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Balsam für die Seele

Gegessen wird immer, gebadet auch. Während andere Unternehmen über sinkende Umsätze klagen, trotzen Konsumgüterhersteller der Krise. Herr und Frau Österreicher drehen zwar jeden Euro dreimal um, geben ihn aber schließlich doch aus – für Artikel des täglichen Bedarfs.

Sparen ist angesagt, aber nicht überall. Österreichische Konsumenten differenzieren gerne. Sie vergleichen bei Lebensmitteln genauer die Preise (80 Prozent), kaufen öfter als früher beim Diskonter ein (66 Prozent), versuchen im Haushalt Energie zu sparen (77 Prozent).
In der Freizeit will man jedoch weiterhin Spaß. In einer Konsumstudie der Universität Wien gaben im Februar nur 40 Prozent der 1.800 Befragten an, künftig weniger Geld für Freizeitaktivitäten ausgeben zu wollen. Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts. Ganz oben auf der Hitliste jener Produkte und Dienstleistungen, auf die Konsumenten am wenigsten verzichten möchten, steht  »ein gutes Essen«. Dann scheiden sich die Geschlechter: 17 Prozent der befragten Frauen wollen nicht bei Kosmetik und Wellness sparen, nur drei Prozent der Männer ist dieser Bereich ebenso wichtig. Aber wenn man sich schon keine Fernreise leisten kann, muss doch wenigstens ein Schaumbad mit Verwöhnaroma drin sein.

Lust am Leben
Von diesem Kompensationsdenken profitiert eine ganze Branche. Österreicher sind Genussmenschen – und diese Lust am Leben wollen sie sich auch in Krisenzeiten nicht nehmen lassen. Vor allem Süßigkeiten, Pudding und Marmelade werden mehr denn je genascht, quasi als Balsam für die Seele und das leere Bankkonto.
Dem aktuellen »Werbe-Optimismus-Index« der Wirtschaftskammer zufolge denken 56 Prozent der Österreicher erst gar nicht daran, ihr Konsumverhalten aufgrund der Krise zu ändern. Der Rest setzt den Rotstift vor allem bei größeren Investitionen wie Fernreisen, Unterhaltungselektronik und dem Möbelkauf an. Beim Kauf von Lebensmitteln oder Kosmetikprodukten wollen sich die wenigsten Befragten einschränken – als entsprechend krisensicher erweisen sich diese Branchen.
Nestlé Österreich verzeichnete 2008 mit plus zwölf Prozent ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum und setzte den Trend der letzten Jahre unbeirrt fort. Vor allem mit den Marken Maggi, Nespresso und Nescafé konnte der Lebensmittelriese in Österreich Marktanteile gewinnen und seine starke Position ausbauen. Auch für den Sommer ist Nestlé mit neuen Schöller Eisspezialitäten gut aufgestellt. Markus Oggenfuss, Generaldirektor von Nestlé Österreich, erwartet auch für 2009 »ein zweistelliges Umsatzwachstum«: »Wir sind überzeugt, auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten mit Qualität und hervorragenden Produkten unseren Kunden ihre Wünsche erfüllen zu können.«
Auch Kraft Foods, zweitgrößter Lebensmittelhersteller der Welt, konnte seinen Jahresgewinn im vergangenen Jahr auf 2,26 Milliarden Euro steigern. Die Prognose für 2009 musste der Konzern jedoch nach unten korrigieren: Bisher war man von einem Umsatzwachstum von vier Prozent ausgegangen, nun begnügt man sich mit drei Prozent. In Österreich konnte Kraft Foods die Geschäftsziele übertreffen. Hier ist das Unternehmen in den Bereichen Schokolade, Kaffee, Kakao und Frischkäse Marktführer; die Marken Milka, Suchard, Jacobs, Café HAG und Philadelphia zählen zu den bekanntesten Marken Österreichs.
Allerdings drücken die deutlich gestiegenen Rohstoffpreise die Erträge der Lebensmittelproduzenten. Ein Wermutstropfen auch für Österreichs führenden Konfitürenerzeuger A. Darbo AG, der das hoch gesteckte Umsatzziel von 100 Millionen Euro nur knapp verfehlte, insgesamt aber einen Zuwachs von 7,2 Prozent verbuchte. Besonders die »exorbitanten« Preise für Edelobst und Verpackungsmaterialien, vor allem Glas und Kunststoff, sind spürbar: »In unserem Unternehmen entfallen mehr als 50 Prozent der Ausgaben auf Edelobst«, rechnet Klaus Darbo, Vorstandsvorsitzender des Tiroler Familienunternehmens, vor.

Lipstick-Effekt
Leichter haben es die Hersteller von Haushaltswaren, Hygieneartikeln und Kosmetika. Beiersdorf fettete 2008 die Umsätze in Österreich und Osteuropa um neun Prozent auf 339 Millionen Euro kräftig auf und erzielte mit den Marken Nivea, Labello und Eucerin ein Rekordergebnis. Ulrich Schmidt, Chef der Beiersdorf CEE Holding, vergleicht die Entwicklung mit der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre, als in den USA der Verbrauch an Kosmetik um 1,5 Prozent gestiegen war. »In Krisenzeiten kaufen sich Frauen vielleicht kein neues Kleid und gehen nicht so oft zum Friseur, aber sie gönnen sich einen neuen Lippenstift«, erklärte Marketing-Direktorin Irene Szimak anlässlich der Jahresbilanzpräsentation.
Auf einen ähnlichen »Lipstick-Effekt« hofft Schmidt für das laufende Geschäftsjahr, denn an der Finanzkrise und den damit verbundenen Währungsabwertungen leiden vor allem lokale Vertriebspartner in Bulgarien, Serbien und Rumänien – in diesen Ländern verzeichnete Beiersdorf zuletzt Wachstumsraten von bis zu 20 Prozent. Über dem Marktdurchschnitt zu bleiben und Marktanteile auszubauen, lautet daher das vorsichtige Ziel für heuer. Profitieren will man von einem krisenbedingten Trend: »Käufer von teuren Produkten wechseln zu Produkten im preislichen Mittelfeld«, so Schmidt. Mit den starken Marken im leistbaren Preisniveau ist Beiersdorf gut aufgestellt: Nivea ist die größte Körperpflegemarke der Welt und klare Nummer eins im CEE-Raum.

Mutig in die Zukunft
Auch Henkel CEE, Osteuropa-Tochter des Düsseldorfer Traditionsunternehmens, ist von den Währungsabwertungen betroffen. »Der Markenartikelbereich, was kurzlebige Konsumgüter betrifft, ist von der Krise derzeit noch nicht so stark wie die restliche Industrie betroffen«, sagt Henkel-CEE-Präsident Günter Thumser. »Doch auch wir erkennen erste Auswirkungen der Konjunkturschieflage.« Als Marktführer bei Haarkosmetik und Klebstoffen sowie Oberflächentechnik blickt der Konzern auf ein äußerst erfolgreiches Jahr mit 13 Prozent Wachstum und 2,5 Milliarden Euro Umsatz zurück. Sorge bereitet aber vor allem der Klebstoffbereich, wo Henkel über eine große Industriesparte verfügt. »Wenn weniger Autos produziert werden, trifft uns das«, meint Thumser, der die Verantwortung für 32 Länder in Mittel- und Osteuropa sowie Teilen Asiens trägt.
Dennoch sieht man bei Henkel weiter positiv in die Zukunft: »Eine Krise ist zugleich immer ein Reinigungsprozess«, so Thumser, »ja, sogar eine Chance für all diejenigen, die mutig an neuen zukunftsfähigen Problemlösungen arbeiten.« Am Standort Wien, wo 2008 mit 220.000 Tonnen Waschmittel eine neue Produktionsspitze erreicht wurde, will man – Konjunkturflaute und Währungsturbulenzen zum Trotz – kräftig investieren. Auch das Cimsec-Werk in Ebensee, seit Mitte 2006 Teil der Henkel-Gruppe, soll als Kompetenzzentrum für Fliesenkleber und Fugenmasse technologisch aufgerüstet werden. In Russland, der Ukraine und im Baltikum sind drei neue Bautechnik-Werke in Vorbereitung.

Konjunkturelle Kaufunlust

Doch nicht alle Hersteller von Gebrauchsgütern durchtauchen die Krise gleich gut. US-Investmentexperten unterscheiden unter den Konsumgütern zwei Segmente. Unternehmen im Bereich »Consumer-Staples«, das alle Waren des täglichen Lebens wie Grundnahrungsmittel, Haushaltsartikel, Kosmetika, aber auch Medikamente umfasst, verzeichneten 2008 im Schnitt rund 19 Prozent Kursverlust und damit »nur« halb so viel wie der Markt insgesamt.
Deutlich schlechter erging es Herstellern, die dem zweiten Segment »Consumer Discretionary« zugerechnet werden. In diese Kategorie fallen alle Waren und Dienstleistungen, die nicht unbedingt notwendig sind, also Luxuswaren, aber auch Freizeitartikel sowie Restaurantbesuche. Diese Branchen reagieren sensibler auf konjunkturell bedingte Kaufunlust – der entsprechende MSCI-Leitindex verlor 2008 fast 39 Prozent seines Wertes.
Mit einer defensiven Anlagestrategie, wie sie etwa Investment-Legende Warren Buffett verfolgt, fährt man in Krisenzeiten deshalb gar nicht schlecht. Unter den von der Rating-Agentur Morningstar favorisierten Aktien der derzeit am besten performenden Fonds haben Lebensmittelkonzerne wie Kraft, Nestlé und Coca-Cola oder Haushaltsmultis wie Procter & Gamble derzeit die Nase vorn. Bekannte Marken machen sich nun besonders bezahlt, selbst wenn die Kunden vermehrt zu Diskontern pilgern. »Konsumenten vertrauen auch in der Krise Unternehmen mit starken Marken«, meint Henkel-Chef Thumser. Seine Cash-Cows Schwarzkopf und Persil behaupten sich bereits seit mehr als 100 Jahren auf dem Markt und haben bereits unzählige Flauten unbeschadet überstanden.
Vielleicht liegt es auch da­ran, dass das Preisbewusstsein der österreichischen Konsumenten trotz proklamierten Sparwillens nicht sehr ausgeprägt ist. In der eingangs erwähnten Studie der Universität Wien zum Kaufverhalten konnte nur ein Drittel der Befragten das Porto für einen Standardbrief im Inland richtig beziffern. Im Zeitalter des E-Mail-Verkehrs vielleicht weniger bemerkenswert – aber auch die Frage, wie viel ein Liter Benzin kostet, lieferte eine große Bandbreite an Antworten.
Ein Ergebnis überraschte allerdings sogar die Studienautoren: Erstaunlich viele Konsumentinnen und Konsumenten würden keinesfalls auf ihre Putzfrau verzichten wollen. Eine wahrlich krisenfeste Branche.

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