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Drei Minuten dolce vita

Report: Herr Kloibhofer, wie geht es der Callcenter-Branche?
Thomas Kloibhofer: Der Callcenter-Markt ist gereift. Zu Beginn glaubte noch jedes große Unternehmen, ein eigenes Inhouse-Callcenter betreiben zu müssen - heute sind die Themen Outsourcing und flexibles Dienstleistungsgeschäft vorrangig. Generell sehe ich die IKT-Branche in einer Phase des intellektuellen Aufschwungs. Es wird nun wieder mit viel Freude und Euphorie, aber anhand gesunder, konservativer Businesspläne investiert.

Warum haben Sie sich für einen neuen Standort in Rumänien entschieden? Was waren die Argumente für gerade dieses Land?
Wir haben bei der Evaluierung die derzeit dort herrschende positive, dynamische Stimmung bemerkt. In Rumänien ist noch nicht die internationale Callcenter-Branche tätig, mit der Eröffnung in Bukarest haben wir so etwas wie einen First-Mover-Advantage. Wir betrachten aber nie einen Staat alleine, sondern stets mehrere Länder gleichzeitig. Für Bukarest haben mehrere Faktoren gesprochen: Zum einen hat die Mobilfunkbranche noch nicht die hohen Penetrationsraten erreicht, wie wir sie im Westen Europas finden - hat also noch viel Wachstum und folglich Outsourcingbedarf vor sich. Dann suchen die internationalen Konzerne auch in den neuen Ländern jene Qualitätsstandards, die sie im Dienstleistungsgeschäft gewohnt sind. Hier herrscht lokal noch großer Aufholbedarf: die nationalen Callcenter-Dienstleister haben nicht die nötige Expertise, die Anbieter im Westen bekommen haben, die in den letzten Jahrzehnten mit ihren Konzernkunden mitgewachsen sind.
Teilweise findet sich dort noch eine regelrechte Hinterhofatmosphäre, wo es darum geht, möglichst viele Tische und Leute in einem Raum arbeiten lassen zu können. Qualität wird noch nicht mit allen Facetten ernst genommen. Der Stand der Erfahrung und des Knowhow erinnert mich an eine ähnliche Lage, die vor fünfzehn Jahren bei uns herrschte.
Der dritte Grund ist, dass einige unserer Geschäftspartner bereits vor Ort tätig sind - beispielsweise SkyEurope, für den voraussichtlich rumänisch und bulgarisch sprechende Mitarbeiter in Bratislava abgezogen und in Bukarest eingesetzt werden. In Rumänien geht derzeit alles blitzschnell - kaum hatten wir bekannt gegeben, ein Callcenter in Bukarest eröffnen zu wollen, waren wir schon bei den ersten Ausschreibungen eingeladen. Wir werden in kürzester Zeit einen zweiten Standort in Rumänien eröffnen. Im etablierteren Markt Deutschland haben wir dazu sechs Jahre gebraucht.

Wie entgehen Sie der Gefahr der überhitzung am rumänischen Markt?
Eine solche überhitzung sehe ich gar nicht. Die Firmen, die jetzt in Rumänien investieren, werden in den nächsten 12 bis 18 Monaten die Positionen gesichert haben. Für Unternehmen, die dann erst in Geschäft einsteigen, wird es einfach entsprechend teurer.

Was kommt danach? Wird es Sie als Callcenter-Betreiber anschließend weiter nach Osten ziehen?
Wir haben keine speziellen Länderziele, sondern expandieren dort, wo Bedarf entsteht. So auch in Westeuropa - im September eröffnen wir einen Standort in Leipzig, um bei großen Projekten eine redundante Ressourcenverteilung bieten zu können. Die Anforderung an den Standort Berlin war eine zweite Location innerhalb eines Zwei-Stunden-Radius zu finden. Dies ist uns mit Leipzig gelungen. Auch diese Stadt hat ihren eigenen Charakter: In Leipzig liegt ein Prickeln an Vitalität und Dynamik in der Luft. Leipzig ist zu allen Zeiten schon eine geschäftstüchtige Stadt gewesen, gerade jetzt vermittelt die Atmosphäre der Revitalisierung ein Gefühl der Freiheit und Kreativität. Auch die Dienstleistungsbranche hat mit Amazon lokal bereits ein prominentes Aushängeschild. In Diskussionen mit deutschen Geschäftspartnern erlebe ich oft, dass diese bewusst in Städten wie Leipzig und Dresden investieren wollen.

Eine Studie des Kundenservicespezialisten Pidas kommt zu dem Schluss, dass die Kunden Kompetenz in den Callcentern voraussetzen, die Freundlichkeit aber oft noch zu kurz kommt. Wie gehen Sie hier vor?
Im Callcenter dauert ein Gespräch durchschnittlich drei Minuten. Wir haben also drei Minuten Zeit, das Leben der Menschen zu verschönern. Beide Faktoren, Freundlichkeit und Kompetenz, sind für den Kundenkontakt essenziell. Hinzu kommt weiters die Schnelligkeit des Mediums Telefon: Erreichbarkeit ist ein großes Thema. Man konnte vor wenigen Jahren beobachten, dass sich viele Callcenter in Contactcenter umbenannt hatten, um der Medienvielfalt im Kundenkontakt gerecht zu werden. Kommunikationswege wie E-Mail haben sich letztlich aber nicht groß durchgesetzt. Schreiben ist nun mal nicht so bequem wie der Griff zum Telefon. Wartezeiten von 1 Minute am Telefon sind heute eine Ewigkeit, die man niemanden mehr zumuten kann.

Es scheint, dass die Unternehmen aber wenigstens die Kompetenzfrage im Kundenkontakt mittlerweile beherrschen.
Ja und nein. Es ist vielerorts ordentlich Geld in Wissensdatenbanken geflossen, die Anforderungen an die Mitarbeiter sind aber auch immens gestiegen. Hatte ein Agent früher bestenfalls mit einem Frontend und einer einzigen Datenbank zu tun, so sind heute die Themen fast uneingeschränkt in die Breite gegangen. Unsere Mitarbeiter müssen dementsprechend ausgebildet und befähigt sein. Wir sehen dazu auch eine große Diskrepanz zu anderen Branchen. Ein Installateur kann locker 80 Euro in der Stunde verlangen, in der Callcenter-Branche mit allen ihren Knowhowträgern sind bestenfalls 25 bis 30 Euro üblich. Dass Qualität bei hochwertigen Anforderungen aber einen fairen Preis erfordert, wird langsam auch bei den Kunden akzeptiert.

Wie wird der Callcenter-Branche in den nächsten Jahren wachsen? Welche Aussichten hat sie?
Rund 20 Prozent der Großunternehmen heute haben ihre Callcenter-Aktivitäten ausgelagert. Ich gehe davon aus, dass der Outsourcinggrad innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 90 Prozent steigen wird. Wesentlicher Motivator für die Unternehmen, sind die flexiblen Kosten, die bei der Abgabe von Callcenter-Prozessen an Stelle der Fixkosten treten. Rund 80 Prozent der Fixkosten lassen sich so in variable, transparent abrechenbare Summen führen. Wenn man dann noch unseren Spezialisierungsgrad herannimmt, so haben wir derzeit einen Kostenvorsprung und Möglichkeit zur Effizienzsteigerung von 40 bis 45 Prozent gegenüber eines Inhouse-Callcenters eines Unternehmens, liegen also in den Kosten pro Kundenkontakt deutlich voran.

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