Zwischen Gag und Gold
- Written by Redaktion_Report
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FTTH ist in den letzten drei Jahrenzum Lieblingswort der Analysten undNetzwerkhersteller geworden. FTTHsteht für Fiber-to-the-Home und bezeichnetGlasfaserleitungen, die ohnetechnologischen Adapter direkt vomBackbone in die Haushalte gezogenwerden. Dies bedeutet im Regelfall, dassein Provider eine Menge Geld in dieHand nehmen muss, um die gegenüberKupferkabel relativ teuren Leitungen zuverlegen. In den Neunzigern, als derPreis für Glasfaser noch nicht ins Bodenlosegesunken war und zwar ein überangebotan euphorischen Prognosenzur Bandbreitenentwicklung, nicht aberein überangebot an Hochgeschwindigkeitsleitungenvorhanden war, wurdenentlang so mancher Strecke übertriebeneLeitungskapazitäten vergraben. DerEinbruch am Markt folgte prompt: BlühendeBetriebe wurden auf Rumpfmannschaftenreduziert, so mancherVorstand musste seinen Hut nehmen.
Heute, wo Glasfaser enorm billig undmit dem Komponentengeschäft eineMenge Geld zu verdienen ist, gibt sichdie Branche vorsichtiger. Man hat ausden Fehlern der Vergangenheit gelerntund dehnt nun die Prognosen zur goldenenBreitbandzukunft ein wenig aus.Nicht morgen werden Bürger undUnternehmen dank E-Government, EHealth,E-Learning und Teleworking Bedarfan potenten Dateninfrastrukturenhaben. Aber übermorgen.
Zweifel. Wo jene Applikationen sind,die solchen Aussichten zugrunde liegen,fragen sich wiederum Unternehmen,die bereits massiv in ihre bestehendenNetze gebuttert haben. Nachdem dieTelcos bereits auf Tonnen von Glasfasersitzen (allein durch Wien könnten Datendurch ein gutes Dutzend Glasfaserringegeschickt werden), sehen sie nur bedingtHandlungsbedarf. TelekomAustria und der Kabelnetzbetreiber UPCetwa erkennen derzeit wenig Nutzen inGlasfaserleitungen bis zum PC oder zurSettopbox. Nichtsdestotrotz habenauch sie FTTx im Programm. »Glasfaserja«, sagt Telekom-Technologiechef HelmutLeopold, »doch nur bis zum Node.«Die Nomenklatur: Fiber-to-the-Node,FTTN. Dies sind Glasfaserleitungen, dieüber die Wählämter hinausgehend unterder Straße oder an Gebäuden enden.Der Rest der zwanzig, fünfzig oder hundertMeter bis zum Equipment der Breitbandfanssei locker mit Kupferleitungenbespielbar - auch mit weitaus größerenBandbreiten. Dagegen: Fiber Optics, diedirekt in den PC geleitet werden, treffenderzeit oft auf Hardwarehürden. 30, 50oder 100 Mbit/s übertragungsgeschwindigkeitfänden spätestensim PC selbst ihren »Bottleneck«. Als Flaschenhals gestaltensich dann Festplatten undCache, die der unaufhörlichübertragenen Datenflut nichtmehr folgen können. Und überhaupt!Wo ist denn bitteschönim PC selbst Glasfaser zu finden?Da könne man doch gleich beimKupfer bleiben, sagen die Zweifler.
Politik. Den technischen Gegebenheitenzum Trotz sind die Glasfaserleitungenzu einem beliebten Marketingbegriffgeworden. Daten, die als Lichtstrahlübertragen werden, scheinen privilegiert.Produkte, die sich Licht undLaser umhängen, gelten als zukunftsreich,ausbaufähig und kurbeln den Verkaufan. Auf dieses Image setzt auch dieBranche, Herwig Tauber ruft Trendsetteraus den Siebzigerjahren in Erinnerung:»Captain Kirks Communicatorwar damals pureScience-Fiction.« Heute hättejeder ein Mobiltelefon. Dass esan Anwendungen für FTTHmangele, lässt der Kremser Professornicht gelten. Viele Serviceswären rein aufgrund desFehlens der Glasfasernetzenicht am Markt. Er zitiert USStudien,die besagen, 800 MilliardenDollar in den Gesundheitssystemeneinsparen zu können, wenn lediglichdie Breitbandnetzwerke ausgebautwerden.
»Glasfaser wird am Ende desTages die einzig richtige Lösung sein«,besagt auch die bislang unveröffentlichteStandortstudie, die von der StadtWien anlässlich ihrer Glasfaserbestrebungen(blizznet) in Auftrag gegebenworden war. Neben FTTH könnte esdann auch FTTD (Fiber-to-the-desk,gut für den Wirtschaftsstandort) odersogar FTTB (Fiber-to-the-bed, gut fürsPrivatvergnügen) geben.
Und wenn schon nicht Bedarf in deneigenen vier Wänden gesehen wird - derNachbar interessiert sich allemal dafür.Schätzungen zufolge wird Europa imJahr 2008 weniger Haushalte im Einzugsgebietvon FTTH-Netzwerken haben, alsheute Japan bereits FTTH-Kunden hat.Das sitzt. Auch die Amerikaner sind aufdem besten Weg, die Alte Welt hinter sichzu lassen. Dort werden allein dem ProviderVerizon bis Ende 2006 eine MillionFTTH-Haushalte prognostiziert. In Europafinden Initiativen maximal auf Citynetzebene(Amsterdam, Paris, Wien)statt. Und Datenübertragungen in Gigabitgeschwindigkeitwerden auf kurzenStrecken - vom Node zum Haushalt -demnächst auch mit Kupferleitungenstandardisiert machbar sein.
Fortsetzung folgt…