Faire Trennung
- Written by Redaktion
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Kostenstellen abbauen, Downsizing, Freisetzung – Euphemismen für das hässliche Wort »Entlassung« gibt es genug. Aber egal, wie man es nennt, es geht um das Schicksal von Menschen. Es kommt auch darauf an, wie die Betroffenen von ihrer Entlassung informiert werden. Oberstes Gebot für Führungskräfte: den Trennungsprozess so fair wie möglich gestalten.
Das Vorgehen planen
Eine faire Trennung setzt eine systematische Vorbereitung des Kündigungs- und Trennungsprozesses voraus, betont Irena Fiedler, Geschäftsführerin des Trainingsunternehmens EQ Dynamics. Sobald der Personalabbau feststeht, sollten die Verantwortlichen »ein Drehbuch für diesen Prozess schreiben«, in dem unter anderem steht: Wer führt wann die Kündigungsgespräche? Wie werden die Kündigungen begründet? Und: Wie wird die Trennung gestaltet?
In der Regel sollten die unmittelbaren Vorgesetzten die Betroffenen über ihre Kündigung informieren. Davor gilt es zu entscheiden, ob Kündigungs- und Trennungsgespräch eine Einheit bilden sollen oder getrennt voneinander über die Bühne gehen sollen. Julia Voss, Geschäftsführerin des Trainingsunternehmens Voss+Partner, rät: »Wenn der Mitarbeiter nicht mit der Kündigung rechnet, sollte das Trennungsgespräch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Dann kann der Gekündigte den Schock verdauen und sich auf das Gespräch über die Trennungsmodalitäten vorbereiten.«
Emotionen akzeptieren
Manche Führungskräfte schleudern, weil sie ein schlechtes Gewissen plagt, den zu kündigenden Mitarbeiter die Hiobsbotschaft einfach ins Gesicht. Andere reden endlos um den heißen Brei, obwohl die Betroffenen schnell ahnen, was der Anlass für das Gespräch ist. Das erhöht unnötig ihre Qualen. Adensam empfiehlt: »Kommen Sie nach einer kurzen Einleitung zur Sache.« Die Reaktionen auf diese schlechte Nachricht sind unterschiedlich, mit starken Emotionen muss aber gerechnet werden. Auch für Tränen muss der Vorgesetzte Verständnis zeigen und dem Mitarbeiter Zeit geben, die Fassung wiederzugewinnen. »Gelingt ihm dies nicht«, betont Irena Fiedler, »sollte das Gespräch über die Trennungsmodalitäten vertagt werden.« Gerade in Großunternehmen müssen Vorgesetzte oft Kündigungen aussprechen, hinter denen sie nicht stehen. Derlei Bedenken darf eine Führungskraft nicht äußern, warnt Adensam. »Sonst gerät sie in Teufels Küche.« Sobald der Gekündigte das Büro seines Vorgesetzen verlassen hat, wird er lautstark verkünden: Selbst unser Chef empfindet die Kündigung als ungerecht. Im schlimmsten Fall führt er ihn sogar bei einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung als Kronzeugen gegen das Unternehmen an.
Die Kündigung angemessen begründen
Entlässt eine Firma mit mehr als 20 Arbeitnehmern betriebsbedingt mehrere Mitarbeiter, ist das Begründen der Kündigung relativ einfach – weil die Auswahl aufgrund der vorgeschriebenen Sozialauswahl anhand objektiver Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgt. Deshalb können die Betroffenen die Begründung leichter akzeptieren.
Im Kündigungsgespräch erfahren Führungskräfte aber oft neue Dinge über das Privatleben der Betroffenen. Zum Beispiel: Der Mitarbeiter hat gerade ein Haus gekauft. Oder er lebt von seiner Frau und seinen Kindern getrennt und muss Unterhalt zahlen. Auch dann sollten Führungskräfte die Kündigung nicht in Zweifel ziehen, mahnt Adensam: »Sonst schaffen sie einen Präzedenzfall, auf den sich andere Mitarbeiter berufen.«
Besonders heikel ist das Begründen einer Kündigung, wenn in die Auswahl Faktoren wie »Wer bringt welche Leistung?« einfließen. Denn es nagt am Selbstbewusstsein, wenn ein Mitarbeiter gehen muss, weil seine Leistung oder Qualifikation angeblich schlechter ist als die von Kollegen. »Dann muss der Vorgesetzte die Rolle des Buhmanns übernehmen«, betont Julia Voss. »Das gehört zu seinem Job.« Hier ist aber Vorsicht geboten, denn bei solchen Kündigungen bewegen sich Betriebe juristisch oft auf dünnem Eis. Deshalb sollte eher ein Aufhebungsvertrag angestrebt werden.
Blick nach vorne
Ist die Kündigung ausgesprochen, gilt es, das Ausscheiden zu regeln. »Der Vorgesetzte sollte dem Mitarbeiter einen Vorschlag unterbreiten, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann«, fordert Fiedler. »Außerdem sollte er ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten – zum Beispiel, indem er sich bereit erklärt, bei Bewerbungen als Referenzperson zu dienen.« Häufig engagieren Unternehmen auch Karriere- oder Newplacementberater, um die Gekündigten beim Entwickeln einer neuen Perspektive zu unterstützen. Der Vorteil dabei: Der Blick der Gekündigten wird in die Zukunft gerichtet. Und die verbleibenden Mitarbeiter sehen: Das Unternehmen lässt unsere Kollegen nicht im Regen stehen.
Exkurs:
Leitfaden für Führungskräfte
Personalberater Frank Adensam: 12 Tipps für faire Kündigungs- und Trennungsgespräche
1. Bereiten Sie sich gut auf die Kündigungsgespräche vor. Schreiben Sie ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess. Klären Sie zunächst die juristische Seite. Handelt es sich um personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen oder um betriebsbedingte Kündigungen? Nach welchen Kriterien wird ausgewählt, wie wird begründet? Wann, wo und von wem wird die Entscheidung bekannt gegeben? Gibt es Abfindungen? Sind Freistellungen möglich? Sollte ein externer Trennungsspezialist eingebunden werden?
2. Führen Sie als Vorgesetzter, so weit möglich, die Kündigungsgespräche selbst – auch wenn es schwer fällt. Wenn die Kündigung zum Beispiel über die Personalabteilung schon per Post zugestellt wurde, suchen Sie unmittelbar danach das Gespräch.
3. Stellen Sie sicher, dass das Gespräch ohne Störungen von außen verläuft.
4. Teilen Sie die Kündigung nach einer kurzen Einleitung klar und sachlich mit. Nennen Sie das Kind beim Namen, verstecken Sie die Nachricht nicht hinter Anglizismen wie »Downsizing«.
5. Falls der Gekündigte auf die Nachricht geschockt reagiert, aggressiv wird oder weint, sollten Sie dies akzeptieren und abwarten, bis er sich gefasst hat. Geschieht dies nicht, sollten Sie dem Gekündigten den Vorschlag unterbreiten, das Gespräch über die Trennungsmodalitäten zu einem späteren Zeitpunkt zu führen.
6. Bereiten Sie sich auf die Frage vor: »Warum ich?« Bei einer Sozialauswahl können Sie sich auf die rechtliche Lage berufen. Wenn Fertigkeiten oder Leistungsunterschiede (mit-) entscheiden, müssen Sie beim Begründen viel Fingerspitzengefühl beweisen: einerseits um den zu kündigenden Mitarbeiter nicht zu verletzen, andererseits, damit die Kündigung nicht juristisch anfechtbar wird.
7. Prüfen Sie bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen genau, ob die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Wenn Zweifel bestehen, streben Sie einen Aufhebungsvertrag an.
8. Lassen Sie sich auf keine Diskussion über die Auswahlkriterien ein. Sonst diskutieren Sie über die Kündigung selbst.
9. Prüfen und aktualisieren Sie vor dem Gespräch den Datenbestand der Personalakte. So vermeiden Sie Überraschungen im Trennungsgespräch. Erfahren Sie Neues über die familiäre Situation des Betroffenen, kann dies die gesamte Sozialauswahl kippen.
10. Bieten Sie dem Gekündigten Hilfe beim Aufbau einer neuen beruflichen Perspektive an – zum Beispiel, indem Sie ihm die Unterstützung durch einen externen Karriereberater offerieren. Schalten Sie den Berater möglichst frühzeitig ein, damit er Ihnen auch als Puffer bei eventuellen Konflikten dienen kann.
11. Denken Sie auch an die verbleibenden Mitarbeiter. Erläutern Sie ihnen die Zukunftsplanung und die künftige Aufgabenverteilung, damit sie eine neue Perspektive haben.
12. Ein fair gestalteter Kündigungs- und Trennungsprozess hilft Ihnen, die versteckten Kosten jedes Personalabbaus, die zum Beispiel durch ein Sinken der Arbeitsmotivation der verbleibenden Mitarbeiter entstehen, zu reduzieren.
Frank Adensam ist Geschäftsführer der Adensam – Die Personalberater GmbH
Info: www.adensam.de