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Geld für den Bau

Die Bauwirtschaft braucht Investitionen wie einen Bissen Brot. Stattdessen bremst die Regierung die geplanten Projekte – vom Konjunkturpaket bleibt kaum etwas übrig. In der Branche regt sich Unmut.

Im März 2009 waren alle noch guter Hoffnung. Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Pröll versprachen der krisengeschüttelten Bauwirtschaft volle Unterstützung. 22,5 Milliarden Euro wollte die Regierung für den Ausbau von Schiene und Straße lockermachen. 40 Prozent der Investitionen sollten in Straßenbauprojekte fließen, 60 Prozent in den Schienenausbau, vor allem auf der Südstrecke. Die thermische Sanierung und barrierefreie Gestaltung der Bahnhöfe würden zusätzliche Impulse bringen.  Jeweils 900 Millionen Euro für 2009 und 2010 waren für vorgezogene Projekte reserviert. Insgesamt sollten durch die Maßnahmen pro Jahr 50.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Rund ein Jahr später herrscht Resignation. Der Wohnungsneubau ist weiter rückläufig. Das Budget für die Förderungen der thermischen Sanierung ist aufgebraucht, ein neues Förderpaket gibt es erst wieder für 2011. Von den geplanten Projekten der Bundesimmobiliengesellschaft BIG – teilweise mit Volumina bis zu 800 Millionen Euro – spürte die Bauindustrie bislang noch nichts: Sie befinden sich noch immer in der Vorbereitungsphase bei den Ministerien. Weitere Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, wie sie von Branchenvertretern gebetsmühlenartig gefordert werden, sind nicht in Sicht. Im Gegenteil: Infrastrukturministerin Doris Bures kündigte an, sämtliche Bauprojekte der ÖBB vorläufig zu stoppen.

Tunnelbau gestoppt
Konkret sollen vor allem die drei gro­ßen Tunnelprojekte – Brenner, Koralm und Semmering – bis Herbst einer Evaluierung unterzogen werden. Von einem kompletten Baustopp will Bures allerdings nichts wissen. Schuld an dem Aufschub seien die Budgetkürzungen durch Finanzminister Pröll. Für die Bahnprojekte nehmen zwar die ÖBB die Kredite auf, die Rückzahlung erfolgt aber zu 70 Prozent durch den Bund.
Ursprünglich waren für das Bauprogramm 9,4 Milliarden Euro veranschlagt. Bis 2014 müssen nun drei bis vier Milliarden Euro eingespart werden. »Das Bauprogramm der ÖBB ist daher nicht wie geplant umsetzbar«, sagt Bures. Welches der 250 Projekte dem Sparstift zum Opfer fällt, soll spätestens bis zum Tag der Budgetrede am 20. Oktober feststehen. Damit umschifft die Regierung auch elegant die heiklen Landtagswahlen in Wien und der Steiermark – der Koralmtunnel dürfte in der Steiermark dennoch heiße Wahlkampfmunition liefern.

Neue Impulse
In der Baubranche gehen schon jetzt die Wogen hoch. 2009 schrumpfte die Bauproduktion nominell um 4,2 Prozent. Für 2010 prognostizieren die Wirtschaftsforscher einen neuerlichen Rückgang um ein Prozent. Laut Statistik Austria verfügen die österreichischen Bauunternehmen momentan über einen Auftragspolster von insgesamt 6,1 Milliarden Euro, was einem Minus von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Starke Einbrüche gab es vor allem im Tiefbau, der Hochbau konnte sich auf dem schwachen Vorjahrsniveau einigermaßen stabil halten.
Volle Auftragsbücher können aber nur vorübergehend trösten. Fehlende Investitionen wirken sich langfristig auf die gesamtwirtschaftliche Produktion und den Arbeitsmarkt aus und könnten nach Meinung von Experten 2012/13 voll spürbar werden. Größtes Sorgenkind ist der Neubau: Die Zahl der Wohnbaubewilligungen sackte neuerlich um vier Prozent auf 34.000 Einheiten ab. Die Wohnbauförderung, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, fließt seit Jahren mangels gesetzlicher Zweckbindung großteils in andere Kanäle.
Für Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel liegt die Bewältigung der kritischen Konjunkturlage in der Verantwortung der öffentlichen Hand: »Der Grundtenor darf jetzt nicht ›Kaputtsparen‹ lauten, sondern man sollte durch Investitionen die Konjunktur ankurbeln. Dazu gehört vor allem die Beauftragung der vorgesehenen Projekte bei der Bundesimmobiliengesellschaft, der Asfinag und der ÖBB.«
Auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl fordert Impulse für die heimische Wirtschaft, die noch heuer wirken – insbesondere, weil die Konjunkturprognosen für 2010 eine Verlangsamung des Aufwärtstrends vorhersehen. »Wir wollen dem Finanzminister nicht in die Tasche greifen: Die thermische Sanierung und der Handwerkerbonus sind intelligente Maßnahmen, die das Budget nicht belasten. Das Fördervolumen kommt als Steuereinnahme wieder zurück in die Staatskasse«, sagt Leitl. Nach Berechnungen der Universität Linz wird die Schattenwirtschaft in Österreich wie im Vorjahr um weitere vier Prozent wachsen. Der Pfusch erreicht damit 2010 ein Volumen von rund 21 Milliarden Euro. Durch den »Handwerkerbonus« könnten 20 Prozent der Dienstleistungen und Investitionen (pro Jahr maximal 5.000 Euro) steuerlich abgesetzt werden, pro Haushalt wäre das eine Steuergutschrift von 1.000 Euro. Laut Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider könnte die Schattenwirtschaft dadurch um drei bis fünf Milliarden Euro schrumpfen: »21 Prozent jener Österreicher, die eine Renovierung planen, würden von dem Bonus Gebrauch machen und einen Handwerker beauftragen. Der Handwerkerbonus ist nicht nur für den Finanzminister ein Geschäft, sondern Wirtschaft und private Haushalte profitieren ebenfalls davon.«

Konjunkturmotor Bau
Vehemente Kritik kommt auch aus der Gewerkschaft. Die beabsichtigten Einsparungen im Bereich Umwelt und Infrastruktur seien »ein Schuss ins eigene Knie«, so Josef Muchitsch, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. »Die österreichische Bundesregierung hat einer möglichen Wirtschaftskrise mit den Konjunkturpaketen und dem Sanierungsscheck im Jahr 2009 mutig entgegengewirkt. Dies zeigen eindrucksvoll auch die Arbeitsmarktdaten im Bauwesen.« Ende Mai wurden um 13,4 Prozent weniger Arbeitslose (absolut: 20.718 Personen) verzeichnet als vor einem Jahr. Muchitsch befürchtet jedoch eine Umkehrung dieses Trends: »Erste Einbrüche bei den Bau-Beschäftigtenzahlen werden bereits ab dem dritten Quartal 2010 erwartet. Das muss Grund genug für die Politik sein, gerade in Maßnahmen wie Sanierung, Verkehrsinfrastruktur, Wohnungsneubau und erneuerbare Energien zu investieren.«
Mit knapp 242.000 Beschäftigten gilt die Bauwirtschaft traditionell als Konjunkturmotor. Die wichtigen öffentlichen Aufträge erfolgen jedoch auch nach politischen Zyklen: In Wahljahren ist meist ein Hoch zu verzeichnen – wie derzeit im Burgenland –, im Jahr danach herrscht Katzenjammer. So klagt Oberösterreich, wo im Vorjahr gewählt wurde, heuer über Rückgänge. Nächstes Jahr wird es im Burgendland und in der Steiermark zu Einbrüchen kommen. Die Bauwirtschaft hofft deshalb auf Investitionen aus privater Hand. Private hätten 450 Milliarden Euro angespart, so Bundesinnungsmeister Frömmel. Sie sollten angeregt werden, in Bauprojekte zu investieren: »Wir müssen die privaten Auftraggeber motivieren, in bleibende Werte und damit sichere Veranlagungen zu investieren. Hierzu sind vor allem fiskalische Anreize notwendig. Damit lukriert der Staat ein Vielfaches an Steuern sowie Abgaben und sichert Arbeitsplätze.«

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