3 Milliarden Euro Zinsen. Trotz der kurz vor Weihnachten 2010 beschlossenen Maßnahmen erhöhen sich aber die Zinszahlungen für die Schulden der Republik bis 2014 auf 9,3 Milliarden Euro.
Das ganz große Problem hat sich Österreich am 28. September 2008 eingehandelt. Diese denkwürdige Nationalratssitzung ist dafür verantwortlich, dass die Sozialausgaben um knapp eine Milliarde Euro höher sind als vor diesen fatalen Beschlüssen. Zudem fehlt bis jetzt der Mut, die wesentlichen Verfehlungen von damals, wenige Tage vor der Nationalratswahl 2008, wieder zurückzuführen. Dieser Tag hat eine Sozialisierungswelle in Österreich in Gang gesetzt, die wir uns nach der Wirtschaftskrise nicht leisten können. Diese Entwicklung stellt die Wettbewerbsfähigkeit infrage, die aber die Grundlage dafür ist, aus der Finanzkrise wieder herauszukommen. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft ist aber auch die Grundlage für die soziale Sicherheit in unserem Land.

Was lernen wir daraus

Wir brauchen den Mut zum großen Blick, wir dürfen uns nicht im Klein-klein verlieren. Dies gilt vor allem auch für unsere Politik, die derzeit von einer ungeahnten Regelungswut und von Populismus befallen ist. Dies führt zu unangemessenen Eingriffen in das Wirtschaftssystem.
Unsere Unternehmen brauchen eine gewisse Größe wegen ihrer Anlagen, Maschinen und Produktionszahlen, die es zu erhalten gilt. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir eine bestimmte Auslastung haben. Es wird aber noch ca. drei bis vier Jahre dauern, bis die Wirtschaft wieder das Niveau von vor der Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht hat. Wir brauchen Marktnähe, Innovationen, modernes Design für unsere Produkte und die Motivation der Arbeitnehmer. Angesichts dieser Entwicklung sind wir aufgefordert, dem Sozialaufwand von Bund, Ländern und Gemeinden größtes Augenmerk zu schenken. Es geht nicht nur darum, weitere Kostensteigerungen zu vermeiden, sondern auch überschießende Sozialleistungen aus den Budgets der Gebietskörperschaften zu entfernen und diesen mehr Spielraum für investive Maßnahmen zu geben. Schiene, Straße, Energieversorgung, Telekommunikation und öffentliche Wohlfahrt müssen weiterentwickelt werden. Ihre Performance bestimmt Österreichs Zukunft. Nur bei einem investitionsfreundlichen Klima können wir unsere Positionen im internationalen Wettbewerb verteidigen und ausbauen.

Dr. Carl Hennrich ist Geschäftsführer des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie

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