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Gebot der Stunde

\"RolandRoland Jabkowski, Geschäftsführer Bundesrechenzentrum, über die Trends im E-Government: Effizienzsteigerungen in der Verwaltung, mehr Transparenz und Gestaltungsmöglichkeiten für die Bürger.

Obwohl der heimische Abdeckungsgrad von Verwaltungsservices durch elektronische Medien seit Jahren europaweit an der Spitze liegt, gibt es in zwei Bereichen noch Verbesserungspotenzial: bei der tatsächlichen Nutzung der Services sowie bei erzielten Effizienzsteigerungen in der Verwaltung. Im Gespräch mit Report (+) Plus meint Roland Jabkowski, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Bundesrechenzentrum (BRZ), die richtigen Antworten darauf zu haben.

(+) plus: Österreich ist bei der Umsetzung von E-Government-Services stets an vorderster Stelle zu finden. Welche Entwicklungen kommen dazu in den nächsten Jahren auf uns zu?
Roland Jabkowski:
Heute sind bereits Anwendungen wie help.gv.at oder FinanzOnline für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen eine unerlässliche Hilfe, ebenso wie das zentrale Melderegister oder die eCard. Die Bedeutung von E-Government in Österreich zeigt sich unter anderem an den aktuellen Verwaltungsreformprojekten der Bundesregierung. Im September 2009 wurden 32 Umsetzungsmaßnahmen vorgestellt. Sie sind in erster Linie Organisationsprojekte. Der optimale Einsatz von IT ist dabei aber ein kritischer Erfolgsfaktor. Dies ist also eine große Chance für die IT und den IT-Dienstleister der Bundesverwaltung – das BRZ.

Auch das im Jänner gestartete Unternehmensserviceportal ist ein Teil dieser breiten Initiative. Das Portal wurde vom Bundesrechenzentrum im Auftrag des Finanzministers eingerichtet und wird nun betrieben. Es wird den Aufwand, den die Wirtschaft mit der Verwaltung hat, drastisch reduzieren. Vizekanzler Josef Pröll beabsichtigt, die Kosten der Wirtschaft, die im Zusammenhang mit der Verwaltung anfallen, um mehr als eine Milliarde Euro zu reduzieren. Ein beträchtlicher Teil davon – ein dreistelliger Millionenbetrag – soll mit diesem Portal eingespart werden können. Es gibt 230 Mio. Informationsverpflichtungen, zu welchen die österreichische Wirtschaft jährlich angehalten ist. Diese sollen künftig einfacher elektronisch abgewickelt werden können.

Das Gebot der Stunde ist, Effizienz zu erhöhen und Kosten zu sparen. Gesunkene Steuereinnahmen und die Kosten durch Konjunkturpakete reduzieren auch Ausgaben unserer Kunden für IT in der Verwaltung. Eine Antwort auf die damit verbundenen Herausforderungen ist die konsequente Umsetzung des Shared-Service-Modells auch in der IT. Zur Erhöhung der Nutzung der Services soll die Einrichtung von One-Stop-Shops forciert werden. Hierbei geht es um einen zentralen Zugang für alle Verfahren. Für den Nutzer dieses One-Stop-Shops sollte irrelevant sein, welche Technologie dahintersteckt und welche Behörden für seine Angelegenheiten gerade zuständig sind. Bei einer Änderung eines Firmennamens müssen dann nicht mehr mehrere Stellen aufgesucht werden. Weiters können Daten wie zum Beispiel eine Bilanz direkt aus der jeweiligen Unternehmenssoftware in dieses System einfließen. Wenn ich heute beispielsweise ein Dienstleistungsunternehmen gründe, interessiert mich nur eins: der Bescheid, dass ich es gründen kann – keineswegs aber, welche unterschiedlichen Behörden in diese Entscheidung involviert sind.

(+) plus: Wenn man sich die Liste der Verwaltungsprojekte ansieht, die heuer in Österreich ausgeschrieben werden – liefert sich das BRZ nun ein hartes Gefecht mit dem Mitbewerb?
Jabkowski:
Nein – im Gegenteil. Die Rolle des Bundesrechenzentrums ist, die Synergiepotenziale im Bund zu nutzen und möglichst viel Projektvolumen auch an die Wirtschaft weiterzugeben. Zwei Drittel unseres Umsatzes werden an Subunternehmen geleitet. Die Kernkompetenzen bleiben bei uns im Haus. Damit agieren wir wie jeder andere große IT-Dienstleister am Markt.

(+) plus: Wie sieht die Investitionslust der Ressorts in IT generell aus? Kämpfen Sie mit sinkenden Einnahmen?
Jabkowski:
Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen sind überall gefragt. Durch gemeinsame Initiativen mit den Kunden wie etwa den konsequenten Einsatz von IT-Shared-Services werden aber auch wieder Mittel für Innovationen und neue Projekte frei. Die Rolle der IT muss auch im Zusammenhang mit einem wirtschaftspolitischen Lenkungseffekt gesehen werden. Wie man heute weiß, hatte die Verschrottungsprämie einen massiven Effekt auf die Wirtschaftsentwicklung. 30.000 Anträge zur Unterstützung bei einem Neuwagenkauf wurden in kürzester Zeit abgewickelt. Hätte man hier keine IT gehabt, um das gesamte Verfahren von der Antragsstellung bis zu Prämienauszahlung abzuwickeln, hätte die Abwicklung aller Anträge länger gedauert. Mit der Anwendung, die auf FinanzOnline bereitgestellt war, konnte noch am Tag der Antragstellung das Geld überwiesen werden. Hier hat man gesehen, wie die IT die Wirtschaft per se unterstützen kann.

Dieses Projekt zeigt also ein verantwortungsvolles Vorgehen der Politik, indem in die richtigen Werkzeuge investiert wird, um Kosten einzusparen und gleichzeitig die Servicequalität zu erhöhen. Durch Preissenkungen bei den laufenden IT-Kosten hat das BRZ dem Bund mehr als 25 Mio. Euro in den letzten drei Jahren eingespart. Einige Vorschläge aus unserem Haus haben sich auch in den Projekten der Verwaltungsreform wiedergefunden.

\"ÖH-Wahlen.(+) plus: Im vergangenen Jahr wurde mit den Hochschülerschaftswahlen von Ihnen auch ein besonders heißes Projekt angegriffen: E-Voting. Hier war man unterschiedlichsten Anfeindungen ausgesetzt, bis hin zu Web-Attacken auf die Server.
Jabkowski:
Das BRZ hat den Auftrag des Wissenschaftsministeriums erfüllt. Aus der Sicht der IT war der E-Voting-Pilot mit den ÖH-Wahlen ein voller Erfolg. Bewiesen wurde die Möglichkeit, ein komplexes Wahlverfahren durch die Mittel der Informationstechnologie unterstützen und auch abbilden zu können. Über 200 Wahlbeobachter aus aller Welt waren bei uns im Haus. In technischen Maßstäben kann man die elektronische Stimmabgabe bei der vergangenen Hochschülerschaftswahl als geglückt bezeichnen. Natürlich gibt es rechtliche und auch politische Fragestellungen, die dazu geklärt werden müssen. Klar ist aber heute bereits das Potenzial solcher neuen, einfachen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung.

(+) plus: Wie wird E-Government in Zukunft aussehen? Welche Strömungen sehen Sie hier, etwa in Sachen Bürgerbeteiligung?
Jabkowski:
Ich sehe hier das Web 2.0 als  spannende Geschichte. Wir erleben nun eine Zeit der Social Networks, die einen Paradigmenwechsel in der menschlichen Kommunikation bilden. Diese neue Art der elektronischen Kommunikation ist eine Medienrevolution, die mittlerweile mit der Erfindung der Druckerpresse oder Telekommunikation gleichgesetzt wird. Es gibt nun erste Ansätze für diese neuen Wege auch in der Verwaltung. So wurde etwa in den USA zur Erhöhung der Transparenz und des Vertrauens des Bürgers zu seiner Verwaltung eine Plattform ins Leben gerufen. Auf
recovery.gov können die Nutzer laufende Investitionen der Verwaltung samt Detaildaten abrufen. Sie ermöglicht der  Bevölkerung ein detailliertes Monitoring der hunderte Milliarden Dollar schweren Konjunkturpakete.

Und zum Thema Partizipation wird aktuell Bürgern in Deutschland ermöglicht, direkt mit ihrer Bundeskanzlerin per E-Mail in Kontakt zu treten. Die Stadt Köln wiederum erlaubt ihren Bürgern im Netz aktiv eine Mitbestimmung über die Verwendung der Budgetmittel. In Österreich rief die Bundesregierung die Jugend in einem Beteiligungsverfahren auf, für sie relevante Themen online einzubringen und zu bewerten. Die Ergebnisse wurden auf help.gv.at umgesetzt.

Diese Fokussierung auf einzelne Nutzergruppen wird in Zukunft maßgeblich zum Erfolg von E-Government beitragen. Ebenso wie in der Wirtschaft die Unternehmen ihre Kunden gezielt ansprechen müssen, wird dies auch in der Verwaltung passieren. Ein einziges Serviceschema über alle zu legen, hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Auch die Unternehmen wollen gebündelt Informationen – etwa Termine für Fälligkeiten, die eben nur für bestimmte Branchen und Berufsgruppen relevant sind.



Begriff \"One-Stop-Shop\"
>> Bürger und Unternehmen wünschen sich beim Kontakt mit den Behörden zur Erledigung eines Anliegens eine einzelne Interaktion, die aber im Hintergrund eine ganze Reihe von weiteren Prozessen auslösen kann. Dieser Kontakt mit der Behörde wird durch den »One-Stop-Shop« ermöglicht. Das Ziel von One-Stop-Shops ist es, einfach und medienbruchfrei mit der Behörde zu interagieren. Besondere Kenntnisse über Verwaltungsabläufe und Zuständigkeiten sind dabei nicht notwendig.

Zentrales Portal
>> Am 1. Jänner erfolgte der Start des zentralen Unternehmensserviceportals usp.gv.at. Ziel ist, einen zentralen One-Stop-Shop für die Wirtschaft zu schaffen. Das USP bietet derzeit an zentraler Stelle Informationen zu Behördenverfahren im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit. Bis 2013 soll das Portal vollständig aktiv sein. Behördliche Wege können dann für Unternehmen einfacher und vollständig online erledigt werden.

Zum Unternehmen
>> Das Bundesrechenzentrum (BRZ) ist der IT-Dienstleister des Bundes und eine hundertprozentige Tochter der Republik. Gegründet im Jahr 1997, verfügt die BRZ GmbH über eines der größten Rechenzentren Österreichs und hat heute 1.200 Mitarbeiter.

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