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»Haben uns bewusst gemacht, wo unsere Stärken liegen«

\"Alfred Pufitsch ist Geschäftsführer bei Tele2. Er beschreibt die künftige Ausrichtung des alternativen roviders, wie Tele2 Geschäftskunden adressieren möchte und welchen Veränderungen der Markt unterworfen ist.

Report: Herr Pufitsch, sie sind am 1. Mai 2009 als Geschäftsführer von Colt zu Tele2 gewechselt. Sind damit die Herausforderungen für Sie größer geworden?
Alfred Pufitsch: Es ist vielseitiger geworden. Man kommt aus einer Nische mit internationalem Geschäft und ist plötzlich beim größten alternativen Festnetzanbieter am Markt. Tele2 ist auf den lokalen Markt in Österreich ausgerichtet – das erlaubt mir aber auch meine eigene Marktgestaltung.

Report:
Und dieser Markt ist heiß umkämpft. Wie ist das Jahr 2009 für Tele2 verlaufen? Wie war die Umsatzentwicklung? Wie viele Kunden haben Sie?
Pufitsch: Wir haben im vergangenen Jahr ein historisches Ergebnis erreicht und haben die Zahlen exzellent gesteigert – zuletzt auf ein EBITDA von knapp 35 Mio. Euro. Die Umsatzentwicklung war flach bis leicht rückläufig, sie ist von 223 auf 214 Mio. Euro zurückgegangen. Wenn Sie sich die Bewegungen am Breitbandmarkt ansehen, sehen Sie, dass sich dies in einem überschaubaren Rahmen hält. Auf der anderen Seite konnten wir unsere CAPEX gegenüber 2008 um 45 Mio. Euro steigern. Tele2 hat derzeit 500.000 Kunden, großteils Residential Customers. Im Businesskundenbereich – also alle, die einen Gewerbeschein haben und als Geschäftskunden registriert sind – werden es etwa 40.000 sein.

Report: Sie wurden als Sanierer an Bord geholt. Welche Einsparungen wurden unternommen, um das Unternehmen effizienter aufzustellen?
Pufitsch: Prozesse wurden vereinfacht, Abteilungen zusammengeführt und Investitionen hinterfragt. Die ist natürlich als Reaktion auf die geänderten Marktbedingungen passiert. So wurden im Vertrieb Aktivitäten gebündelt und wir konzentrieren uns nun sehr stark auf den Endkundenbereich und haben dahingehend auch unsere Managementkapazitäten angepasst. Im Jahr 2009 hat es eine Reduktion von zirka 90 Leuten gegeben – auf einen Stand von 339 Mitarbeitern Ende des Jahres.

Report: Das ist ein radikaler Abbau.
Pufitsch: Die Effizienz eines Unternehmens ist der Schlüssel zum Erfolg. Von einem Incumbent-ähnlichen Verhalten, wie es in der Vergangenheit passiert ist, müssen wir uns verabschieden. Der Abbau war notwendig, war doch der Personalstand immer noch an vergangenen Strukturen festgemacht, als das Unternehmen größer aufgestellt war. Irgendwann muss man auch seine große Vergangenheit bewältigen, hinter sich lassen, und sich für die Zukunft aufstellen.

Report: Konnte Tele2 durch die Restrukturierung den Kundenservice verbessern?
Pufitsch: Wir arbeiten ständig an der Verbesserung des Service und bekommen derzeit ein sehr gutes Feedback von unseren Kunden. Es gab in der Vergangenheit schon schlechtere Kundenwerte. Der Grund dafür waren aber Vertriebsstrukturen, die automatisch eine höhere Beschwerderate nach sich ziehen. Wenn man im Tür-zu-Tür-Geschäft tätig ist, läuft man immer Gefahr, dass man mit externen Partnern die Akzeptanz am Markt offenbar überstrapaziert.

Report: In welcher Weise hat sich der Markt für Sie verändert?
Pufitsch: Ist Tele2 in den letzten Jahren noch angetreten, sich im Breitbandbereich unbedingt mit all den Kombipaketangeboten des Marktes messen zu müssen, hat man nun hier etwas die Kraft herausgenommen. Wir haben uns bewusst gemacht, wo unsere Stärken liegen. Sie liegen in unseren bestehenden Kunden. Intern war also die Aufgabe, uns so aufzustellen, dass wir den Kunden mittels Cross-Selling und Up-Selling mehr verkaufen und ihn auch halten – Churn (Kundenabwanderung, Anm.) ist ein heißes Thema in dieser Branche. Wichtig ist natürlich ebenso, an den richtigen Stellen neue Kunden zu gewinnen. Tele2 hat es im letzten Jahr geschafft, allen Gerüchten zum Trotz weiterhin alle drei Segmente – Privatkunden, Business und Carrier – zu adressieren.

Report: Das ist eine Strategie, die Tele2 immer schon verfolgt hat. Was ist daran neu?
Pufitsch: Neu ist die unterschiedliche Gewichtung. Es gibt seit zwei Jahren die Business-Marke »Tele2 Business«, in die wir nun mehr Gewicht gelegt haben. Personelle Veränderungen, eine klarere Ausrichtung und mehr Kraft werden diesen Bereich zu einem Zugpferd entwickeln. Im Residential-Bereich, der von der Kundenanzahl und dem Umsatz her die größte der drei Säulen ist, spielt sich auch der größte Wettbewerb ab. Dort ist eine Bewahrungsstrategie gefragt, im Businessbereich dagegen eine Strategie des Wachstums. Der Carrierbereich ist als Lieferant für die Infrastruktur ohnehin ein wesentlicher Bestandteil dieser beiden Geschäftsausrichtungen. Tele2 macht heute über 60 % im Sprachgeschäft, 40 % des Umsatzes werden mit Datenservices generiert. Wir erwarten, dass in Zukunft diese Formel umgekehrt wird. Die Kunden setzen zunehmend auf Datenleitungen und benötigen eine fähige Leitungsinfrastruktur. In einem nächsten Schritt werden dann auch zusätzliche Dienste wie Managed Services und Unified Communication gefragt sein. Letzteres ist ja schon ewig ein Thema in der Branche, das sich nun auch in Zahlen ausdrücken lassen wird – und nicht mehr nur eine Marketinghoffnung ist.

Report: Ist aus Ihrer Sicht die Marktwahrnehmung Ihrer Geschäftskundenmarke ausreichend gut?
Pufitsch: Eine der Maßnahmen im letzten Jahr war das sorgsame Umgehen mit Marketingmaßnahmen. Wir hatten sicherlich nicht jene öffentliche Awareness geschaffen, wie man es in der Vergangenheit von Tele2 gewohnt war. Es wurden aber nun wieder entsprechende Kampagnen gestartet und wir werden kontinuierlich Aktionen im Geschäftskundenbereich  durchführen.

Report: Wie sieht der klassische Tele2-Kunde aus? Was wollen die Kunden im Privatbereich?
Pufitsch: Der klassische Tele2-Kunde bezieht Sprach- und Internetdienste. Der Umsatzüberhang ist heute noch im Sprachbereich. Im Moment verspüren wir noch kein großes Verlangen nach hochbitratigen Diensten. Endkunden sind heute üblicherweise mit den am Markt verfügbaren Leitungskapazitäten zufrieden. Wir wissen allerdings, wenn HD-Kanäle (High Definition, Anm.) nachgefragt werden, werden auch die Anforderungen im Netz steigen. Es gibt zwar sehr wohl Heavy User, die entsprechende Leitungskapazitäten und Leitungsstabilität heute schon verlangen, dies ist aber eine überschaubare Zahl – vielleicht monatlich ein paar tausend in ganz Österreich. Das ist heute noch keine Lawine, wird sich aber mit den Applikationen – vor allem der Wohnzimmerapplikation schlechthin, TV – sukzessive entwickeln.

Report: Wie groß sind Ihre Sorgen hinsichtlich der Migration der Kunden in mobile Dienste? Auch bei Breitband wollen die Konsumenten ja nicht mehr innerhalb der eigenen vier Wände gefangen sein.
Pufitsch: Es ist eine Tatsache, dass Mobilität ein Lebensbestandteil in der Kommunikation ist. Die Frage nun ist, wie die Carrier künftig aufgestellt sind. Allein sich in Festnetz- oder Mobilnetz-Services zu positionieren, wird in Zukunft nicht ausreichen. Mit der Einführung von LTE sehe ich die Zeit gekommen, dass nicht die Technologie und das Medium darunter entscheidend sind, sondern die gesamte Infrastruktur. So wird man immer zuerst eine gut ausgebaute Festnetzinfrastruktur benötigen, um ein Mobilnetz zu betreiben. Und andererseits gehe ich davon aus, dass ein großer Anteil des Residential-Access-Bereichs mobil sein wird.

Report: Wo in diesem Szenario liegt die Zukunft von Tele2?
Pufitsch: Wir sind gerade dabei, unterschiedliche Szenarien zu entwickeln und diese Position zu finden. Unsere Aufgabe ist in den nächsten Jahren, unsere Festnetzinfrastruktur in Hinblick auf den Ausbau des NGNs (Next Generation Network, Anm.) so vorzubereiten, dass sie Teil einer konvergenten Infrastruktur sein kann und dort einen wertvollen Beitrag liefert. Wie sich dies speziell entwickeln wird – darüber ist aus heutiger Sicht noch keine Aussage möglich. Es sind in dieser Diskussion auch noch zu viele Punkte offen.
Fix ist, wir werden am Ende des Tages den Kunden ein konvergentes Angebot liefern müssen. Wir können in Österreich mit jedem kooperieren – vom Incumbent bis zu jedem anderen. Es muss nur der entsprechende Wille da sein und die entsprechenden kommerziellen Handlungsfreiheiten.
Zentrale Frage ist auch, wie sich die gesamte Tele2-Gruppe zum österreichischen Markt stellt. Tele2 ist in Europa in Umsatz- und Kundenzahlen gesehen eine Mobile Company geworden. Sie hat in Kernländern wie Schweden, Holland und Österreich auch ein Festnetzgeschäft mit eigener Infrastruktur, doch der Großteil der Kunden kommt heute aus Russland. Dort kamen allein im letzten Quartal 2009 1,2 Mio. Neukunden hinzu – dort sind die wirklich großen Bewegungen derzeit.

Report: Welche Erwartungen haben Sie für 2010? Ist wieder Wachstum möglich?
Pufitsch: Wir werden definitiv Wachstum in den Teilbereichen Business und Carrier haben. Wachstum im Gesamten wird es aber nicht geben. Dazu ist der Residentialmarkt zu heiß umkämpft. Ich gehe aber von einer Stabilisierung des Umsatzes aus.
Die Konzentration im Geschäftskundenbereich liegt auf heimischen Unternehmen mit Aktivitäten im nahen Ausland. Tele2 ist ein nationaler Carrier mit internationalem Background und kann daher den klassischen österreichischen Mittelstand – in Dimensionen bis zu einer globalen Geschäftstätigkeit – adressieren. Unser klassischer Geschäftskunde hat seine Kernaktivitäten in Deutschland, vielleicht noch in einem weiteren europäischen Land und in Zentral- und Osteuropa gelagert. In diesem Bereich geht es immer mehr darum, die Netzqualität zu erhöhen und gemanagte Netze für den Kunden auf MPLS-Basis zu implementieren (Multiprotocol Label Switching, Anm.).
Anwendungen wie unsere Office-Phone-IP-Lösung komplettieren diese Infrastruktur-Services. Diese Lösung bietet alle Funktionen einer klassischen Telefonanlage. Dazu bieten wir Telekonferenz-Räume auf Mietbasis und werden in Zukunft auch Videokonferenzen anbieten.



Kritisches Infrastrukturgut
Ein spannendes Projekt hat Tele2 vergangenes Jahr mit »Healix« gestartet. Das Projekt wurde zuletzt von der Bundesbeschaffungsgesellschaft als innovativstes IT- und Telekomprojekt im öffentlichen Sektor ausgezeichnet. Warum geht es? Tele2 baute mit den Konsortialpartnern gespag in Oberösterreich, der NÖ Landesklinikenholding und dem Krankenanstaltenverbund Wien sowie den Energieversorgern Energie AG, EVN und Wien Energie Wienstrom ein Gesundheitsdatennetz aus. Diese »Datenautobahn im Gesundheitswesen« hat Zugangsknoten in den einzelnen Bundesländern für den freiwilligen Austausch des elektronischen Gesundheitsakts oder von hochbitratigen Anwendungen – großvolumige Bilddaten, etwa aus der Computertomografie oder Röntgenfotografie. Die Energieversorger haben das Netz auf den Status einer kritischen Infrastruktur gehoben und sind damit in den Notfallsplänen der Länder integriert. Damit ist das Projekt ein nationales, kritisches Infrastrukturgut.

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